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RESSOURCEN/159: WellWiki - neue US-Website zum Fracking (SB)


WellWiki, FracTracker, SkyTruth, FracFocus

Informative US-Websites zum Fracking sind zugleich Ausdruck zivilgesellschaftlichen Engagements und des Versuchs, längst eingetretene oder nicht mehr zu vermeidende Schadensfolgen zu minimieren



Umweltministerin Barbara Hendricks und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel äußern sich dem Anschein nach kritisch gegenüber dem Fracking und fordern strenge Regeln, die das Aufbrechen (Fracking) unkonventioneller Lagerstätten zwecks Förderung von Erdöl oder Erdgas einschränken sollen. Einem Eckpunktepapier der beiden Ministerien zufolge soll bis 2022 ein Fracking-Moratorium für Schiefer- und Kohleflözgasvorkommen aus unkonventionellen Lagerstätten bis 3.000 Meter verhängt werden. Davon ausgenommen sind Forschungs- und Entwicklungsvorhaben.

Doch in Deutschland wird längst gefrackt bzw. "hydraulisch stimuliert", wie es das Unternehmen Central Petroleum Europe (CEP) zu formulieren vorzieht. Es führt zur Zeit Probebohrungen in unmittelbarer Nachbarschaft des Barther Boddens an der vorpommernschen Ostseeküste in der Nähe von Rostock durch. 2680 Meter vertikal und rund 1000 Meter horizontal hat sich der Bohrkopf in den Untergrund gesenkt, um den Weg für Erdöl aus der geologischen Schicht des Staßfurtkarbonats zu fördern. Es wird vermutet, daß der Gewichtsdruck auf der Lagerstätte groß genug ist, daß das Erdöl quasi von allein nach oben fließt, also in Zukunft kein Fracking erforderlich sein wird.

Eine örtliche Bürgerinitiative will verhindern, daß in dieser ökologisch hochsensiblen Region im größeren Umfang nach Erdöl gebohrt wird. Zwar wurde dieser fossile Energieträger hier schon zu DDR-Zeiten gefördert, aber bei weitem nicht in dem Ausmaß, wie es jetzt geplant ist.

Vielleicht trifft es zu, daß die deutsche Umweltgesetzgebung strenger ist als in den USA, und ganz sicher wird hierzulande niemals die Fördermenge erreicht, wie sie beispielsweise in US-Bundesstaaten Colorado, Oklahoma oder Pennsylvania erreicht werden. Aber eben weil in Deutschland alles etwas kleiner ausfällt und bisher nur im begrenzten Umfang gefrackt wurde, kann ein Blick über den großen Teich einen Eindruck vermitteln, mit was man es zu tun bekommen wird, wenn in Zukunft auch hierzulande die letzten Reste an Erdöl und Erdgas aus dem Untergrund herausgequetscht werden.

In den USA haben Erdöl- und Erdgasunternehmen radioaktive Substanzen (NORM-Partikel) in der Umwelt verteilt, Gewässer mit chemikalienbelasteten Abwässern kontaminiert, Brunnenwasser verseucht, giftige Ablüfte erzeugt und Erdbeben ausgelöst. Weniges davon wurde inzwischen wieder eingestellt - aber wenn, dann vor allem wegen des öffentlichen Drucks.

Und der nimmt zu. Allerorten, wo die Frackingindustrie ihre Rüssel in den Untergrund versenken will, wird dagegen protestiert, werden legale und illegale, jedoch angesichts der Umwelt- und Gesundheitsrisiken legitime Maßnahmen ergriffen, um den Fracking-Rausch einzudämmen. Dabei können alle Interessierten auf eine Reihe von höchst informativen Websites zurückgreifen.

Ein neues Projekt ist WellWiki (http://wellwiki.org/wiki/Main_Page), das seit März dieses Jahres Informationen zu einzelnen Bohrlöchern bereitstellt und bereits mehr als 250.000 Einträge hat - allein für Pennsylvania! Dort wurde die älteste Bohrung im Jahr 1859 abgeteuft. Der Initiator von WellWiki, Joel Gehman, Assistenzprofessor an der Business School der kanadischen Universität von Alberta, hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, Informationen über sämtliche jemals in den USA abgeteufte Bohrungen aus der Erdöl- und Erdgasförderung bereitzustellen, was seiner Einschätzung nach auf rund vier Millionen Bohrlöcher hinauslaufen wird. Zu jedem Bohrloch sollen Informationen über den Betreiber, über die Fördermenge, Umweltverschmutzungen, etc. eingetragen werden.

Das Wiki-Modell sieht üblicherweise vor, daß die Eintragungen von jedermann vorgenommen werden können, was sicherlich nicht unproblematisch ist. Das zeigt die Enzyklopädie Wikipedia, die zu einem Tummelplatz für PR-Agenturen und einem Schlachtfeld von Meinungsmachern geworden ist. Unlängst hat die englischsprachige Wikipedia die IP-Adresse des US-Repräsentantenhauses gesperrt, weil von dort auffällige Veränderungen an einzelnen Beiträgen vorgenommen wurden.

Dessen ungeachtet ist Gehmans WellWiki eine gelungene Ergänzung zu den bereits bestehenden Websites, die einen Schwerpunkt auf Fracking gelegt haben. SkyTruth (SkyTruth.org) liefert seit ungefähr 12 Jahren Satelliten- und Luftbildaufnahmen sowie digitale Karten nicht nur zum Fracking, sondern auch zu anderen umweltrelevanten Themen wie beispielsweise die Havarie der Ölplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko oder das Einebnen der Appalachen durch die Kohleindustrie (Mountaintop Removal Mining).

FracTracker (http://www.fractracker.org/) wiederum ist eine Website, die sich auf die Bereitstellung von Kartenmaterial zum Fracking spezialisiert hat, aber auch darüber umfangreiches Informationsmaterial, inklusive Fotos und Videos bereitstellt.

Die umfangreichste Datensammlung zu Chemikalien, die beim Fracking verwendet werden, liefert die Website FracFocus (fracfocus.org). Sie hat eigenen Angaben zufolge eine Datensammlung zu über 77.000 Bohrlöchern und wurde von den Organisationen Ground Water Protection Council und Interstate Oil and Gas Compact Commission gegründet. Hauptanliegen ist der Schutz des Grundwassers.

Die Breite der verfügbaren Informationen über Fracking könnte zwar als Ausdruck einer aufmerksamen und engagierten Zivilgesellschaft gedeutet werden, aber sie ist sicherlich zugleich ein Hinweis auf den Versuch, das Ausmaß der Umweltfolgen klein zu halten. Die Frackingindustrie und ihre Lobbyisten unter den politischen Entscheidungsträgern sind den NGOs in den meisten Fällen um eine Nasenlänge voraus. Und genau das ist etwas, von dem Parallelen zwischen den USA und Deutschland gezogen werden können. Hierzulande wird bereits Erdöl und Erdgas gefördert - unter anderem mit Hilfe des Frackings - und es wird aller Voraussicht nach in den nächsten Jahren zunehmen, weil Deutschland und die Europäische Union weniger Erdgas aus Rußland beziehen wollen. Je schärfer der Westen auf einen Konfrontationskurs gegen das Land einschwenkt, desto weniger werden Bedenken von Umweltschützern Gehör finden.

3. August 2014