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KLIMA/703: USA - nach uns die Sintflut ... (SB)



Beim diesjährigen Treffen des Arktischen Rats wurde erstmals keine gemeinsame Abschlußerklärung abgegeben. US-Außenminister Mike Pompeo hatte sich geweigert, Bezüge zum Klimawandel in dem Entwurf zu unterzeichnen. Zugleich ließ der frühere CIA-Chef und Folterbefürworter eine Haßtirade gegen Rußland und China vom Stapel. Andere Mitglieder des Arktischen Rats dagegen sind in tiefer Sorge, weil sich die Arktis unter der globalen Erwärmung schneller verändert als jede andere Weltregion.

Der 1996 gegründete Arktische Rat setzt sich zum einen aus Vertretungen von sechs Organisationen der indigenen Völker der Arktis und zum anderen von den Anrainerstaaten Dänemark, Finnland, Island, Kanada, Norwegen, Rußland, Schweden und den USA zusammen. Darüber hinaus haben weitere Staaten sowie Organisationen wie zum Beispiel das Umweltprogramm der Vereinten Nationen oder der WWF einen Beobachterstatus.

Bereits zu Beginn des 11. Treffens des Arktischen Rats Anfang Mai, das unter Leitung Finnlands in der Stadt Rovaniemi stattfand, kündigte der finnische Außenminister Timo Soini an, daß diesmal nicht wie bisher üblich eine gemeinsame Abschlußerklärung abgegeben wird. Statt dessen hat der Rat eine kürzere ministeriale Stellungnahme veröffentlicht, in der der Klimawandel nicht erwähnt wird. Der ursprüngliche Entwurf jedoch, den zu unterzeichnen die USA abgelehnt haben, wurde von Soini unter dem Titel "Chair's Statement", also Stellungnahme des Vorsitzes des Rats, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. [1]

Darin wird der Klimawandel als "fundamentale Herausforderung" bezeichnet und es werden ausdrücklich die Wichtigkeit des Klimaübereinkommens von Paris sowie die Ergebnisse des UN-Klimagipfels COP24 im polnischen Katowice anerkannt. Die USA haben jedoch das Pariser Übereinkommen verlassen. Auf Frage der Medien sagte Pompeo nur, daß das Pariser Abkommen nichts gebracht hat. Was er dazu nicht sagte: Es hat deshalb wenig gebracht, weil es zu lasch ist, unverbindlich bleibt und die darin festgehaltenen Nationalen Klimaschutzverpflichtungen - so sie überhaupt eingehalten werden - auf eine Welt hinauslaufen, die im Durchschnitt 3 bis 3,5 Grad Celsius wärmer ist als die Welt zur vorindustriellen Zeit und deshalb von schwerwiegenden Naturkatastrophen gekennzeichnet sein wird.

Die US-Regierung ist nicht etwa aus dem Pariser Übereinkommen ausgestiegen, weil es zu wenig ambitioniert ist, sondern weil sie sich an überhaupt keine internationalen Klimaschutzbestimmungen gebunden fühlt. Die Trumpregierung leugnet, daß eine Erderwärmung stattfindet, für die menschengemachte Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft und der Verbrennung fossiler Energieträger (Kohle, Erdöl, Erdgas) hauptverantwortlich sind. In den USA gründet ein kleiner Kreis von Profiteuren der desaströsen Energiepolitik seinen Wohlstand nicht zuletzt auf die fossile Energiewirtschaft.

So schließt sich der Kreis zum Arktischen Rat und dem kaum verhohlenen Zerwürfnis zwischen den USA und allen anderen. Dem noch nicht genug, hat der US-Außenminister, der dem rechtsnationalen Flügel der Tea Party innerhalb der Republikanischen Partei angehört hat, das Podium genutzt, um sowohl China als auch Rußland anzufeinden.

Die Rede Pompeos markiert einen folgenschweren Wendepunkt im Verhältnis der USA zu den anderen Staaten hinsichtlich der Arktis. So bezeichnete es Pompeo als "Luxus", daß sich der Arktische Rat zwei Jahrzehnte lang fast ausschließlich mit wissenschaftlicher Zusammenarbeit, kulturellen Angelegenheiten und Umweltforschung befaßt hat. Diesen Luxus habe man in den nächsten hundert Jahren nicht. Denn: "Wir treten in ein neues Zeitalter strategischen Engagements in der Arktis ein", erklärte er und meinte damit selbstverständlich nicht das strategische Engagement der USA, sondern ihrer mutmaßlichen Widersacher. Die Arktis berge 13 Prozent des unentdeckten Erdöls, 30 Prozent des unentdeckten Erdgases, reichlich Uran, seltene Erden, Gold, Diamanten und Millionen Quadratkilometer ungenutzte Ressourcen sowie Fische im Überfluß, versuchte Pompeo die wirtschaftliche Ausbeutung dieser ökologisch hochempfindlichen Region schmackhaft zu machen. [2]

China genieße Beobachterstatus im Arktischen Rat. Seine Worte und Taten ließen allerdings Zweifel über seine Absichten in der Region aufkommen, behauptete der US-Außenminister. Die Investitionen Chinas in der Arktis seien durchaus willkommen - laut Pompeo betragen sie fast 90 Mrd. Dollar im Zeitraum von 2012 bis 2017 -, doch sieht er die Gefahr, daß China seine zivile Forschungspräsenz dazu nutzen könnte, um dort seine militärische Präsenz zu stärken. Dazu zähle auch der Entsatz von Unterseebooten "zur Abschreckung gegen Nuklearangriffe".

Da fragt man sich, wenn das Pompeos Befürchtung ist, wer solche Nuklearangriffe gegen China führen könnte. Weiter sprach der US-Außenminister von einem "aggressiven Verhalten" Chinas in anderen Teilen der Welt und setzte seine Feinbildproduktion mit den Worten fort:

"Fragen wir uns einfach selbst: Wollen wir, daß die arktischen Nationen im allgemeinen und die indigenen Gemeinschaften im besonderen den Weg der ehemaligen Regierungen Sri Lankas oder Malaysias gehen, die in Schulden und Korruption verwickelt sind? Wollen wir, daß wichtige arktische Infrastrukturen wie die von China in Äthiopien gebaute Straßen enden, die nach nur wenigen Jahren zerfallen und gefährlich sind? Wollen wir, daß sich der Arktische Ozean in ein neues Südchinesisches Meer verwandelt, das von Militarisierung und konkurrierenden territorialen Ansprüchen geprägt ist? Wollen wir, daß die empfindliche arktische Umwelt den gleichen ökologischen Verwüstungen ausgesetzt ist, die von Chinas Fischereiflotte in den Meeren vor ihrer Küste oder von unregulierten industriellen Aktivitäten im eigenen Land verursacht werden? Ich denke, die Antworten sind ziemlich klar."

Auch Rußland wird des aggressiven Verhaltens bezichtigt, weil es die Nordostpassage, die durch seine Ausschließliche Wirtschaftszone führt, für sich beansprucht und fordert, daß ausländische Schiffe russische Lotsen an Bord lassen müssen. Auch kritisiert Pompeo die Pläne, diesen Seeweg der Seidenstraßeninitiative Chinas anzugliedern.

Würde man Pompeo nur auf diesen einen der zahlreichen eklatanten Widersprüche in seiner Rede ansprechen, daß er einerseits das Verschwinden des Meereises als Chance für kürzere Handelsrouten preist, im gleichen Atemzug die verkürzten Handelswege im Rahmen des Seidenstraßenprojekts aber kritisiert, hätte er damit vermutlich überhaupt kein Problem. Denn die USA sind gut, China und Rußland böse. Mit so einem Weltbild lebt es sich leicht, und das um so mehr, wenn man davon ausgeht, daß alles, was man macht, von Gott gewollt ist. Das gilt nicht nur für den evangelikalen Endzeitapologeten Pompeo, sondern auch für andere Mitglieder der US-Regierung wie zum Beispiel Vizepräsident Mike Pence.

Malte Humpert, Gründer des Arctic Institute, erklärte in Anspielung auf die Rede Pompeos , daß die Politik der Trump-Administration nun auch in der Arktis angekommen ist. Habe man gehofft, der Arktische Rat sei dagegen abgeschirmt, müsse man nun erleben, wie nach der Politik "Make the Arctic Great Again" verfahren werde. Wie Humpert sieht auch die heutige Leiterin des Arctic Institutes, Victoria Herrmann, die Gefahr einer Schwächung des Arktischen Rats. Ein solches Forum, das für seinen Zusammenhalt bekannt sei, werde nun durch das "aggressive" Verhalten der USA gefährdet. Und weiter: "Die absichtliche Vernachlässigung der Auswirkungen des Klimawandels auf das Leben der nördlichsten Bürger Amerikas durch die Trump-Administration ist eine weitaus größere Bedrohung unserer nationalen Interessen als die gemeinsamen Ambitionen Chinas und Russlands in der Region." [3]

Die USA haben das UN-Seerechtsübereinkommen nicht ratifiziert, maßen sich aber an, in der Arktis dafür zu sorgen, daß dort laut Pompeo keine "Gesetzlosigkeit" herrscht. Dabei sind es ausgerechnet die USA, die sich zu keinen internationalen Klimaschutzbestimmungen verpflichten wollen. Eine Folge dieser zügellosen extraktivistischen Politik ist beispielsweise, daß die Trump-Administration die Erdölförderung an der Nordküste Alaskas freigegeben hat.

Ähnlich wie die USA auch die Militarisierung des Weltraums vorantreiben und dort die uneingeschränkte Vorherrschaft beanspruchen, wollen sie in der Arktis das Sagen haben. Allerdings ohne dabei Verpflichtungen einzugehen bzw. sich an die Pflichten zu halten, die sie anderen auferlegen.

Würden alle Staaten eine Klimapolitik wie die USA betreiben, würde das als erstes den Lebensraum und die Kultur der Indigenen in der Arktis zerstören. Dann käme der ganze Planet an die Reihe, denn was im Hohen Norden geschieht, ist zwar auch Folge globaler Entwicklungen, aber nicht nur. Umgekehrt hat das Verschwinden des arktischen Meereises ebenfalls Rückwirkungen auf die globale Erwärmung. Mit der Einstellung, die die gegenwärtige US-Regierung an den Tag legt, sollte sie die letzte sein, die irgend etwas in der Arktis zu sagen hätte. Doch augenscheinlich hat US-Präsident Donald Trump mit dem Evangelikalen und früheren Sonntagsprediger Mike Pompeo genau den richtigen Mann für seine Nach-mir-die-Sintflut-Politik gefunden.


Fußnoten:

[1] https://arctic-council.org/images/PDF_attachments/Rovaniemi-Statement-from-the-chair_FINAL_840AM-7MAY.pdf

[2] https://www.state.gov/secretary/remarks/2019/05/291512.htm

[3] https://www.thearcticinstitute.org/the-arctic-institutes-reaction-to-the-outcome-of-the-11th-ministerial-meeting-of-the-arctic-council/

9. Mai 2019


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