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RESSOURCEN/200: Extremwetter - Risiko der Welternährung am Beispiel Mais (SB)


Bei gleichzeitigem Ausfall der Maisernte in den USA und China droht eine globale Hungerkrise


Es gibt eine reelle Chance, daß aufgrund von gleichzeitigen Extremwetterereignissen in den beiden wichtigsten Maisanbaugebieten der Welt, USA und China, Mißernten eintreten. Wenn es dazu kommt, würden Millionen Menschen einer Hungersnot ausgesetzt, wobei Afrika und Asien davon am stärksten betroffen wären. So lautet das Ergebnis einer im Mai dieses Jahres in den Environmental Research Letters veröffentlichten Studie des britischen Met Office.

Die Klimawissenschaft geht davon aus, daß in Folge der globalen Erwärmung extreme Wetterereignisse wie Sturzregen, Dürren, Stürme, Hitzewellen, etc. zunehmen werden. Die Forschergruppe um Chris Kent vom Met Office hat nun mit Hilfe von Computermodellen am Beispiel des Maisanbaus zu bestimmen versucht, inwiefern zeitgleich auftretende Unwetter die Nahrungsversorgung gefährden. Das auf eine zentrale Kennziffer gebrachte Resultat der Untersuchung lautet, daß die Wahrscheinlichkeit einer Mißernte in den USA und China bis zu sechs Prozent innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren beträgt. Die Auswirkungen wären weltweit zu spüren. Obgleich so ein Fall in den letzten dreißig Jahren noch nicht eingetreten ist, sind bereits heute die Voraussetzungen für diesen Fall vorhanden. In einem zukünftigen Klima dürfte die Gefahr sogar noch zunehmen, wäre an dieser Stelle mit Blick auf andere Studien zu ergänzen.

Von den rund eine Milliarde Tonnen Mais, die im Jahr 2014 weltweit erzeugt wurden, entfielen auf die USA 360 Millionen und China 215 Millionen Tonnen. Zusammen haben sie einen Anteil an der Weltproduktion von knapp 60 Prozent. Innerhalb dieser beiden Staaten wiederum reduzieren sich die wichtigsten Anbauflächen auf wenige Bundesstaaten bzw. Provinzen. Genau diese Zentralisierung erhöht die Gefahr von Ernteausfällen mit global katastrophalen Folgen aufgrund lokaler Extremwetterereignisse. Die Weltversorgung mit dem lebenswichtigen Nahrungsmittel ist demnach von relativ kleinen Regionen abhängig.

Aus dem Ergebnis der Computersimulationen des Met Office läßt sich ableiten, daß es ein Irrtum wäre anzunehmen, daß ersatzweise Mais aus anderen Weltregionen eingeführt werden kann. Das gelänge allenfalls, wenn der Ernteausfall nur in einem der beiden Hauptanbaugebiete stattfände. Als nächstes will die Forschergruppe vom Met Office untersuchen, welche Risiken für die Grundnahrungsmittel Reis, Weizen und Soja bestehen.

Wie ist das Untersuchungsergebnis zu bewerten? Die globale Hungerkrise 2007/2008 in Folge explodierender Preise für Grundnahrungsmittel wurde zwar nicht bzw. nur zum Teil in Folge von Mißernten ausgelöst, aber die Reaktion der Staaten auf die Krise hat gezeigt, daß es ganz schnell vorbei wäre mit der Behauptung, in einer globalisierten Welt würde eine Steigerung der Nachfrage quasi automatisch durch entsprechende Angebote gedeckt. Abschottung nach außen und Sicherung der eigenen Ressourcen zählten zu den Maßnahmen der Staaten, und Länder wie die Philippinen, die ihren Reisbedarf nicht mehr selber decken konnten, mußten tief in die Tasche greifen, um die hohen Weltmarktpreise für das Grundnahrungsmittel zu bezahlen.

Zur Zeit sind in der Sahelzone etwa 20 Millionen Afrikaner von Hunger bedroht. Die dringenden Appelle um Nahrungsmittelhilfe wurden monatelang nicht und werden noch immer von den sogenannten Geberländern nur unzureichend beantwortet. Sollen also Länder wie Südsudan, Niger, Tschad, Äthiopien, Somalia, Kenia, in denen in diesem Jahr Dürre herrscht und die dringend Lebensmittel benötigen, darauf hoffen, daß sie unterstützt werden, sollte der oben geschilderte Fall eines gleichzeitigen Maisernteausfalls in den USA und China eintreten? Sollen sie ignorieren, daß die Staaten in erster Linie an sich selbst denken - schlagwortartig ausgedrückt in Form des viel kolportierten "America first!" des US-Präsidenten Donald Trump, der allerdings nur ausspricht, was andere praktizieren - und zu protektionistischen Mitteln greifen, sobald die eigene Versorgung unsicher wird? Oder aber, in einer anderen Variante, sollen sie tatenlos zusehen, wenn andere Staaten zu ökonomischen, geheimdienstlichen oder militärischen Mitteln greifen, um andere Länder zu berauben, beispielsweise indem sie sich mit oppositionellen Kräften verbünden, um unbequeme Regierungen zu stürzen?

"In einer globalisierten Welt bekommen die Folgen von Nahrungsproduktionsschocken in nur einem Land Millionen Menschen Tausende von Kilometern entfernt zu spüren", heißt es in der Studie. Zu ergänzen ist an dieser Stelle: Versorgungssicherheit, die als Vorteil der globalisierten Welt mit ihren transkontinentalen Warenströmen angesehen wird, verkehrt sich in dem hier geschilderten Szenario in ihr genaues Gegenteil. Die Globalisierung wird zur Falle.

24. Juli 2017


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