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RESSOURCEN/202: Rosia Montana - Lockruf des Goldes noch nicht verhallt (SB)


Rumänien erwägt nun doch größte Goldader Europas abzubauen


Vor vier Jahren konnte man den Eindruck gewinnen, daß dreiwöchige Massenproteste in der rumänischen Bevölkerung das kanadische Rohstoffunternehmen Gabriel Resources in die Knie gezwungen hätten. Mit jahrelanger Unterstützung der rumänischen Regierung hatte sich der Konzern angeschickt, Europas größte Goldlagerstätte abzubauen. Deren Kapazität wird auf 314 Tonnen Gold und 1500 Tonnen Silber geschätzt. Doch 2014 knickte die Regierung ein und entzog dem Projekt ihre Unterstützung. In diesem Jahr hat sie einen Antrag bei der UNESCO eingereicht, um das potentielle Bergbaugebiet als Weltkulturerbe einstufen zu lassen. Hatten doch hier im siebenbürgischen Rosia Montana (zu deutsch: Goldbach) vor 2000 Jahren bereits die Römer Erze abgebaut; einige der Stollen aus der damaligen Zeit sind bis heute erhalten. Würde dem Antrag stattgegeben, wäre das vermutlich das endgültige Aus für den Goldabbau. Rosia Montana ist so etwas wie ein Vorzeigebeispiel im Kampf gegen den Extraktivismus.

Vor kurzem hat jedoch der rumänische Premierminister Mihai Tudose bei einer Diskussionssendung im Fernsehen die Entscheidung der früheren Regierung in Frage gestellt. Man teile inzwischen nicht mehr den gleichen Standpunkt und werde den Antrag bei der UNESCO zurückziehen, wird er von der britischen Zeitung "The Guardian" zitiert.

Woher der Sinneswandel der heutigen Regierung rührt, offenbart sich nach einem Blick auf die Entwicklung der letzten Jahre: 1999 hat Gabriel Resources die Schürflizenz erhalten und seitdem angeblich rund 700 Mio. Dollar in die Erschließung der Lagerstätte investiert. Ende Juni hat das Unternehmen beim Schiedsgerichtshof der Weltbank eine Entschädigungsklage in Höhe von 4,4 Mrd. Dollar eingereicht. Die erste Anhörung ist zwar erst auf September 2019 angesetzt, aber anscheinend stehen die Chancen Rumäniens schlecht, ungeschoren aus der Sache herauszukommen. Am 21. August wußten rumänische Medien zu berichten, daß die Anwaltskanzlei, die in dieser Sache die Regierung vertritt, empfohlen hat, den Antrag bei der UNESCO zurückzuziehen und den Goldabbau zu genehmigen.

Für das Bergbauprojekt sollen mindestens drei Gipfel zerstört, mehrere Dörfer abgerissen, rund 2000 Menschen umgesiedelt und ein Tal zu einem Absetzbecken für bis zu 250 Mio. Tonnen Giftschlamm umgebaut werden. Gold wird mit Hilfe des extrem toxischen Natriumcyanid ausgewaschen. Die breiten Proteste in der Bevölkerung richteten sich nicht allein gegen die weitreichenden Umweltzerstörungen durch den Goldbergbau, sondern auch gegen konkrete Gefahren für Mensch und Tier. War doch am 30. Januar 2000 in Baia Mare der Damm eines Absetzbeckens gebrochen. Je nach Quelle quollen 100.000 bis 300.000 Tonnen Giftschlamm in die Umwelt und gelangten über das Flußsystem in die Donau. Schätzungen zufolge starben zahlreiche Fische mit einem Gesamtgewicht von 1400 Tonnen.

Das Schiedsgericht der Weltbank, vor dem nun der Staat Rumänien verklagt wird, war hauptsächlich eingerichtet worden, um Unternehmen mehr Investitionssicherheit zu verschaffen. Zwar kann dort auch ein Staat gegen ein Unternehmen klagen, aber in der Praxis zeigt sich, daß die wesentliche Funktion dieses Gerichts darin besteht, unternehmerisches Risiko auf die Staaten und damit die Gemeinschaft der Steuerzahler abzuwälzen. In vielen Fällen wurden Länder wie zum Beispiel Argentinien zu hohen Entschädigungszahlungen an Unternehmen verurteilt. Die Arbeit des Schiedsgerichts ist undurchsichtig, und die von seinen Urteilen betroffene Bevölkerung zur Tatenlosigkeit verdammt. Sie soll zusehen, wie ihr Staat einem Unternehmen Geld in den Rachen wirft, obschon gewichtige Gründe gegen den Goldabbau sprechen.

Selbst wenn man das kapitalistische Wirtschaftssystem nicht grundsätzlich in Frage stellen wollte, gäbe es Alternativen zu den internationalen Schiedsgerichten, wie sie zumeist auch im Rahmen von Freihandelsabkommen etabliert werden. Ein Staat, der sich von einem solch großen Projekt wie Rosia Montana zurückzieht, hat einen Ruf zu verlieren und wird in Zukunft Schwierigkeiten haben, mit internationalen Investoren ins Geschäft zu kommen. Abgesehen davon könnten sich Bergbauunternehmen gegen Investitionsausfälle versichern oder einen Fonds bilden, aus dem im Zweifelsfall Entschädigungen gezahlt werden. Daß inzwischen bei vielen Verträgen der Branche die Ausfallkosten auf die Steuerzahler abgewälzt werden, ist kein Naturgesetz, sondern Ergebnis des wachsenden Einflusses von Unternehmen auf Kosten der Staaten.

1. September 2017


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