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RESSOURCEN/115: Biosprit für die US Navy in Konkurrenz zur Nahrung (SB)


Die Arroganz der Satten

Der US-Militärapparat folgt den Vorgaben von Präsident Barack Obama und ersetzt Erdöl durch Biosprit


War der frühere US-Präsident George W. Bush ein Mann der Erdölindustrie, so hat sich sein Nachfolger Barack Obama der Förderung des Biosprits als Ersatz für Erdöl verpflichtet. Er hält an dem 2007 beschlossenen Ziel, den Anteil von Ethanol am Treibstoffverbrauch bis zum Jahr 2015 auf jährlich 56,8 Milliarden Liter zu erhöhen, fest. Die von der US-Regierung einberufene Biofuel Interagency Working Group erarbeitet Methoden, wie die Vorgabe erfüllt werden kann. Es wird der Anspruch formuliert, daß die Biospritproduktion nicht mit der Nahrungsmittelherstellung konkurrieren soll.

Das schließt offensichtlich die Ethanol-Gewinnung aus Mais keineswegs aus. Im Gegenteil, die Vereinigten Staaten steigern die heimische Produktion von Mais, der zu Alkohol vergoren und zu Treibstoff verarbeitet wird, laufend weiter. Im vergangenen Jahr wurden bereits 25 Prozent der Getreideernte der USA auf diese Weise verwertet, berichtete kürzlich die britische Zeitung "The Guardian" unter Berufung auf eine Studie von Lester R. Brown vom Earth Policy Institute. [1]

Das entspricht einer Verdoppelung der Menge gegenüber 2007, als Bush die nationalen Biospritziele auswies. Andere heimisch erzeugte Quellen zur Herstellung von Biosprit wie zum Beispiel Algen und Holzreste oder auch der Einsatz der sogenannten Fischer-Tropsch-Synthese befinden sich noch im Experimentierstadium. Sie müssen erst noch den Beweis antreten, daß sie mit Getreide konkurrieren können, und sich auf dem hart umkämpften Biospritmarkt durchsetzen.

Allerdings werden von den Produzenten solcher Nischentechnologien gern im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Bedeutung Erwartungen geweckt und vielversprechende Ziele ausgewiesen, die sich nach Lesart der Hersteller fast von allein einstellen sollen. Solchen Werbeversprechen aufzusitzen oder sie gar unkritisch zu kolportieren, zeugt von einem leicht zu beeinflussenden Gemüt. Daß auch das US-Militär, das sich in einem neuen Tarngrün kleiden will, nämlich dem der vermeintlichen Umweltfreundlichkeit, erste Experimente mit Biotreibstoffen durchführt, die angeblich nicht in Konkurrenz zur Nahrungsproduktion stehen, und seine Aktivitäten auf diesem Gebiet besonders herausstreicht, ist nicht anders zu erwarten.

In den Vereinigten Staaten ist die Verbreitung von Biosprit Teil eines umfassenderen energiepolitischen Programms zur Erhöhung des Anteils an sogenannten Erneuerbaren Energien am nationalen Verbrauch. Damit will die Regierung eigenen Angaben zufolge einen Beitrag zum Klimaschutz leisten und ihre Abhängigkeit von Erdölimporten verringern.

Zu den aktuellen Entwicklungen auf diesem Gebiet zählt die Unterzeichnung eines "Memorandum of Understanding" zwischen dem Landwirtschaftsministerium (USDA - United States Department of Agriculture) und der Abteilung für die Navy (DoN - Department of the Navy) im Verteidigungsministerium vom 21. Januar 2010. [2]

Um welche Art von Biosprit es sich handelt, zu der die beiden Institutionen in Zukunft zusammenarbeiten wollen, geht aus der Vereinbarung nicht hervor. Deshalb kann nur darüber spekuliert werden, ob das Landwirtschaftsministerium seine Kompetenzen auf dem Gebiet der Getreideproduktion einbringt oder ob es plötzlich auf die Idee verfällt, von ihm bislang weitgehend unbestellte Felder zu beackern und groß in die Algenzucht einzusteigen. Die fristet zur Zeit noch ein Schattendasein, auf dem sich Privatunternehmen wie Solazyme aus San Francisco zu etablieren versuchen.

In der entsprechenden Presseerklärung zum Memorandum hält das Landwirtschaftsministerium fest, daß die Vereinigten Staaten "reichlich natürliche Ressourcen" besitzen. Zu denen zählt es auch "Land für Biomasse-Energiepflanzen". Darüber hinaus wird erklärt, daß das Programm zur ländlichen Entwicklung (Rural Development) mehr als 40 Einzelprogramme "... zur Verbesserung der wirtschaftlichen Stabilität ländlicher Gemeinden, Geschäfte, Einwohner, Farmer und Rancher sowie zur Verbesserung der Lebensqualität im ländlichen Amerika" unterhält. Das Portfolio von Rural Development wird mit mehr als 125 Milliarden Dollar an Darlehen und Bürgschaften angegeben.

Hier ist nicht die Rede davon, daß das USDA die Farmer landauf, landab dazu ermuntert, Algentanks aufzustellen, damit in ihnen vermeintlich nahrungskonkurrenzfrei Biosprit hergestellt werden kann. Vielmehr wird der landwirtschaftliche Anbau von Pflanzen gefördert. Der beschränkt sich keineswegs auf Mais, doch nimmt dieser eine herausragende Stellung ein. Die US-Regierung will den Biospritanteil bis 2017 um 500 Prozent gegenüber 2007 steigern. Ein solches Ziel kann auf keinen Fall erreicht werden, wenn dafür erst noch die Infrastruktur (beispielsweise Tanks für Algen) aufgebaut werden muß. Die Hauptmasse des Biosprits wird auf absehbare Zeit hinaus vom Mais stammen. Daneben werden selbstverständlich auch andere Pflanzen weiter erforscht und gefördert. Hier wäre unter anderem Camelina sativa (Leindotter) zu nennen, mit dem die US-Navy erste Versuche gestartet hat. Auch Sprit aus Algen hat sie auf der Rechnung.

Der US-Militärapparat verbraucht täglich rund 330.000 Barrel Erdöl. [3] Davon entfallen auf die Navy rund 100.000 Barrel. Sämtliche Streitkräftegattungen wollen nun die Abhängigkeit von den erdölexportierenden Ländern, die Kosten des Erdölimports und die Gefahr von Angriffen auf die Treibstofftransporte verringern. So hat sich die US Air Force das Ziel gesetzt, bis 2016 die Hälfte des heimischen Verbrauchs an Treibstoffen durch Biosprit zu bestreiten. [4] Und die US Navy hat im vergangenen Jahr 151.000 Liter Flugbenzin aus Leinsaat und 76.000 Liter dieselähnlichen Sprit aus Algen erworben. Die Kosten des Algensprits beliefen sich auf 113 Dollar pro Liter. Bei Leindotter auf 17,90 Dollar pro Liter. [5]

Die DARPA (Defense Advanced Research Projects Agency), die führende Forschungsschmiede des US-Militärs, fördert die Entwicklung von Biosprit aus Algen mit 35 Millionen Dollar (was darauf verweist, daß die Methode noch nicht ausgereift ist). Sollte Algensprit eines Tages kommerziell produziert werden, werden die zur Zeit exorbitanten Kosten noch beträchtlich sinken. Ob sie irgendwann konkurrenzfähig werden, wird sich zeigen. Harrison Dillon, Mitbegründer und technischer Direktor des Algenspritherstellers Solazyme, geht jedenfalls davon aus, daß zunächst Algen zu Nahrungszwecken kommerziell erzeugt werden und daß erst später die Spritherstellung folgt. [6]

Das ist in zweifacher Hinsicht eine bemerkenswerte Einschätzung. Zum einen wird deutlich, daß sogar die Unternehmensführung eines Algenherstellers die Erwartungen an Biosprit aus Algen zurückschraubt. Würde sie das, wenn die US Navy bereits mit der nächsten, diesmal größeren Bestellung vor der Tür stände? Zum anderen wird mit Dillons Aussage das Argument, Algen stünden nicht in Konkurrenz zur Nahrungsproduktion, hinfällig. Tatsächlich erhofft sich Solazyme für dieses Jahr den Durchbruch in der Lebensmittelherstellung aus Algen.

Der in Montana ansässige Leinölhersteller Great Plains arbeitet seit Juni vergangenen Jahres mit dem finnischen Biotechnologie-Unternehmen Agragen zusammen, das Camelina sativa gentechnisch verändert hat, um den Ölgehalt der Samen zu erhöhen. [7] Sie ist eine relativ genügsame Pflanze, gedeiht auf nährstoffarmen Böden, und es gibt Arten, die Trockenheit gut überstehen, wohingegen andere Nässe besser vertragen. Zudem eignet sie sich als Misch- und Wechselfrucht, beispielsweise in Kombination mit Weizen. Leinsamen sind allerdings seit langem ein Nahrungsmittel, sie sind reich an Vitaminen und Omega-3-Fettsäuren. Biosprit aus Leinsamen konkurriert mit Nahrung, auch wenn die US-Navy die Behauptung verbreitet, sie wolle einen solchen Biosprit nicht verwenden.

Inwieweit US-Landwirtschaftsminister Tom Vilseck, der sich nicht nur vehement für die Herstellung von Biosprit aus Mais einsetzt, sondern auch als starker Befürworter der umstrittenen mikrobiologischen Hybridisierung von Pflanzen in der Grünen Gentechnik bekannt ist, vor der feierlichen Unterzeichnung des Memorandum of Understanding am 21. Januar 2010 an der Seite von DoN-Leiter Ray Mabus bereits konkrete Überlegungen angestellt hat, welche Biospritpflanzen künftig durch sein Ministerium gefördert werden sollen, ist nicht bekannt. Aus der Vereinbarung läßt sich jedoch mit einiger Berechtigung ableiten, daß das USDA hauptsächlich Getreideanbau unterstützten wird.

Davon unbenommen testet die Navy verschiedene Arten von Biosprit, unter anderem aus Leindotter und Algen. Ob dieser Experimentalsprit bereits bei der für 2012 angekündigten Aufstellung eines "grünen Kampfverbands" (Green Strike Group), bei dem die beteiligten Schiffe entweder mit Atomenergie oder mit Biosprit betrieben werden sollen, Verwendung findet, ist ungewiß.

Bei einem Labortest der US Navy wurde ein F404 Hornet-Triebwerk mit einem Mix aus Leinöl und Flugbenzin vom Typ JP-5 betrieben. Weitere Tests wurden mit dem F414 Super Hornet-Triebwerk durchgeführt. Die Hornet wird Teil des "grünen Kampfverbands" sein. Obgleich diese Versuche als erfolgreich bezeichnet wurden, gibt sich Rick Kamin, Leiter des Teams, das die Tests am Naval Air Systems Command in Patuxent River durchgeführt hat, skeptisch: "Flugzeuge wurden seit ihrer Erfindung rund um die erdöl-basierten Treibstoffen entwickelt. Obwohl die gegenwärtig getesteten erneuerbaren Treibstoffe viele ähnliche Eigenschaften zu erdöl-basierten Treibstoffen aufweisen, sind sie nicht hundertprozentig gleich." [8]

Kamin rechnet damit, daß in nächster Zeit Biosprit dem Flugbenzin lediglich zugemischt wird, und Mabus hofft, daß der Preis für "Algen-Sprit" als Folge einer größeren Nachfrage irgendwann sinken wird. Sollte sich seine Hoffnung erfüllen und die US Navy tatsächlich irgendwann Biosprit aus Algen in nennenswerten Mengen verbraucht, könnte sich das negativ auf die Klimaentwicklung auswirken. Unlängst haben US-Forscher um Andres Clarens von der Universität von Virginia gewarnt, daß Biosprit aus Algen eine schlechtere CO2-Bilanz hat als andere Biospritarten und daß dadurch sogar mehr Kohlendioxid freigesetzt als gebunden wird. Unternehmensvertreter, die von der Produktion von Algen leben, bezeichnen die Angaben der Forscher und ihre Verbesserungsvorschläge als "überholt". [9]

Was bleibt als Resümee? Die Biosprit-Initiative der US-Regierung fördert nachweislich die Verbrennung von Getreide und hier wiederum von Mais, der auch dann in Konkurrenz zur Nahrungsproduktion steht, wenn er als Viehfutter dient. An anderen Biospritarten wird geforscht, aber sie werden bestenfalls in einigen Jahren ihren Anteil am Markt erweitern können. Das Militär, das den Vorgaben der politisch Verantwortlichen folgt, forciert den Wechsel von Erdöl auf Biosprit, hat sich aber noch auf keine Biosprit-Arten festgelegt. Da dem Militär aus logistischen Gründen daran gelegen ist, eine einfache Biosprit-Infrastruktur aufzubauen, wäre damit zu rechnen, daß es sich eines Tages auf eine oder wenige aussichtsreiche Arten festlegt und beginnt, entsprechende technologische Umrüstungen vorzunehmen.

Angesichts von mehr als eine Milliarde Hungernden in der Welt, ist der angestrebte großmaßstäbliche Schwenk des US-Militärs auf Biosprit höchst bedenklich. Es zeichnet sich ab, daß weiterhin große Summen in die Förderung einer Treibstoffalternative zu Erdöl gesteckt werden, um eine Weltordnung notfalls auch mit militärischen Mitteln zu verteidigen, in der Hunger und Armut für die politischen Entscheidungsträger eine akzeptable Größe sind. Mais, Leinsamen und selbst Algen sind biologische Grundstoffe, mit denen Menschen satt gemacht werden können. Den unmittelbaren Zusammenhang zwischen der westlichen Lebensweise, die gegebenenfalls durch den Einsatz militärischer Mittel bewahrt und durchgesetzt wird, auf der einen Seite und der verbreiteten Not in der Welt auf der anderen zu mißachten, zeugt von einer Befürwortung dieser vernichtenden Ordnung.


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Anmerkungen:

[1] "One quarter of US grain crops fed to cars - not people, new figures show", The Guardian, 22. Januar 2010
http://www.guardian.co.uk/environment/2010/jan/22/quarter-us-grain-biofuels- food

[2 ] "USDA, Navy Sign Agreement to Encourage the Development and Use of Renewable Energy", Release No. 0029.10, Washington, 21. Januar 2010
http://www.usda.gov/wps/portal/!ut/p/_s.7_0_A/7_0_1OB?contentidonly=true&contentid=2010/01/0029.xml

Der Schattenblick berichtete kürzlich über das Memorandum of Understanding. Näheres unter:
RESSOURCEN/113: US-Navy will Erdöl durch Biosprit ersetzen (SB)

[3] "Navy Secretary Announces Ambitious Energy Goals", Office of Naval Research, 16. Oktober 2009
http://www.onr.navy.mil/en/~/link.aspx?_id=8EF00F1E846E48669D1AA9E1FEFF30C8&_z=z

[4] "Affording a Green Navy", Defense News, 26. Oktober 2009
http://www.defensenews.com/story.php?i=4342888

[5] "Navy Green: Military Investigates Biofuels to Power Its Ships and Planes. The U.S. Navy will begin testing biofuels from camelina and algae", Scientific American, 14. September 2009
http://www.scientificamerican.com/article.cfm?id=navy-investigates- biofuels-to-power-ships-airplanes

[6] "Algae fuel maker Solazyme pushes into food products San Francisco Business Times", 25. Dezember 2009
http://sanfrancisco.bizjournals.com/sanfrancisco/stories/2009/12/28/ story4.html

[7] "Great Plains, Agragen announce camelina GMO partnership; camelina acreage doubles", biofuel digest, Jim Lane, 11. Juni 2009
http://www.biofuelsdigest.com/blog2/2009/06/11/great-plains-agragen- announce-camelina-gmo-partnership-camelina-acreage-doubles/

[8] "In the Race to Be Green, Navy Moves to the Front of the Pack", Sandra I. Erwin, National Defense Magazine, Dezember 2009
http://www.nationaldefensemagazine.org/archive/2009/December/Pages/IntheRacetoBeGreen,NavyMovestotheFrontofthePack.aspx

[9] "Researchers warn algae biofuels could prove worse than existing alternatives. Biofuels industry slams "outdated" research", Tom Young, BusinessGreen, 27. Januar 2010
http://www.businessgreen.com/business-green/news/2256812/algae-biofuels- development

1. Februar 2010