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RESSOURCEN/161: Pflanzen in Gemeinschaft stark (SB)


Anbau von Wiesenpflanzen in Mischkultur ertragreicher als in Monokultur



Die industrielle Form der landwirtschaftlichen Produktion hat sich möglicherweise in eine Sackgasse manövriert und wird in Zukunft weniger denn je den Nahrungsbedarf der wachsenden Weltbevölkerung decken. Schwer vorstellbar, daß es mit Hilfe der bisherigen Anbaumethoden gelingt, bis Mitte des Jahrhunderts die globale Nahrungsproduktion um 70 Prozent zu steigern. Dieser Mehrbedarf beruht auf Berechnungen der Food and Agriculture Organization (FAO) der Vereinten Nationen, und niemand weiß, wie die Aufgabe erfüllt werden kann.

Wer einmal vor einem Weizenfeld gestanden hat, das sich bis zum Horizont erstreckt und auf dem sich die erntereifen Ähren schnittbereit auf gleicher Höhe befinden, könnte den Eindruck gewinnen, daß diese Form des landwirtschaftlichen Anbaus an Effizienz nicht zu überbieten ist. Und tatsächlich hat die Erntemenge bei Weizen, um vieles mehr aber noch bei Mais, in den letzten hundert Jahren als Folge der Pflanzenzucht - auch hinsichtlich der Anforderungen der mechanisierten Landwirtschaft - und der vermehrten Anwendung chemieindustrieller "Zutaten" der Agrarproduktion deutlich zugenommen.

Was man beim Anblick eines solchen Meeres an Getreidehalmen jedoch nicht sieht: Damit es zu dieser idealtypischen Form des Weizenfelds kommt, müssen sowohl im Vorfeld als auch in der Nachbereitung Aufwände geleistet werden, die erst in einer Gesamtbilanz auftauchen. Riesige Agrarflächen, die in Reinkultur oder als Monokultur, das heißt über mehrere Anbauperioden hinweg die gleiche Sorte, bewirtschaftet werden, sind nicht a priori vorteilhaft. Manchmal läuft ihnen der Mischkulturanbau den Rang ab. Denn bei einer umfänglicheren Effizienzanalyse müssen auch Faktoren wie Bodendegradation, Wasserverbrauch, Dünger- und Pestizideinsatz, Anfälligkeit für die Ausbreitung von Schadinsekten und Pflanzenkrankheiten einberechnet werden.

Nun berichtet eine Forschergruppe um den Ökologieprofessor Bernhard Schmid von der Universität Zürich im Wissenschaftsmagazin "Nature" [1], daß ihrer Studie zufolge Wiesenpflanzen ertragreicher sind, wenn sie nicht als Monokultur, sondern als Pflanzengemeinschaft angebaut werden. Die Forscher aus der Schweiz, Deutschland und den Niederlanden haben unter Leitung von Schmid und seiner Doktorandin Debra Zuppinger-Dingley über einen Zeitraum von zehn Jahren eine Vergleichsstudie mit Monokultur- und Mischkulturgrasland durchgeführt. Daß Letzteres ertragreicher ist, erklärt sich der an der Forschung beteiligte Dr. Dan Flynn damit, daß die Wiesenpflanzen im Mischkulturanbau jede ökologische Nische ausnutzen und deswegen Nährstoffe, Licht und Wasser effizienter nutzen als die Pflanzen im Vergleichsfeld. [2]

Ein weiterer Vorteil der Mischkultur besteht darin, daß sich die Pflanzenschädlinge nicht so schnell ausbreiten. Laut Prof. Schmid bieten die verschiedenen Pflanzenarten einander Schutz, was darauf hinausläuft, daß die einzelne Pflanze mehr Energie in ihr Wachstum und die Produktion von Nachkommen als in die Schädlingsabwehr "investieren" kann und dadurch kräftiger wird. Und nicht nur das. Innerhalb weniger Generationen haben sich die Pflanzen ihren Gemeinschaften angepaßt, es kam zu einer sogenannten kurzfristigen Evolution, was die Erträge nochmals gesteigert hatte. Gräser bildeten dickere Blätter und nutzten damit das Licht in den oberen Stockwerken besser aus. Wohingegen der Klee in Bodennähe größere und dünnere Blätter entwickelte, was vorteilhafter bei der Aufnahme des dort spärlicher vorhandenen Lichts war. Selbst die Wissenschaftler hatten diese Möglichkeit der Kooperation nicht erwartet.

Die Stärke der einzelnen Art brachte im Zusammenspiel mit den anderen Pflanzen der Gemeinschaft insgesamt Vorteile. Die hier beschriebenen Phänomene an sich sind nicht neu. Es existieren schon unterschiedliche Forschungsansätze, um sich die Vorteile eines Mischkulturanbaus zu erschließen, auch unter Berücksichtigung einer koevolutionären Entwicklung, wie sie zum Beispiel bei den beiden Kulturarten Mais und Bohne in Südamerika stattfand. "Über viele Jahrhunderte, wenn nicht über einige tausend Jahre, haben die Bauern Mais und Bohnen nicht im Reinanbau selektiert, sondern immer in Gesellschaft. So haben sich automatisch in beiden Kulturarten die Typen durchgesetzt, die sich nicht wie Konkurrenten verhielten, sondern wie Partner", berichtete vor einiger Zeit der Saatgutzüchter Dr. Walter Schmidt im Interview mit dem Schattenblick. [3] Sogar ein weltweit aufgestelltes Saatgutunternehmen wie die KWS Saat AG in Einbeck, für die Dr. Schmidt forscht, läßt untersuchen, ob nicht eine Mischkultur aus Mais und Bohne oder gar Mais, Bohne und Kürbis Vorteile gegenüber dem Anbau in Reinkultur hat.

Die Schweizer Biologin Florianne Koechlin, die Forschungsberichte aus aller Welt zum Verhalten von Pflanzen zusammenträgt, ist über ihre Arbeit zu der Feststellung gelangt, daß Pflanzen miteinander kommunizieren, sich vernetzen und sozial agieren. Sie widerspricht der deterministischen Vorstellung, daß Pflanzen ausschließlich in ein Reiz-Reaktionsschema gepreßt werden können, und attestiert ihnen sogar absichtsvolles Verhalten. [4]

Den hier genannten Versuchen und Zuchtmethoden stehen andere Forschungsergebnisse entgegen, denen zufolge der Anbau in Rein- oder gar Monokultur wirtschaftlicher ist. Es ist kein Zufall, daß die industrielle Landwirtschaft eine Weiterentwicklung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft darstellt. Das hat sicherlich viele Gründe, aber auch den, daß sie den Ansprüchen an eine Steigerung der Nahrungsproduktion nicht genügt hat. Würde man jedenfalls vom gegenwärtigen Stand wieder zurückgehen, bis daß kleinbäuerliche Betriebe die Welternährung nicht nur zu gut 50 Prozent, wie es gegenwärtig der Fall ist, sondern vollständig sicherstellen müßten, würde das womöglich die weltweiten Ökosysteme massiv beeinträchtigen. Auch wenn hiervon nicht die gleichen Formen des Dünger- und Pestizideinsatzes zu erwarten sind, so könnte es zu noch unabsehbaren Folgen kommen.

Damit soll nicht behauptet werden, daß das industrielle Agrarproduktionssystem alternativlos ist. Vielmehr soll die berechtigte Kritik daran zu der Frage überführen, ob und inwiefern Studienergebnisse, wie sie jetzt von der Forschergruppe um Prof. Bernhard Schmid von der Universität Zürich präsentiert wurden, im globalen Maßstab sowohl auf andere Nutzpflanzen als auch auf Agrarflächen mit anderen Umweltbedingungen übertragbar sind. Und natürlich, ob die Ergebnisse über einen noch längeren Zeitraum hinweg Bestand haben, denn nicht nur Pflanzen entwickeln sich weiter, sondern auch die sogenannten Schädlinge aus der Welt der Viren, Pilze und Insekten.

Es ist durchaus legitim, daß der Schweizer Forscher der bislang "unerschlossenen Ausnutzung der Biodiversität" ein Potential zuspricht, mit dem die Nahrungsversorgung der Menschheit in Zukunft, wenn die Zahl der Weltbevölkerung weiter steigt, verbessert werden kann. Denn in Zukunft wird es mehr denn je nötig sein, festgefahrene Vorstellungen nicht nur theoretisch aufzubrechen, sondern daraus auch Konsequenzen zu ziehen.

Prof. Schmidt erklärte, daß Biodiversität heute hauptsächlich unter einem rein bewahrenden Aspekt, dem Erhalt der Artenvielfalt und genetischen Vielfalt, betrachtet wird. Aber die Forschungsresultate zeigten, "dass Diversität es ermöglicht, die Funktionalität der Ökosysteme über die Zeit und in verschiedenen Umgebungen auf einem hohen Niveau zu stabilisieren." [5] Ob Schmids Ansatz den erhofften Paradigmenwechsel bringt und ob dieser hält, was sich Ökologen davon versprechen? Das wird man wohl nur herausfinden, wenn man entsprechende Experimente durchführt und den Mischkulturanbau aus dem Nischendasein, in dem jetzt noch bis auf wenige Ausnahmen steckt, herausholt.


Fußnoten:

[1] Debra Zuppinger-Dingley, Bernhard Schmid, Jana S. Petermann, Varuna Yadav, Gerlinde B. De Deyn, Dan F. B. Flynn. Selection for niche differentiation in plant communities increases biodiversity effects.
Nature. doi: 10.1038/nature13869

[2] http://www.seeddaily.com/reports/Plant_communities_produce_greater_yield_than_monocultures_999.html

[3] http://schattenblick.com/infopool/umwelt/report/umri0103.html

[4] http://schattenblick.com/infopool/umwelt/report/umri0078.html

[5] http://www.mediadesk.uzh.ch/articles/2014/pflanzengemeinschaften-bringen-mehr-ertrag-als-monokulturen.html

20. Oktober 2014