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FOKUS/001: Mit Polizeigewalt ans zentrale Abwassernetz (SB)


(Ab)wasserkrieg

Eine Bürgermeisterin kämpft seit über zehn Jahren gegen wirtschaftliche Interessen und zentralstaatliche Bürokratie


Mit der dringlicher werdenden Debatte über Anpassungsstrategien an den Klimawandel rückt die Frage der Wassernutzung auch für die Menschen in Europa in ein neues Licht. Der Gebrauch von Wasser, in wie großen Mengen auch immer es zur Verfügung zu stehen scheint, stellt immer einen Verbrauch, also - gerade angesichts unsicherer Prognosen - schwer zu kalkulierenden [1] und unwiederbringlichen Verlust dar, der zuverlässige Zuteilungsmechanismen auf den Plan ruft. Anläßlich der Weltwasserwoche in Stockholm im August 2006 legte das Internationale Institut für Wassermanagement (IWMI) eine umfangreiche Expertenstudie zu Wassermangel und Wassermanagement vor. Als besonders besorgniserregend bezeichnete dessen Direktor Frank Rijsberman zu diesem Zeitpunkt, daß die im Jahr 2000 für das Jahr 2025 hochgerechnete Zahl von mehr als einem Drittel der Weltbevölkerung, das unter Wassermangel leiden würde, bereits im Jahr 2005 erreicht worden war.[2] Abgesehen davon, daß die Dringlichkeit des Problems deutlich wird, läßt dies grundsätzlich an den wissenschaftlichen Erhebungen und ihrer Prognosewertigkeit zweifeln, die durch die aktuelle Entwicklung mehr als überholt scheinen. Aussagen zudem über wasserreiche und wasserarme Staaten und Regionen sowie eine ungerechte Verteilung durch fehlgeleitetes Management und Korruption, denen durch eine wirksame Gesetzgebung das Handwerk gelegt werden soll, können nur unzureichend bemänteln, daß der Zugriff auf Wasser durch andere Motive und Regularien bestimmt wird als das Lebensrecht eines jeden Menschen.

Die Tatsache, daß das IWMI in Zusammenhang mit dieser Studie ein radikales Umdenken im Umgang mit den weltweiten Wasservorräten anmahnte [2], um eine globale Wasserknappheit in 50 Jahren zu verhindern, ist in mehr als einer Hinsicht zu verstehen. Denn hier sind von administrativer Seite nicht nur die vordergründig vertretenen umweltfreundlichen Aufbereitungs- und Sparkonzepte zu erwarten, sondern es wird der Boden für die Installation massiver, global greifender Maßnahmen zur Sicherung der Vorkommen und Kontrolle des Verbrauchs bereitet, um die aus dem Streit um Wasser entstehenden Konflikte zu regulieren. Die Einsicht, daß Wasser möglicherweise in baldiger Zukunft auch dort fehlt, wo es dies heute noch nicht tut [3], und daß dafür passende Lösungen gefunden werden müssen, fördert in diesem Zusammenhang die Durchsetzbarkeit von Maßnahmen, die zuvor noch als unverhältnismäßiger Eingriff in die Persönlichkeitsrechte wahrgenommen worden wären.

In Briesensee, einer kleinen Gemeinde in Brandenburg, findet seit mehr als zehn Jahren [4] eine Auseinandersetzung statt, die in diesem Sinne ein Licht auf die Organisation und Durchsetzung administrativer Grundlagen für eine zentralstaatliche Krisenverwaltung wirft. Sie zeigt die Folgen, die in diesem Fall eine Bürgermeisterin zu tragen hat, die ihrem Rechtsverständnis und Verantwortungsgefühl gemäß versucht, im gebotenen Rahmen durchzusetzen, was sie für Menschen und Umwelt - hier im speziellen Fall der Wasserver- bzw. Abwasserentsorgung - für vernünftig hält und damit bei den Behörden auf taube Ohren stößt.

Eigentlich begann die Auseinandersetzung schon im Jahr 1992 mit der zwangsweisen Zuordnung des Dorfs Briesensee per Innenministererlaß zum Amt Straupitz. Gegen den Willen der Briesenseer Bevölkerung und des Gemeinderats gingen damit Befugnisse an das nunmehr übergeordnete Amt - ein Verlust an Selbstbestimmung zunächst mit der Folge, daß die bis dato schuldenfreie Gemeinde für die Amtsschulden mit herangezogen werden konnte. Im Rahmen von EU-Vorgaben zur Abwasserentsorgung entschied sich der Amtsausschuß 1997 für den Ausbau des Klärwerks Straupitz, also eine zentrale Entsorgung, und nahm eine entsprechende Ausschreibung in Angriff, mit der der günstigste Anbieter ermittelt werden sollte. Eine dezentrale Lösung, die zu diesem Zeitpunkt durchaus schon diskutiert wurde, zog das Amt nicht weiter in Erwägung, und im April 1997 war der Ausbau des Klärwerks auf ca. 5.800 Einwohner beschlossene Sache. Die anvisierte Einwohnerzahl - heute leben im Amtsbereich Oberspreewald 4520 Menschen - wurde nie erreicht. In der Überzeugung, daß es sich hier um die für die Briesenseer günstigste Lösung handelte, übertrug die Gemeindevertretung Briesensee noch im gleichen Monat die Abwasserentsorgungspflicht auf das Amt Oberspreewald.

Abgesehen von ökologischen sowie ökonomischen Überlegungen (der Ausbau verteuerte sich, die Beantragung von Fördergeldern erwies sich als schwierig) führte allerdings der Verdacht, daß Ausschreibung und Vergabe nicht ordnungsgemäß vonstatten gegangen waren [5], nach einer Bürgerbefragung dazu, daß die Gemeinde Briesensee beschloß, von der Übertragung der Abwasserentsorgungspflicht an das Amt Oberspreewald zurückzutreten - ein Beschluß, der im folgenden mehrfach gefaßt, von der Amtsleitung jedoch auch unter Androhung finanzieller Folgen im Amtsausschuß erfolgreich ausmanövriert wurde. Man befürchtete eine Signalwirkung für die anderen Gemeinden, zumal Briesensee mittlerweile ein Gutachten für ein dezentrales Lösungskonzept nach LAWA-Leitlinien vorlegen konnte, das gegenüber den für die zentrale Variante veranschlagten 5.112 DM pro Einwohner einen Investitionskostenanteil von 1.407 DM pro Einwohner - Eigenleistungen vorausgesetzt - vorsah.

Der Anschluß Briesensees über Land zum 14 Kilometer entfernten Klärwerk nach Straupitz wurde in diesem Gutachten als die teuerste, sozial unverträglichste sowie ökonomisch und ökologisch unsinnigste Variante für die Gemeinde bezeichnet. Eine dem vorausgegangene Stellungnahme aus dem zuständigen Umweltministerium hatte ähnlich gelautet. Demgegenüber bot das alternative Lösungskonzept für den Ort, das Nutzwassergewinnungsanlagen in Einzel- und Gruppenbauweise vorsah, die Möglichkeit, das Wasser vor Ort wiederzuverwenden, ein Ansatz, der auch deshalb plausibel schien, weil Briesensee in der Brandenburger Lausitz, einem der stärksten Wassermangelgebiete Deutschlands mit einem Niederschlag von ca. 500 mm/a, liegt.[5,6] Mittlerweile geriet auch die Kläranlage Straupitz wegen Verstoßes gegen das Wasserhaushaltsgesetz und die Grundwasserverordnung in die Kritik.

Gleich welche Anstrengungen von den Briesenseern und den Unterstützern ihrer 'Initiative gegen den zentralen Abwasserwahn' unternommen wurden, die zuständigen Behörden zeigten sich Bürgerwillen und Umweltbelangen gegenüber unzugänglich und führten damit zu einer zunehmenden Eskalation des Konflikts. Noch einmal wurden im Mai 2000 in einer Dringlichkeitssitzung die Beschlüsse der Gemeindevertretung Briesensees festgehalten. Zusammengefaßt beinhalteten diese zum wiederholten Male die Rücknahme der Abwasserbeseitigungspflicht vom Amt in die Gemeinde, daß es keinen Anschluß- und Benutzungszwang für Bürger der Gemeinde mit einer Anlage gleichwertigen oder höheren Umweltstandards geben sollte, das Ausscheiden aus dem Betreibervertrag sowie die Inangriffnahme eines alternativen Entsorgungskonzeptes. Kurz darauf erfolgte unbeeindruckt der Beschluß des Amtsausschusses Oberspreewald über den weiteren Bau des zentralen Abwassersystems ab 1. April 2000 mit "Baufreiheit" auch in Briesensee. Die Gemeinde Briesensee entschloß sich zu einer EU-Beschwerde, die schließlich in Verbindung mit einer Protestfahrradfahrt an den Europäischen Rat gelangen sollte.

Unter Protest der Briesenseer wurden dennoch die Baumaßnahmen eingeleitet und die Hauptstraße der Gemeinde aufgerissen. Der Antrag auf eine einstweilige Anordnung zur Untersagung von Baumaßnahmen war vom Amtsgericht Cottbus abgelehnt worden, und auch die im folgenden eingereichte Beschwerde gegen die vom Amt veranlaßten Baumaßnahmen vor Gericht war gescheitert. Weder Hungerstreik noch Demonstration führten zum Einlenken des Amtes, die zuständige Polizeiführung weigerte sich jedoch, den Baggern den Weg freizuknüppeln. Die Androhung schließlich, das Demonstrationsrecht zu entziehen, führte zum Einlenken der die Baumaschinen blockierenden Bürger. Der Erfolg vor dem Oberverwaltungsgericht blieb aus, und auch das brandenburgische Verfassungsgericht lehnte die Beschwerde ab.

Das Amt Lieberose/Oberspreewald und das Landratsamt des Landkreises Spreewald des Innen- und Umweltministeriums in Potsdam verbündeten sich gegen uns.
Am 15.06.2000 begann die Zwangskanalisierung unserer 250 Einwohner kleinen Gemeinde über ca. 14 Rohrkilometer an das zentrale Klärwerk in Straupitz - mit Paragraphen aus der Deutschen Gemeindeordnung von 1935 und dem Reichszweckverbandsgesetz von 1939, dem Anschluss- und Benutzungszwang gegen Gemeinderatsbeschlüsse und Umwelterfordernisse. [5]

Natürlich bestand für das Amt schon aus Kostengründen kein Interesse daran, auch nur einen Ort aus dem Abwasserverbund zu entlassen, obwohl es für die Einzelgemeinden aufgrund der bereits vorliegenden Fehlkalkulationen Gründe genug dafür gab, die zentrale Abwasserkonzeption zu überdenken. Wie anderenorts in Brandenburg war hier ein Klärprojekt in Angriff genommen worden, das den tatsächlichen Bedarf weit überstieg und sich schon aufgrund mangelnder Auslastung, wenn nicht auch aufgrund anderer Fehlkalkulationen und Interessen, soweit als unwirtschaftlich erwies, daß die brandenburgischen Abwasserzweckverbände heute auf einem milliardenschweren Schuldenberg sitzen.[7] Vor diesem Hintergrund liegt neben der Schaffung zentralisierter Ver- und Entsorgungsstrukturen die Deutung nahe, daß hier mit allen Mitteln jeder nur erreichbare Haushalt ohne jegliche Rücksicht an die öffentliche Kanalisation gebracht werden sollte und soll, um die Schulden um- und Überkapazitäten auszulasten. So wurden auch Haushalte, die mit dem Brandenburger Umweltpreis 2003 ausgezeichnete alternative Klär- bzw. Nutzwassergewinnungsanlagen betrieben, an das zentrale Klärnetz gezwungen, obwohl das Brandenburger Abwassergesetz andere Möglichkeiten zuläßt [7] und die EU-Wasserrahmenrichtlinie vorsieht, daß Entscheidungen

auf einer Ebene getroffen werden, die einen möglichst direkten Kontakt zu der Örtlichkeit ermöglicht, in der Wasser genutzt oder durch bestimmte Tätigkeiten in Mitleidenschaft gezogen wird. Deshalb sollten von den Mitgliedstaaten erstellte Maßnahmenprogramme, die sich an den regionalen und lokalen Bedingungen orientieren, Vorrang genießen.[8]

Mit einem massiven Polizeiaufgebot wurde am 10. September diesen Jahres das Grundstück der ehrenamtlichen Bürgermeisterin von Briesensee, Doris Groger, gewaltsam ans Kanalnetz angeschlossen. Die streitbare Demokratin, die dieses Amt seit 1998 innehat, setzt sich seit über zehn Jahren in Abstimmung mit den Bürgern des kleinen Ortes für ein der Umwelt und Gesundheit zuträgliches, alternatives Schmutzwasserkonzept und das vom Grundgesetz garantierte föderative Selbstbestimmungsrecht der Gemeinden ein. Drei dem vorausgegangene Versuche von Amsseite, den Zwangsanschluß unter Polizeibegleitung durchzusetzen (19. und 20.12.2007 sowie 19.5.2008) waren bereits wohl aufgrund umfangreicher Bürger- und Medienpräsenz abgebrochen worden, nun sollten endlich Nägel mit Köpfen gemacht werden. Der Film "Tat-Ort Briesensee!" von Volker Hoffmann und Klaus Overhoff (zugänglich über die Website www.freistaat-briesensee.de) dokumentiert die Vorgänge.

Nachdem sich die Bürgermeisterin in voller Kenntnis der Konsequenzen Amtsdirektor Bernd Boschan gegenüber ein weiteres Mal standhaft und von der Unrechtmäßigkeit der Zwangsaktion überzeugt, geweigert hatte, freiwillig ihr Haus zu verlassen, wurde sie von Polizisten gefesselt, vom Grundstück geschleift und für die Zeit der Zwangsmaßnahme neben weiteren interniert. Der Film zeigt über diese Szenen hinaus auch das verbarrikadierte Grundstück und ein Polizeiteam, das sich um eine Unterstützerin bemühte, die im Schockzustand schien und erlaubt einen Blick auf die der Zwangsräumung folgende Verlegung von Rohren und das Abpumpen zweier Wasserspeicher. Einige Anwohner und Unterstützer kommen zu Wort, niemand billigt diese Aktion.[9]

Polizeibeamte, die sich weigerten, in der zutage getretenen Art und Weise zu agieren, sollen sich jetzt gegen disziplinarische Verfahren zu wehren haben, wurde uns zugetragen.[10]

Die Polizei ging allem Anschein nach sehr gut vorbereitet und generalstabsmäßig organisiert in mehreren Gruppen vor, um die Öffentlichkeit durch Straßen- und Feldwegsperren weitestgehend auszuschließen - Zeugen schienen unerwünscht. Nach Auskunft von Anwohnern wurden die Hauptzufahrtsstraße nach Briesensee an der zwei Kilometer entfernten Waldkreuzung, Feldwege sowie ein Teil der Dorfstraße abgesperrt, was auch Unbeteiligte in Mitleidenschaft zog. Die ganze Aktion wurde abgesehen von dem obengenannten Video des Unterstützerteams auch von der Polizei gefilmt.[10]

In einem Interview mit Frau Groger, der Briesenseer Bürgermeisterin, zu Sachlage und Polizeiaktion, das die 'junge Welt' am 6. Oktober 2008 veröffentlichte [11], beschreibt diese unter anderem ihre Nutzwasseranlage. An dieser Stelle nicht erwähnt wird, daß sie zur Zeit noch ihre anteiligen Kosten für das Abwasserkanalnetz abbezahlt und sie weitere Kosten für den Zwangsanschluß sowie die Polizeiaktion erwarten.

Ich habe mir vor zehn Jahren eine Anlage bauen lassen, die kein Wasser in die Natur entläßt - der Hersteller hat 2003 sogar den Umweltpreis des Landes Brandenburg bekommen. Das Ganze hat damals 16000 DM gekostet. Zwei Teiche gehören dazu - das Wasser ist so sauber, daß wir alle, auch meine beiden Kinder, damals darin gebadet haben. Das Hygiene- und Umweltinstitut Cottbus hat die Badewasserqualität nach EU-Norm bescheinigt, in der Keimbelastung hat es demnach sogar Trinkwasserqualität.

In diesem Zusammenhang könnte man die jüngste Eskalation als eine besonders bittere und ungerechte Entgleisung von Behördenseite empfinden. Ungleich näher liegt jedoch die Vermutung, daß es von vornherein darum ging, unumkehrbare Verhältnisse zu schaffen, und Alternativen nie wirklich zur Verfügung standen. Der Rechtsweg schließt selbstverständlich den Zwang ein, ohne den Recht nicht durchzusetzen ist. Der den Zwangsanschluß erst ermöglichende Gerichtsbeschluß, der in einem Artikel unter "Briesensee - das zweite Horno in Brandenburg?" zusammengefaßt wird, kontrastiert auffallend mit der obigen Darstellung und klingt fast, als habe man eine fundierte Prüfung der Sachverhalte gar nicht erst in Erwägung gezogen, sondern eine wie auch immer geartete Begründung präsentiert.

Das Amt (Amtsdirektor Bernd Boschan), das VG Cottbus (Vorsitzender Richter Kluge, Richter Herrmann, Richter Krüger, ehrenamtliche Richterin Stepputtis und ehrenamtliche Richterin Winkler) (Az: 6K1299/06) und das OVG Berlin Brandenburg (Präsident des OVG Kipp, Richter am Finanzgericht Dr. Deek, Richter am OVG Dr. Riese) (Az: OVG 9N117.08) verbieten die Herstellung von Badewasser mit teilweiser Trinkwasserqualität aus ursprünglich verschmutztem Wasser vor Ort wie folgt (Konspekt):

Eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung müsse verhütet werden. Diese Gefahr brauche noch nicht eingetreten zu sein. Es sei eine Gefahr für die Volksgesundheit. Seuchen könnten entstehen. Gefahren durch Krankheitserreger bei Nichtanschluss an die zentrale Abwasserentsorgung seien zu befürchten, das sage die allgemeine Lebenserfahrung. Für das Gemeinwohl wäre es nicht zumutbar. Die Pflanzen am Teich transpirieren, das entspreche einer illegalen Abwasserbeseitigung. Auch die Verdunstung im Teich gelte als illegale Abwasserbeseitigung. Auf den höheren Umweltstandard käme es nicht an. Es sei kein geschlossenes System. Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen dürfe nur durch die Gemeinde bzw. das Amt und nicht durch die Bürger erfolgen. Fazit: Zwangsanschluss erforderlich, inklusive Einschränkung des GG Art. 2 Satz 1 (körperliche Unversehrtheit), Art. 2 Satz 2 (Freiheit der Person) und Art. 13 (Unverletzlichkeit der Wohnung) [5]

Im dem oben genannten Interview bekräftigt Frau Groger ihre aus dem Grundgesetz, das die kommunale Selbstverwaltung als ein hohes Gut anerkennt, gewonnene tatkräftige Überzeugung, daß die Gemeinde Briesensee Entscheidungen, die sich auf den eigenen Bereich beziehen, selbst treffen können müßte, was sie dann im umweltfreundlichen Sinne auch getan habe. "Es sind elf Beschlüsse der Gemeinde in Kraft, die eine ökologische Abwasserentsorgung fordern."[11] Mit diesem Hintergrund hat die Bürgermeisterin nun Klage vor dem Europäischen Gerichtshof eingereicht.

Die Entscheidung dieses Gremiums angesichts zunehmender Umweltprobleme und wachsenden Mangels auf der Versorgungsseite, dürfte aufschlußreich werden. Eine möglichst zentrale Verwaltung schwindender Sourcen unter Sachzwanglogik wird auch hier wohl als geeignetes Mittel erscheinen, die politischen und wirtschaftlichen Interessen des Westens in den sich abzeichnenden Mangel- und Verteilungskonflikten durchzusetzen. Innovative Projekte zur Mangelverwaltung in Entwicklungsländern hingegen, die eine dezentrale (Ab)wasserklärtechnologie propagieren, könnten als Testfeld gelten und im Zweifelsfall von einer globalisierten Versorgung ausgeschlossen werden. Ob die Rechte einer Bürgermeisterin und eines kleinen Ortes in Brandenburg berührt werden, dürfte auf dem Weg, den sie beschritten hat, in Abwägung der Interessen zugunsten eines unbestreitbaren administrativen Zugriffs als nachrangig bewertet werden. Briesensee im speziellen ist ein Lehrstück in Demokratie, das bei Entscheidung des letzten nun angerufenen Gerichtes gegen die Gemeinde ein deutliches Licht auf den dann wohl als bloße Behauptung dastehenden Artikel 20 werfen würde, daß alle Staatsgewalt vom Volke ausgehe - aber wie in rechtlichen Fragen häufig - ist dies eine Frage der Interpretation.

1. November 2008


Quellen, weitere Informationen:
• www.freistaat-briesensee.de
• Historischer Abriss "Abwasser Briesensee" - http://www.dezentrales-abwasser.de/Faelle/briesensee.htm, am 5.10.2008
• http://www.lr-online.de/regionen/luebben/briesensee/ - Lausitzer Rundschau
• Tat-Ort Briesensee!
  ein Film von Volker Hoffmann und Klaus Overhoff
  http://www.freistaat-briesensee.de
  Download: plugins/videos/briesensee.php
• http://www.mz-web.de/servlet/ContentServer?pagename=ksta/page&atype=ksArtikel&aid
  =1223303386777&openMenu=1013016724285&calledPageId=1013016724285&listid= - Mitteldeutsche Zeitung, 16.10.2008

Quellenhinweise:
[1] Wassermanagement im 21. Jahrhundert: Rechnen mit Unbekannten - Quelle: (idw) / Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung 05.02.2008, zitiert nach: http://www.fona.de/de/5970, am 16.10.2008
[2] "Durstige Welt", von Andrea Naica-Loebell, in: Telepolis, 27.08.2006
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/23/23416/1.html, am 16.10.2008
[3] "Der Durst der Welt", von Dagmar Röhrlich, aus Forschung aktuell vom 14.08.2008, Deutschlandfunk, 16:35 Uhr (33. Internationaler Geologenkongreß in Oslo)
[4] Historischer Abriss "Abwasser Briesensee" - http://www.dezentrales-abwasser.de/Faelle/briesensee.htm, am 5.10.2008
[5] Briesensee - das zweite Horno in Brandenburg? - http://briesensee.all-your-web.de/horno_briesensee.html, am 5.10.2008
[6] Radio Berlin Brandenburg, Sendung OZON vom 28.02.2007, Wassermangel - Planlos in die nächste Dürre?
http://www.rbb-online.de/_/fernsehen/magazine/beitrag_jsp/key=rbb_beitrag_5537884.html, am 28.10.2008
[7] siehe Broschüre "Von Abwasser bis Zweckverband" Teil 2, Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz (MLUV) des Landes Brandenburg, Stand: 12.4.2008
http://www.mluv.brandenburg.de/cms/detail.php?id=171762&_siteid=800, am 12.10.2008
[8] RICHTLINIE 2000/60/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik. Quelle: www.bmu.de, am 10.10.2008
[9] Tat-Ort Briesensee! - ein Film von Volker Hoffmann und Klaus Overhoff
http://www.freistaat-briesensee.de - Download: plugins/videos/briesensee.php
[10]Quelle: Freistaat Briesensee - "Historie", http://briesensee.all-your-web.de/historie.html, am 5.10.2008
[11] "Ich werde nicht aufgeben" - Briesensee: Streit um Anschluß an das Abwassernetz. Polizeieinsatz gegen Bürgermeisterin. Ein Gespräch mit Doris Groger. Aus: junge Welt, Montag, 6. Oktober 2008, Nr. 233