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RESSOURCEN/169: Zugwaggons mit Erdöl in den USA entgleist und ausgebrannt (SB)


Schlag auf Schlag - Zugentgleisungen mit der Folge von Feuersbrünsten in Nordamerika


Schon zum dritten Mal innerhalb von drei Wochen zeigen die Nachrichtenkanäle der USA Aufnahmen von Feuersbrünsten, aus denen sich dicke schwarze Qualmwolken lösen und bis in den Himmel auftürmen. Im Nordwesten des Bundesstaats Illinois, unweit der Kleinstadt Galena im Jo Daviess County und ausgerechnet nur wenige Schritte von der Mündung des Flusses Galena in den Mississippi entfernt, war am Donnerstag um 13.20 Uhr ein Zug mit Rohöl entgleist. Mindestens acht der 105 Waggons, von denen 103 mit Rohöl und zwei mit Sand geladen waren, waren in Brand geraten. Die Feuersbrunst hat einer ansonsten frostigen Umgebung Temperaturen am Gefrierpunkt beschert, berichtete der Environment News Service (ENS). [1]

Verletzt oder getötet wurde bei dem Unfall anscheinend niemand; vorsorglich wurden die Menschen im Umkreis von rund eineinhalb Kilometern um den Unfallort herum evakuiert. Aufgrund der Hitzeentfaltung und des Risikos weiterer Explosionen konnte sich die Feuerwehr den Waggons nicht nähern, so daß ihr nichts anderes blieb, als zuzuschauen, wie sie ausbrannten.

Die verantwortliche Eisenbahngesellschaft BNSF (Burlington Northern Santa Fe) teilte mit, daß sie Vorsorgemaßnahmen ergreifen wolle, um eine Ölverseuchung der örtlichen Fließgewässer zu verhindern, und daß sie Messungen der Luftqualität vornehmen werde. Bis jetzt ist die Ursache für die Entgleisung nicht bekannt. Zuletzt waren am 16. Februar mit Erdöl beladene Züge in der kanadischen Provinz Ontario sowie im US-Bundesstaat West-Virginia entgleist und in Brand geraten.

Erst vor wenigen Wochen hat das Center for Biological Diversity einen umfangreichen Report über die Umweltgefahren als Folge von Zugentgleisungen veröffentlicht. Unter dem Titel "RUNAWAY RISKS - Oil Trains and the Government's Failure to Protect People, Wildlife and the Environment" berichtet Jared Margolis zunächst von der extremen Steigerung der Transporte von Erdöl per Zug in den USA von weniger als 10.000 Waggons im Jahr 2008 auf 400.000 im Jahr 2014. Dadurch häuften sich die Zugunfälle, einige mit Todesfolge, und das Entweichen von Hunderttausenden Litern Rohöl in die Umwelt. [2]

In dem Report wird das US-Transportministerium (DOT) dafür kritisiert, daß es noch immer Tankwaggons vom Typ DOT-111 fahren läßt, obwohl diese besonders unfallträchtig und bruchgefährdet sind. Es gibt sogar eine eigene Website namens DOT-111, die sich kritisch mit dem Thema und mit Unfällen unter Beteiligung dieses Waggontyps befaßt. [3]

An dem jüngsten Zugunfall in Illinois war laut BNSF kein DOT-111-Waggon beteiligt, sondern das neuere Modell 1232, das vor vier Jahren mit Sicherheitsmaßnahmen ausgestattet worden sein soll, die die Industrie freiwillig ergriffen habe. Viel gebracht hat das offenbar nicht, waren doch im vergangenen Jahr bei drei verschiedenen Unfällen Tankwaggons vom Typ 1232 aufgesprungen. [4]

Es fällt auf, daß das Transportministerium der Empfehlung der Naturschutzorganisation Center for Biological Diversity, keine Öltransportzüge mit mehr als 30 Waggons zuzulassen, bislang nicht nachgekommen ist. Und das, obwohl das Ministerium selbst einräumt, so Margolis, daß die exzessive Länge und das Gewicht dieser Züge in den letzten Jahren vermehrt zu Entgleisungen beigetragen haben.

Der teilweise entgleiste Zug aus Illinois hatte Rohöl aus der Bakken-Formation geladen. Das ist eines der großen Ölfördergebiete Nordamerikas, in denen verstärkt die umstrittene Methode des Frackings eingesetzt wird. Bei diesem Förderverfahren wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien unter sehr hohem Druck in das Bohrloch gepreßt, damit das Gestein im Untergrund aufgebrochen wird und das Erdgas oder Erdöl zusammenlaufen und gefördert werden kann. Beim Fracking werden der Untergrund großflächig mechanisch zermürbt, Grund- und Oberflächenwasser potentiell chemisch kontaminiert und die Luft mit gesundheitsschädlichen Gasen belastet.

Die aus der Bakken-Formation geförderte Menge an Erdöl übersteigt die Transportkapazität der Pipelines, weswegen Züge eingesetzt werden. Im Jahr 2013 explodierte ein Zug mit 77 Waggons voll Bakken-Erdöl im Stadtzentrum von Lac-Mégantic in der ostkanadischen Provinz Quebec. Dabei wurden 30 Gebäude zerstört und 47 Personen getötet. [5]

Der Unfall in Illinois ist ein Beispiel dafür, wie Mensch und Natur zu Opfern einer besonders exzessiv betriebenen Form der Ressourcengewinnung werden, wird doch das Fracking aus strategischen Gründen der Ressourcenunabhängigkeit von der US-Regierung massiv unterstützt, unter anderem durch eine Aufweichung der Umweltgesetzgebung für die Förderung aus sogenannten unkonventionellen Lagerstätten wie der Bakken-Formation.

Wieder einmal erweist sich die Vorstellung, daß die freiwilligen Verpflichtungen der Industrie zum Schutz von Mensch und Umwelt genügen, als folgenschwerer Irrtum. Das wundert allerdings nicht, werden sie doch in der Regel aus keinem anderen Motiv geboren als dem, schmerzhaftere administrative Auflagen durch ein kleines bißchen Entgegenkommen zu vermeiden.


Fußnoten:

[1] http://ens-newswire.com/2015/03/05/third-n-american-oil-train-inferno-in-three-weeks-illinois/

[2] http://www.biologicaldiversity.org/campaigns/oil_trains/pdfs/runaway_risks_web.pdf

[3] http://dot111.info/

[4] http://www.kristv.com/story/28277491/illinois-oil-train-derailment-involved-safer-tank-cars

[5] http://www.cbc.ca/news/canada/montreal/search-resumes-in-lac-m%C3%A9gantic-for-5-still-missing-1.1357940

6. März 2015


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