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KLIMA/739: Grüner Kapitalismus - Avantgarde der Vorherrschaften ... (SB)



BlackRock, der mit seiner Beteiligung an mehreren tausend Konzernen weltweit größte Vermögensverwalter, hat in einem offenen Brief die Unternehmensleitungen aufgefordert, sich sehr viel stärker für den Klimaschutz zu engagieren. Andernfalls werde man dem Management seine Zustimmung verweigern. Der Brandbrief dürfte der letzte Anstoß gewesen sein, der noch gebraucht wurde, um die Lohnarbeitsgesellschaft endgültig auf einen grünen Kapitalismus einzuschwören. Der steht auf zwei Säulen, der Wirtschaft und der grün gefärbten Ordnungspolitik, die angesichts der ultimativen Bedrohung durch die Klimawandelfolgen mit administrativen Bestimmungen und Maßnahmen tief in das Leben der Menschen eingreifen wird.

Für die wirtschaftlichen wie auch politischen Sachwalter der vorherrschenden Ordnung ist es nicht ausschlaggebend, welcher Mittel sie sich bedienen, also ob grüner, roter, brauner oder noch ganz anders gefärbter, Hauptsache ihre privilegierte Position wird nicht in Frage gestellt. BlackRock, mit sicherem Gespür für die potentielle Gefahr eines zukünftigen Bedeutungsverlusts, sollte es säumig werden, sich der globalen Klimaschutzbewegung anzuschließen, spielt sich nun als Vorreiter der Finanzwirtschaft in Sachen Nachhaltigkeit auf. So schreibt BlackRock-Chef Larry Fink, daß der Klimawandel "für die langfristigen Aussichten von Unternehmen zu einem entscheidenden Faktor geworden ist" und der Finanzwelt eine "fundamentale Umgestaltung" bevorsteht. [1]

Die Finanzwelt an sich bleibt in Finks Vorstellungen von der Zukunft der Gesellschaft erhalten, mehr noch, sie soll Antworten liefern für die großen Fragen der Menschheit und entsprechend regulativ in das Marktgeschehen eingreifen. Während sich ein indischer Bauer sorgt, ob der Monsunregen rechtzeitig eintritt, eine Fischverkäuferin auf dem pazifischen Inselstaat Kiribati Angst hat, daß das Meer ihre Heimat verschlingt, weil das Wasser höher und höher steigt, und sibirische Nomaden sprichwörtlich den Halt unter den Füßen verlieren, da der Permafrostboden taut, sorgt sich der Milliardär Fink weniger um seine eigene Haut, denn die ist nicht gefährdet, da er sich einen klimafreundlichen Wohnort aussuchen kann, sondern um das Finanzgeschäft. In dem Brief fragt er:

"Werden Städte beispielsweise ihre dringend benötigten Infrastrukturprojekte noch finanzieren können, wenn Klimarisiken eine Umgestaltung des Marktes für Kommunalanleihen erzwingen? Wie geht es weiter mit 30-jährigen Hypotheken, einem wichtigen Baustein der Finanzwirtschaft, wenn Kreditgeber nicht mehr in der Lage sind, die Folgen von Klimarisiken über einen derart langen Zeitraum abzuschätzen? Was passiert, wenn es keinen funktionierenden Markt mehr für Hochwasser- und Brandschutzversicherungen gibt? Und wie entwickeln sich die Inflationsraten und damit auch die Zinsen, wenn die Lebensmittelpreise infolge von Dürre und Überschwemmungen steigen? Wie lässt sich das Wirtschaftswachstum modellieren, wenn die Produktivität in den Schwellenländern aufgrund extremer Hitze oder anderer Klimaveränderungen sinkt?"

Selbstredend kann ein Vermögensverwalter nur deshalb Vermögen verwalten, weil andere die Möglichkeit besaßen, es anzuhäufen. Das konnten sie nur tun, weil sie zu ihrem Vorteil die Arbeitsleistung, die andere erbracht haben, gegen Lohn getauscht haben. Das System aus Vermögensbildung und Kapitalakkumulation auf der einen Seite und Lohnarbeit auf der anderen will Fink in eine Zeit massiver gesellschaftlicher Umbrüche hinüberretten.

Auch wenn sich das Klima ohne den Menschen ständig gewandelt hat, wie erdgeschichtliche Hinterlassenschaften nahelegen, werden die letzten rund 200 Jahre massiv vom Menschen beeinflußt. Das Verbrennen fossiler Energieträger (Erdöl, Erdgas, Kohle) hat die Atmosphärenzusammensetzung geringfügig, aber entscheidend verändert, so daß sich die Erde aufheizt. Außerdem breitet sich der Mensch in nahezu alle Lebensräume weiter aus, nicht zuletzt ermöglicht durch eine Landwirtschaft, die die Erntemengen drastisch ansteigen ließ. Aber auch dafür, wie für den sogenannten technologischen Fortschritt der Industrialisierung im allgemeinen, muß nun der Preis entrichtet werden. Dabei hat der technologische Fortschritt nicht darauf abgezielt, die Menschen von der Arbeit zu entlasten, sondern sie im Gegenteil in Lohnarbeitsverhältnisse zu nötigen, aus denen es so gut wie kein Entkommen gibt. Deshalb läßt Larry Fink gar nicht erst die Idee aufkommen, es gäbe irgendeinen Anlaß für den Versuch, sich von dieser Fessel zu befreien.

BlackRock ist an mehreren tausend häufig transnational aufgestellten Konzernen beteiligt. Mit seinen treuhänderisch verwalteten sieben Billionen Dollar - fast doppelt so viel wie das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands - kann der Finanzkapitalist Regierungen stürzen und Unternehmen in den Konkurs zwingen. Seine gesellschaftlich herausragende Macht ist unstrittig. Fink nutzt seine Möglichkeiten der Einflußnahme keineswegs, um die Voraussetzungen der Vermögensanhäufung und damit der Klimaschadensentwicklung anzugreifen.

Daß BlackRock den ultranationalistischen brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro unterstützt, der einen Vertreibungs- und Vernichtungsfeldzug gegen die Menschen im Amazonas-Regenwald führt und das Tempo der Waldrodungen drastisch beschleunigt hat - Schnee von gestern. Daß BlackRock nicht nur der weltweit größte Vermögensverwalter ist, sondern auch der größte Investor in fossile Energien - macht nichts, ab jetzt wird ja alles gut.

Mit dem Brief an die Unternehmensführungen wie auch einem weiteren Brief mit ähnlichem Tenor an die "sehr verehrten Kundinnen und Kunden", also an all diejenigen, die nach gewinnträchtigen Anlagemöglichkeiten des von ihnen angehäuften Vermögens suchen, will BlackRock nicht primär Schaden von der Menschheit abwenden, sondern das Finanzsystem retten. [2]

Die globale Erwärmung steckt bereits so tief in den Natursystemen und ist so weit fortgeschritten, daß nur noch umfangreiche Reduzierungen der Produktion und Einschränkungen des Konsums das Klima auf einem Niveau halten können, das sich einstellt, wenn die Erderwärmung nicht um mehr als 1,5 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit steigt. Das ist der Wert, der 2015 auf dem UN-Klimagipfel als Wunschgrenze formuliert wurde.

Ansonsten besagen die Hochrechnungen, daß bei einem Weiter-so-wie-bisher Verhältnisse auf der Erde einkehren, in denen nur rund eine halbe Milliarde Menschen überleben werden. Damit diese Gefahr nicht zur Stabilisierung von Herrschaft dient - in der Zivilisationsgeschichte war es sehr verbreitet, mit realen oder echten Bedrohungen von außen eigene Vorherrschaftsansprüche zu begründen , damit also nicht alles beim alten bleibt, darf der Sozialkampf nicht vernachlässigt werden. Als herausragender Profiteur eben dieses Kampfes wäre BlackRock ein denkbar ungeeigneter Bündnispartner für eine Klimaschutzbewegung, die die soziale Frage nicht ausspart.


Fußnoten:

[1] blackrock.com/de/privatanleger/larry-fink-ceo-letter

[2] blackrock.com/de/privatanleger/blackrock-client-letter

24. Januar 2020


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