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KLIMA/759: Picoplankton - Anpassung gegen das Leben ... (SB)



Die Basis der Nahrungskette im Nordostatlantik hat in den letzten 60 Jahren einen starken Wandel erfahren. Die Menge an großem, nährstoffreichen Plankton ist um die Hälfte geschrumpft. Stellenweise wurde es sogar komplett ersetzt durch das anpassungsfähigere, nährstoffärmere Picoplankton, heißt es in einer neuen Studie aus dem Vereinigten Königreich.

Das Forschungsergebnis bestätigt einen globalen Trend, der schon seit langem auch in anderen Meeresregionen rund um den Globus beobachtet wird. Bereits sehr geringe Temperaturerhöhungen im Ozean, wie sie durch die anthropogenen Treibhausgasemissionen ausgelöst werden, üben einen folgenschweren Einfluß auf das marine Leben aus, von den Einzellern bis zu den großen Meeressäugern.

Hauptautorin Katrin Schmidt von der Universität Plymouth und ihre Kolleginnen und Kollegen vom Plymouth Marine Laboratory, der Marine Biological Association (MBA) und der Universität von Southampton schreiben im Journal "Global Change Biology" [1], daß in dem von ihnen untersuchten rund 1700 Quadratkilometer großen Gebiet eine Klimaveränderung von einstmals wolken- und niederschlagsreicheren Sommern zu längeren Perioden mit Sonnenschein und Trockenheit stattgefunden hat. Das habe die Zufuhr mit Eisen und Nährstoffen aus größerer Meerestiefe in die oberste, lichtdurchflutete Meeresschicht, in der noch Photosynthese möglich ist, verringert.

Mit dieser Entwicklung kam das Phytoplankton, also das pflanzliche Plankton, nicht so gut zurecht und wurde durch das sogenannte Picoplankton, insbesondere das Cyanobakterium Synechococcus, ersetzt. Typischerweise ist dieses winzige Plankton von den Tropen bis zu den polaren Meeren weit verbreitet, und sein Anteil nimmt nicht nur im Nordatlantik zu.

Synechococcus bildet jedoch als Nahrungsgrundlage für Zooplankton, das ist das tierische Plankton, und andere Meeresbewohner einen unzureichenden, faden Ersatz. Es mangelt ihm an Omega-3-Fettsäuren. In weiteren Untersuchungen soll nun herausgefunden werden, ob sich ein Mangel an diesem lebenswichtigen Nährstoff in der Nahrungskette fortsetzt. Des weiteren soll untersucht werden, ob sich durch die beobachteten Veränderungen die Aufnahmekapazität der Ozeane für Kohlenstoff verändert. Wenn Plankton abstirbt, fällt es zum Meeresgrund. Damit wird dem Ozean und somit letztlich der Atmosphäre das Treibhausgas Kohlenstoffdioxid langfristig entzogen.

Jenes Picoplankton ist zwar ebenfalls zu Photosynthese fähig, bindet jedoch aufgrund seiner geringen Größe weniger Kohlenstoff. Das müßten zukünftige Klimamodelle berücksichtigen, forderte Luca Polimene vom Plymouth Marine Laboratory in einer Pressemitteilung der Universität Plymouth. [2]

Über diese Studie hinausgehend stellt sich die Frage, inwiefern eine Veränderung der Planktonzusammensetzung und eine globale Abnahme des Phytoplanktons die Freisetzung von Sauerstoff schmälern. Das wäre überaus relevant, denn zwischen 50 und 80 Prozent des atmosphärischen Sauerstoffs werden durch Plankton im Meer freigesetzt, und tatsächlich weisen der Sauerstoffgehalt der Ozeane und auch der Atmosphäre zwar geringe, aber nachweislich rückläufige Trends auf. In den Meeren fällt der Effekt sogar deutlicher aus, er beträgt um die zwei Prozent über den Zeitraum 1960 bis 2010.

Wärmere Ozeane enthalten weniger Sauerstoff, da dessen Löslichkeit im Wasser herabgesetzt ist. Außerdem werden die Meeresschichten nicht mehr so stark durchmischt, und da über Nährstoffeinleitungen vor allem aus der Landwirtschaft an vielen Küstenabschnitten Algenblüten erzeugt werden, sinkt der Sauerstoffgehalt regional manchmal auf Null herab. Wobei auch inmitten der Ozeane sauerstoffreduzierte Zonen entstehen. Deren Anzahl und Ausdehnung nimmt zu.

Die Weltmeere repräsentieren 97 Prozent der bewohnbaren Sphäre der Erde, schreibt die Weltnaturschutzorganisation IUCN im Dezember 2019 in ihrem Bericht zum Sauerstoffverlust der Ozeane. [3] Dieser Verlust wächst bereits zu einem Problem für die Fischbestände aus. Setzt sich der Trend fort, geraten auch Landlebewesen unter Anpassungsdruck. Den weitreichenden Veränderungen der Ozeane, die über 90 Prozent der globalen Erwärmung absorbieren, kommt somit eine enorme Bedeutung für den ganzen Planeten zu.


Fußnoten:

[1] https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1111/gcb.15161

[2] https://www.plymouth.ac.uk/news/climate-change-has-degraded-productivity-of-shelf-sea-food-webs

[3] https://portals.iucn.org/library/sites/library/files/documents/2019-048-En-Summ.pdf

10. Juni 2020


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