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RESSOURCEN/228: Bestände - der Ast, auf dem wir sitzen ... (SB)



Der Ressourcenverbrauch steigt weltweit weiterhin an und wird sich voraussichtlich in den nächsten 40 Jahren verdoppeln. Eine Entkopplung der Wohlstandsentwicklung vom Naturverbrauch findet beim gegenwärtigen Trend nicht statt. Das geht aus einer umfassenden Bestandsaufnahme des International Resource Panel (IRP) für das UN-Umweltprogramm hervor, die am 12. März veröffentlicht wurde. [1]

In Folge dieser Entwicklung werden das Artensterben voranschreiten und sich die Treibhausgasemissionen um fast die Hälfte erhöhen - mit absehbar verheerenden Klimawandelfolgen für den Menschen und seine Mitwelt. Die Autorinnen und Autoren des Global Resources Outlook 2019 schlagen vor, nicht nur die Ressourceneffizienz zu steigern, sondern eine weitreichende Transformation von einer linearen zu einer zirkulären Wirtschaft zu verwirklichen.

Ausgeblendet wird in dem Report allerdings ein fundamentaler Faktor, der entscheidend für die zukünftige Entwicklung der Menschheit ist: Solange die Wirtschaftsordnung darauf ausgerichtet bleibt, daß Profite privatisiert und Verluste vergesellschaftet werden können, erweisen sich alternative Technologien und Wirtschaftsformen als Teil des Systems und damit des Problems.

Das International Resource Panel wurde 2007 vom UN-Umweltprogramm gegründet und gibt in seinem Outlook Trends zum Ressourcenverbrauch und Konsumverhalten wieder, um die Politik bei strategischen Entscheidungen in Richtung einer nachhaltigen Wirtschaft zu unterstützen. Der diesjährige Outlook zeichnet ein ziemlich düsteres Bild.

Seit 1970 hat sich die Weltbevölkerungszahl verdoppelt, die Ressourcenförderung insgesamt jedoch mehr als verdreifacht. Nicht-metallische Mineralien werden heute sogar fünfmal soviel gefördert. Damals lag der Materialverbrauch bei 27 Mrd. Tonnen. Bis heute ist er auf 92 Mrd. Tonnen gestiegen und könnte im Jahr 2060 auf 190 Mrd. Tonnen explodieren. Die Hälfte der Treibhausgasemissionen, die bis dahin um 43 Prozent zunehmen, geht auf die Förderung und Verarbeitung von Materialien, Treibstoff und Nahrungsmitteln zurück, die wiederum zu über 90 Prozent für den Verlust an Biodiversität und Wasserknappheit verantwortlich sind. Von 1970 bis 2017 nahm der Verbrauch an fossilen Treibstoffen von sechs Mrd. auf 15 Mrd. Tonnen, an Biomasse von neun Mrd. auf 24 Mrd. Tonnen zu.

Seit dem Jahr 2000 hat sich der Rohstoffabbau um 3,2 Prozent jährlich beschleunigt. Das geht wesentlich auf den Ausbau von Infrastrukturen und einen höheren Lebensstandard in Entwicklungs- und Schwellenländern Asiens zurück. Der Verbrauch ist aber auch in den wohlhabenden Länder hoch und lag im Jahr 2017 pro Kopf bei 9,8 Tonnen an Material, das aus anderen Weltregionen mobilisiert wurde.

"Der Global Ressources Outlook zeigt, daß wir uns durch die endlichen Ressourcen des Planeten pflügen, als gebe es kein Morgen, und dabei Klimawandel und Artensterben auslösen", sagt die geschäftsführende Direktorin des UN-Umweltprogramms, Joyce Msyua, in einer Presseerklärung. "Offen gesagt, es wird für viele Menschen auch keine Zukunft geben, solange wir damit nicht aufhören." [2]

Zu der Bestandsaufnahme und dem Ausblick des IRP gehört ebenfalls die Beschreibung eines möglichen Auswegs aus dem Dilemma: Etablierung von Stoffkreisläufen durch Verbesserung der Haltbarkeit, intelligentes Produktdesign, Standardisierung und Methoden des Reuse, Recycling und Remanufacturing, also der Wiederverwendung, Wiederverwertung und Wiederinstandsetzung. Werde dies alles umgesetzt, sei wirtschaftliches Wachstum und zugleich eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit möglich, heißt es.

Die Co-Vorsitzenden des IRP, Izabella Teixeira, ehemalige Umweltministerin Brasiliens, und Janez Potočnik, ehemaliger EU-Umweltkommissar, entwarfen in ihrem gemeinsamen Vorwort die Aussicht, daß im Jahr 2060 gegenüber den heutigen Trends der globale Ressourcenverbrauch um 25 Prozent verringert, das Wachstum des BIP um acht Prozent gesteigert und Treibhausgasemissionen um 90 Prozent zurückgefahren werden könnten.

Dabei handelt es sich um Kennziffern, die nicht das geringste über Wohlstandsniveau und -verteilung der Menschheit aussagen. Die vom IRP entworfene Welt des Jahres 2060 könnte ebenso eine der grassierenden Armut und des weit verbreiteten Hungers sein wie die eines allgemein gehobenen Lebensstils, in dem kein Mensch unter existentieller Not leidet. Das ist weniger von der Frage abhängig, ob eine lineare in eine zirkuläre Wirtschaft transformiert wird, als von der vorherrschenden Produktionsweise. Armut entsteht aus Reichtum, so wie Profit aus Mangel generiert wird. In dem gegenwärtigen Wirtschaftssystem können mit einer Ware nur dann dauerhaft Profite generiert werden, wenn die Nachfrage niemals vollständig gedeckt wird. Die Nachfrage wiederum gründet sich nicht einfach nur auf Bedürfnisse, sondern auf Bedarf, also auf Mangel und unter Umständen sogar existenzgefährdende, materielle Not.

Wenn also vor dem Klimawandel und seinen Folgen insbesondere für die verletzlichsten Bevölkerungsgruppen des Globalen Südens gewarnt wird und man sich erklärtermaßen bemüht, Schaden von den Menschen abzuwenden, sollte der Hebel nicht nur bei der Wirtschaftsform angesetzt werden, sondern bei der Frage, wer profitiert und wer nicht und was das mit den vorherrschenden Produktionsbedingungen zu tun hat.


Fußnoten:

[1] http://www.resourcepanel.org/reports/global-resources-outlook

[2] http://www.resourcepanel.org/press

14. März 2019


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