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RESSOURCEN/147: Chiles Umweltbehörde legt Bergbaukonzern Zügel an (SB)


Betrieb der Pascua-Lama-Goldmine vorläufig gestoppt

Betreiberkonzern Barrick Gold hat Umweltzusagen nicht eingehalten



In der Pascua-Lama-Goldmine in den Anden stehen fast alle Räder still. Am 24. Mai hat die chilenische Umweltbehörde SMA (Superintendencia del Medio Ambiente) das im Aufbau befindliche Projekt des kanadischen Konzerns Barrick Gold wegen "sehr ernsthafter Verletzungen" der Umweltauflagen gestoppt und ihm darüber hinaus eine Geldstrafe von acht Milliarden Pesos (16,3 Millionen US-Dollar) auferlegt. [1] Das ist die höchste Summe, die diese Behörde für Umweltvergehen einfordern darf. Der Betrag würde um 25 Prozent geringer ausfallen, wenn das Unternehmen die anstehende Summe innerhalb von fünf Tagen bezahlt.

Aufgrund der behördlichen Entscheidung darf der weltweit größte Goldminenbetreiber die Arbeit an dieser riesigen, 150 Kilometer südöstlich der Stadt Vallenar im chilenisch-argentinischen Grenzgebiet gelegenen Mine erst wieder aufnehmen, wenn er wie versprochen ein von der SMA als "dringende Maßnahme" bezeichnetes Auffangsystem für das mit giftigen Chemikalien verseuchte Abwasser errichtet hat.

Barrick-Sprecher Andy Lloyd nahm am 24. Mai in einem Interview zu den von der chilenischen Umweltbehörde beschlossenen Entscheidungen Stellung. Ihm zufolge gab es "angeblich ein paar Verpflichtungen", die "nicht vollständig" erfüllt worden seien. Zudem seien "Aspekte des Wassermanagementsystems nicht rechtzeitig vollständig abgeschlossen worden". Hierfür, aber nicht für Verschmutzungen der Umwelt sei Barrick bestraft worden, betonte Lloyd. [2]

In einer schriftlichen Stellungnahme des Unternehmens wird zugestanden, daß bestimmte Projektbestandteile von den ursprünglichen Konstruktionsplänen abweichen. Das Unternehmen werde nun die SMA-Entscheidung genauer überprüfen, hieß es. Barrick sei uneingeschränkt verpflichtet, sämtliche darin enthaltenen Aspekte zu erfüllen und nach den höchsten Umweltstandards vorzugehen. [3]

Die 70.000 indigenen Bewohner des unterhalb der Mine liegenden Huasco-Tals, die schon im April einen vorübergehenden Baustopp (der nicht für den kleineren Teil der Mine galt, der auf argentinischem Gebiet liegt) erwirkt hatten, können vorläufig aufatmen. Doch endgültig vor Umweltverschmutzungen geschützt sind sie damit nicht. Im Einzugsgebiet des Estrecho-Flusses, der wiederum in 4.400 Meter Höhe in den Chollay mündet, werden abgesehen von der eigentlichen Fördergrube unter anderem Flächen für den Abraum eingerichtet. Davon dürften selbst dann noch Umweltverschmutzungen ausgehen, wenn Barrick alle Auflagen erfüllt hat.

Auf der chilenischen Seite des Tagebaus sollen jährlich 15 Millionen Tonnen Gestein zerkleinert werden. Das Material würde dann mittels eines Fließbands durch einen 2,7 Kilometer langen Tunnel auf die argentinische Seite gebracht, wo es zerkleinert, gemahlen und chemisch behandelt wird. Dabei gelangen womöglich größere Mengen an hochgiftigen Substanzen wie zum Beispiel Natriumcyanid, Schwefelsäure und Quecksilber in die Umwelt.

Es ist schwer vorstellbar, daß es seitens des Unternehmens ein Versehen war, bis jetzt kein adäquates Abwassersystem installiert zu haben. Erfordert doch der Aufbau einer technologisch so anspruchsvollen Mine ein umfangreiches Management, das die Pläne permanent mit dem tatsächlichen Projektverlauf abgleicht. Falls die Vorwürfe der chilenischen Umweltbehörde zutreffen, dann hat man in der Führungsetage womöglich schon vorher von dem Versäumnis gewußt. Damit dürfte der seit Jahren bestehende Verdacht der indigenen Bevölkerung, daß sie durch die Aktivitäten des Unternehmens vor allem Nachteile erfahren, neue Nahrung.

Zum Problem der Umweltverschmutzung gesellt sich noch das des hohen Wasserverbrauchs hinzu. Der wird für das Pascua-Lama-Projekt auf 370 Liter pro Sekunde bzw. 1,3 Millionen Liter pro Stunde veranschlagt. Das Wasser soll dem Taguas-Fluß in Argentinien entnommen werden. Außerdem war im Gespräch, zusätzlich Wasser aus den beiden chilenischen Flüssen Estrecho und Toro (zusammen 42 Liter/Sekunde bzw. 0,15 Millionen Liter/Stunde) abzupumpen. [4]

Diese Zahlen lassen nicht nur auf ein enormes Abwasservolumen schließen - dementsprechend groß müssen die Auffangbecken ausgelegt sein -, sondern auch auf die Mengen, die durch den Bergbau verlorengehen. Und das ausgerechnet in dieser ariden Region am südlichen Ausläufer der Atacama-Wüste, bei der es sich um den trockensten Ort der Welt handelt; stellenweise ist er 100 mal trockener als das berüchtigte Tal des Todes in den USA. In der Atacama-Wüste gibt es meteorologische Stationen, an denen noch nie ein einziger Tropfen Wasser registriert wurde. Da wundert es nicht, daß die Einwohner traditionell einen sehr umsichtigen, sparsamen Umgang mit Wasser pflegen. Der Bergbau mit seinem hohen Verbrauch dieses Lebenselixiers dringt somit wie aus einer anderen Welt in den Lebensbereich der Kleinbauern ein.

Nicht nur aus ökologischen, auch aus ökonomischen Gründen steht das Pascua-Lama-Projekt auf der Kippe. Barrick Gold hat eigenen Angaben zufolge bereits fünf Milliarden Dollar in die Mine investiert und rechnet mit mindestens weiteren drei bis vier Milliarden Dollar. Eine so hohe Investitionssumme würde sich nur dann bezahlt machen, wenn die Rohstoffpreise für Gold und Silber, die beiden wichtigsten Erze, die aus der Mine gewonnen werden sollen, hoch sind. Das trifft zur Zeit nicht zu. Der Preis für Gold liegt aktuell bei 1394,80 US-Dollar/Unze und für Silber bei 22,71 US-Dollar/Unze. Das Volumen der Lagerstätte wird von Barrick mit 17,9 Millionen Unzen Gold und 676 Millionen Unzen Silber angegeben. [5] Das macht zusammen einen Wert von etwas über 40 Milliarden US-Dollar, verteilt auf eine voraussichtliche Betriebsdauer von zwanzig Jahren. Diese Spanne zwischen Investitionen und zu erwartenden Einnahmen gilt in der Branche als unattraktiv.

Nach wiederholten Verzögerungen sollte die Produktion in der zweiten Jahreshälfte 2014 starten. Das Unternehmen, das mit dem Finanzpartner Silver Wheaton Corp. zusammenarbeitet, hält es sich offen, ob es den Betrieb nicht vollkommen einstellt, da die Erschließungskosten zu entufern drohen. Womöglich wartet man darauf, daß der Goldpreis wieder steigt. Da er zur Zeit schwankt, könnte sich das Blatt natürlich auch wieder zum Vorteil des Konzerns wenden.

Die Gründe für die Kostenexplosion der Barrick-Goldmine sind vielfältig. Die Lagerstätte befindet sich in mehr als 5.000 Meter Höhe. Es handelt sich um die höchstgelegene Mine der Welt in einer der entlegensten Regionen der Welt, was große technische Schwierigkeiten mit sich bringt. Ursprünglich hatte das Unternehmen geplant, drei Andengletscher wegzuräumen und das Eis bei einem anderen Gletscher wieder aufzuschichten, um die unterhalb des Gletschers liegenden Erze abzubauen. Das Vorhaben war bereits in Angriff genommen worden, als es nach heftigen Protesten der Bevölkerung aufgegeben werden mußte. Barrick Gold teilte mit, Bergbau nur noch außerhalb des Gletschergebiets betreiben und somit auf rund fünf Prozent der Gold- und Silbervorkommen verzichten zu wollen. [6]

Der aktuell von Chile verhängte Produktionsstopp dürfte schwerer wiegen als die Geldstrafe in Höhe von knapp 16 Mio. Dollar. Die kann Barrick Gold sicherlich verkraften, wenn man sie mit den Gesamtkosten für das Projekt vergleicht. Die Aufwendungen, um allen Umweltanforderungen der chilenischen Aufsichtsbehörden gerecht zu werden, werden auf 100 Millionen Dollar geschätzt, berichtete Bloomberg [7] unter Berufung auf die in Santiago erscheinende Tageszeitung Diario Financiero vom 8. Mai. Vielleicht hat sich Barrick Gold mit diesem Projekt in den Anden verhoben. Dennoch würde Chile ein attraktiver Standort für die Bergbauunternehmen, die in der Regel über Jahre hinaus keine Steuern entrichten müssen, bleiben.

Im vierten Quartal 2012 mußte Barrick Gold seine vorbereitenden Tätigkeiten in der Mine aufgrund der starken Winde vorübergehend unterbrechen. Seitdem wurden die Staubvermeidungs- und Kontrollmaßnahmen verstärkt, teilte Barrick mit. [5] Auch wenn die von einem breiten Bündnis an Umweltschützern kritisierten Pläne, ganze Gletscher abzutragen und an anderer Stelle wieder aufzubauen, vom Tisch sind, bedeutet das nicht, daß damit die Gefahr eines Gletscherverlusts gebannt wäre. Denn beim Aufbrechen und Abtragen des Gesteins sowie seiner weiteren Bearbeitung und dem Transport entstehen Stäube, die vom Wind davongeweht werden und sich auf den weißen Eisflächen der Gletscher niederlegen können. Die besitzen hohe Rückstrahleigenschaften, wohingegen staubbedeckte, dunklere Eisflächen die Sonneneinstrahlung stärker absorbieren und dadurch deutlich schneller schmelzen.

Selbst wenn Barrick Gold die weiteren Erschließungsarbeiten an seiner Pascua-Lama-Goldmine aussetzt, bleibt die chilenisch-argentinische Grenzregion weiterhin vom Bergbau betroffen. Nur zehn Kilometer von diesem Standort entfernt, auf dem Territorium Argentiniens, betreibt Barrick Gold die Veladero-Mine.

Giftige Abwässer, Verlust wertvoller Wasserressourcen, Zunahme an Schwerlastverkehr und beschleunigte Gletscherschmelze sind Kennzeichen eines ökologisch katastrophalen Projekts. Und was bleibt der gesamten Region, wenn die Betreiber der Mine, durch die in der Konstruktionsphase angeblich 5.500 Arbeitsplätze geschaffen werden und eine auf den Bergbau orientierte Zulieferwirtschaft entstehen läßt, nach voraussichtlich zwanzig Jahren ihre Zelte abbrechen? Dann wird die Region nicht nur ökologisch, sondern wahrscheinlich auch ökonomisch von der Wüste beherrscht.


Fußnoten:

[1] http://www.sma.gob.cl/index.php/noticias/comunicados/241-sma-sanciona-a-pascua-lama-por-incumplimientos-a-su-rca

[2] http://www.theglobeandmail.com/report-on-business/industry-news/energy-and-resources/chile-freezes-barricks-pascua-lama-orders-urgent-measures/article12129034/

[3] http://www.barrick.com/investors/news/news-details/2013/Barrick-to-Assess-Implications-of-SMA-Resolution/default.aspx

[4] http://www.miningwatch.ca/pascua-lama-background

[5] http://www.barrick.com/operations/projects/pascua-lama/default.aspx

[6] http://www.lateinamerikanachrichten.de/index.php?/artikel/1002.html

[7] http://www.bloomberg.com/news/2013-05-24/barrick-s-pascua-lama-fined-16-4-million-by-chile-government.html?cmpid=yhoo

27. Mai 2013