Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → REDAKTION


RESSOURCEN/222: Fracking - der Pfad der Klage ... (SB)



Indigene vom Volk der Mapuche im argentinischen Teil Patagoniens ziehen gegen eine Reihe großer Erdöl- und Erdgaskonzerne vor Gericht. Diese haben giftige Fracking-Flüssigkeiten und andere toxische Industrieabfälle ungeschützt in offene Gruben gekippt und mutmaßlich eine riesige Umweltverschmutzung angerichtet, meldet AFP [1].

Nach Angaben der Umweltorganisation Greenpeace, die im November 2017 die illegalen Absetzbecken entdeckt und im Mai 2018 Proben an verschiedenen Orten genommen hatte, handelt es sich um viele tausend Tonnen Giftabfälle aus ca. 830 Fracking-Brunnen, von denen jeder monatlich 600 bis 850 Kubikmeter Abfall produziert [2].

Vielleicht noch nicht in der gleichen Katastrophenkategorie wie das ölverseuchte Nigerdelta oder die Teersandförderregion in der kanadische Provinz Alberta, aber allem Anschein nach auf dem Weg dahin drohen Teile des nördlichen Patagoniens zur Kloake der fossilen Energiewirtschaft zu werden. Im Juli 2013 hatten die Provinzregierung von Neuquén und die staatliche Energiefirma YPF einen Vertrag zur Förderung von Schiefergas und Schieferöl in der Vaca-Muerta-Formation geschlossen, der bald darauf vom Provinzparlament ratifiziert wurde.

Die Indigenen vom Volk der Mapuche, die zwar nicht die Bevölkerungsmehrheit in der Provinz bilden, aber eigenen Angaben zufolge laut Gesetzgebung bei solchen Vorhaben konsultiert werden müssen, wurden nicht um Erlaubnis gefragt. Zusammen mit Studierenden, Umweltorganisationen, Parteien und Gewerkschaften bildeten sie ein zivilgesellschaftliches Bündnis, um das Vorhaben zu stoppen. Vergebens. Teils nur wenige Kilometer von Siedlungen und landwirtschaftlichen Feldern entfernt kontaminieren die Giftschlämme sowohl das Grundwasser als auch die Luft.

Deshalb hat die Indigenenvereinigung Mapuche Confederation of Neuquén Klage gegen die transnationalen Konzerne Exxon und Total, die drei in Argentinien ansässigen Unternehmen YPF SA, Pampa Energia und Pan American Energy, an dem BP Teilhaber ist, eingereicht. Ebenfalls in der Klageschrift genannt werden die Provinzbehörden und das örtliche Abwasserbehandlungsunternehmen Treater Neuquén S.A.

Der Sprecher von Greenpeace Andino, Paul Horsman, sagte: "Das Vorgehen der Unternehmen ist reiner Umweltvandalismus und zeigt, wie gering die Kontrolle der örtlichen Behörden in Wirklichkeit ist. Ölgetränktes Erdreich und schadstoffbelastete Luft sind vielleicht für Unternehmen wie Shell und Total nichts Besonderes. Doch die Regierung Argentiniens kann es sich nicht leisten, die Profite der Ölindustrie höher zu stellen als die Gesundheit der Bevölkerung."

Fracking wird in der Regel da eingesetzt, wo keine relativ geschlossene Gas- oder Ölblase im Untergrund existiert, sondern wo die fossilen Energieträger auf Poren und kleine Einschlüsse verteilt im Gestein vorliegen. Die entsprechende geologische Schicht wird horizontal angebohrt, um den Untergrund mittels einer unter hohem Druck eingebrachten, sandhaltigen und chemikalienversetzten Flüssigkeit möglichst großflächig aufzubrechen. Dadurch können Gas und Öl zusammenströmen und an die Erdoberfläche gepumpt werden.

Das Öl- und Gasfördergebiet Vaca Muerta in der argentinischen Provinz Neuquén zählt zu den größten in der Welt. Die Lagerstätte wird auf 16,2 Milliarden Barrel Öl und 308 Billionen Kubikfuß Erdgas geschätzt. Zahllose Lkw fahren täglich kreuz und quer durch das Gebiet, um unter anderem Spezialsand, Chemikalien und Fördertechnik heranzuschaffen und toxische Abfälle zu beseitigen. Bereits dieser Betrieb gefährdet örtliche Gewässer wie den Fluß Neuquén und damit die Trinkwasserversorgung, den landwirtschaftlichen Anbau und Städte wie Añelo, der sich die Förderanlagen und Absetzbecken bis auf rund fünf Kilometer genähert haben.

Die Ergebnisse der Greenpeace-Untersuchung [3] scheinen die schlimmsten Befürchtungen der Bevölkerung hinsichtlich der Förderung fossiler Energieträger in ihrer ökologisch sensiblen Heimatregion zu bestätigen. Erst wenige Jahre vor Ort, sorgt die Industrie bereits jetzt für beträchtliche Umweltschäden. Immer getrieben davon, die Förderkosten so gering wie möglich zu halten, die Umsätze zu steigern und die Aktienbesitzer zufriedenzustellen, macht das weltweit zu beobachtende Phänomen der Umweltzerstörung durch Energiekonzerne zu Lasten einer örtlichen Minderheit auch vor Patagonien nicht halt. Die Mapuche und andere Gruppen, deren Widerstand gegen die Frackingindustrie von staatlichen Exekutivorganen mit Wasserwerfern, Gummiknüppeln und teils offenbar scharfer Munition niedergerungen wurde, zahlen nun den Preis dafür, daß sie Teil einer Gesellschaft sind, von der sie zwar auch profitieren, aber durch deren vorherrschende Interessen sie in diesem Fall Schaden erleiden.


Fußnoten:

[1] https://au.news.yahoo.com/indigenous-argentine-group-sues-energy-multinationals-211829915--spt.html

[2] https://www.greenpeace.org/international/press-release/20061/investigation-shell-total-oil-illegal-toxic-waste/

[3] https://greenpeace.org.ar/ph/Our-Investigations.pdf

20. Dezember 2018


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang