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BERICHT/039: Down to Earth - wissen, sprechen und verbinden (SB)


32. Weltkongreß der Geographie in Köln

Die Poster-Session - Eine Exkursion in die Welt der Geographie

32. Weltkongreß der Geographie ... vom 26. bis 30. August 2012 in Köln ... seit über einem Jahrhundert erstmals wieder in Deutschland ... das bedeutete mehr als 400 Vorträge, teilweise bis zu 32 parallel auf einer Zeitleiste, acht thematisch übergreifende Keynote Lectures, Exkursionen in die Domstadt und ihr Umland, Präsentationen von Verlagen und geographischen Institutionen, ein Young Researchers Forum und, und, und. Da fiel es dem Redaktionsteam des Schattenblick, das den Kongreß über die Tage begleitet hat [1], nicht leicht, unter den zahlreichen Programmpunkten eine Auswahl zu treffen. Am Mittwoch um 17.30 Uhr entschied es sich für die Poster-Session, und es hat die Wahl nicht im mindesten bereut.

Ein etwa zehnminütiger Fußmarsch, bei dem uns zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Kongresses begleiteten oder auch entgegenkamen - einfach zu identifizieren an den orangefarbenen Bändern, jeweils mit dem Namensschild versehen, um den Hals -, brachte uns auf die andere Seite des Campus der Uni Köln, zum Department der Chemie. Die Chemiker sind in einem Gebäude untergebracht, dessen zweckdienliche Architektur sich besonders gut für diese Art der Präsentation eignete, verfügt es doch über ein langgestrecktes Foyer, an deren Längsseite zahlreiche wissenschaftliche Arbeitsgruppen ihren Forschungsgegenstand auf einem Poster vorstellen konnten. Im Laufe der gesamten Kongreßzeit sollten rund 180 solcher Darbietungen zusammenkommen. An unserem Besuchstag waren Poster zu den Themenkomplexen "Gefährdungen & Konflikte" sowie "Gesellschaft & Umwelt" ausgestellt.

Langer Flur, Menschentrauben, Posterreihen - Foto: © 2012 by Schattenblick

Treffpunkt Poster-Session
Foto: © 2012 by Schattenblick

Die Präsentation des eigenen Forschungsgegenstands, durch die Formatvorgabe auf Postergröße reduziert, hat seinen eigenen Reiz. Hierbei kommt traditionelles geographisches Handwerkszeug wie das Zeichnen von Karten und die Übertragung von Daten in Diagrammform ebenso zum Tragen wie die Fähigkeit, inhaltliche Schwerpunkte setzen und diese den Betrachtern mit allen Mitteln der Kunst nahebringen zu können. So zeigten viele Poster neben den obligatorischen kartographischen Darstellungen auch Schaubilder und Tabellen sowie Fotos und inhaltlich komprimierte Textblöcke. Mag sich das neugierige Auge bei dem einen oder anderen Poster auf den ersten Blick noch etwas überfordert gefühlt haben, erschlossen sich diese bei genauerer Betrachtung schnell.

So locker und gesellig die Poster-Session nicht zuletzt dank der unermüdlichen Unterstützung durch die freiwilligen Helfer - vorwiegend Studentinnen und Studenten des Geographischen Instituts der Universität Köln -, auch war, inhaltlich wurden auf den Postern sehr wohl ernsthafte Probleme angesprochen. Die Entdeckung von Erdöl in Ghana und die Bemühung um ein Umweltgutachten, das nicht dem typischen "Erdölfluch" (mit einer kleinen reichen Oberschicht auf der einen und einer verarmten, von den Umweltfolgen heimgesuchten Bevölkerung auf der anderen Seite) unterliegt; die Folgen des verheerenden Tsunami 2004 im Indischen Ozean; die teils gravierenden sozioökonomischen Auswirkungen der sich verändernden Naturverhältnisse unter dem Druck von Globalisierung, Urbanisierung und Klimawandel.

Oder die Probleme der indonesischen Behörden, die Bewohner der dicht besiedelten Hänge des Vulkans Merapi zu evakuieren, um sie vor dessen pyroklastischen Eruptionen (heiße Wolken aus Gas, Staub und Gestein), von denen zwischen September und November 2010 gleich mehrere ins Tal rasten, zu schützen. Es läßt sich gut vorstellen, daß die Zentralregierung in Jakarta und die Dorfbewohner auf Java nicht immer der gleichen Meinung über die Nothilfemaßnahmen sind.

Poster als Vollbild - Foto: © 2012 by Schattenblick

Poster zur Evakuierung der Bevölkerung nach Ausbruch des Vulkans Merapi (Java) im Jahr 2010 Foto: © 2012 by Schattenblick

Heiße Wolke aus Gas, Staub und Gestein rast den Vulkan Merapi herab - Foto: Lesto Kusumo, freigegeben als Public Domain via Wikimedia Commons

Vulkan Merapi, 20. Juni 2006 - Talbewohner hochgradig gefährdet
Foto: Lesto Kusumo, freigegeben als Public Domain via Wikimedia Commons

Hausruine und verbrannte, bereits gefällte Bäume - Foto: Crisco 1492, freigegeben als CC-BY-SA-3.0 Unported via Wikimedia Commons

Durch pyroklastische Eruption des Merapi zerstörtes Haus im Dorf Cangkringan, 12.12.2010
Foto: Crisco 1492, freigegeben als CC-BY-SA-3.0 Unported via Wikimedia Commons

Hatten die auf dem Kongreß nahezu durchgängig in Englisch gehaltenen Vorträge - manchmal vier innerhalb einer neunzigminütigen Session - die volle Konzentration des Publikums beansprucht, um den Faden nicht zu verlieren, lud dagegen die Poster-Session zum entspannten Verweilen ein. Nicht getrieben vom Takt einer engen Zeitführung, hatten es die Besucherinnen und Besucher ganz und gar in der eigenen Hand, darüber zu entscheiden, was sie an Wissen "mitnehmen" wollten. Ohnehin ging es bei der Schau vor allem ums Kommunikative, die Poster dienten dabei als willkommener Anknüpfungspunkt.

Zwei Personen betrachten ein Poster - Foto: © 2012 by Schattenblick

Erstellt von Geographen der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko
Foto: © 2012 by Schattenblick

So kam in einem Foyer, das im universitären Alltag vermutlich häufiger nur strammen Schritts durcheilt wird, um die Studierenden zur nächsten Vorlesung zu bringen, eine vertraut wirkende, persönliche Stimmung auf - ziemlich untypisch für einen Kongreß von dieser Größe und eigentlich vorprogrammierter Anonymität. Hier herrschte jedoch eine ungezwungene Atmosphäre, in der Platz geschaffen wurde, so daß sich Menschen aus verschiedenen Ländern und Kulturen zwanglos begegneten und miteinander ins Gespräch kamen. Da man davon ausgehen konnte, daß alle Teilnehmenden an der Geographie interessiert waren, gelang der "Erstkontakt" jedesmal auf Anhieb.

Selbst die Vorsitzenden des Organisationskomitees, Prof. Frauke Kraas und Prof. i.R. Dietrich Soyez - innerlich womöglich noch im Vollstreß des Organisierens -, ließen sich den Besuch der Poster-Session nicht nehmen, beteiligten sich am allgemeinen "Networking" und trugen zur Geselligkeit des Treffens bei.

Kraas, ein Mann und eine Frau auf dem Gang durchs Foyer - Foto: © 2012 by Schattenblick

Prof. Frauke Kraas (links) begleitet Besucher
Foto: © 2012 by Schattenblick

Treffen im Foyer - Foto: © 2012 by Schattenblick

Prof. i.R. Dietrich Soyez begrüßt Kongreßteilnehmer
Foto: © 2012 by Schattenblick

Am frühen Abend sollten die Sieger des Poster-Wettbewerbs gekürt werden. Doch zu dem Zeitpunkt hatte es das SB-Team bereits gnadenlos "erwischt": es war an einem Poster über eine archäologische Fundstelle bei Düren stehen und hängen geblieben. Jener Aufschluß steht in Verbindung mit einer weiteren Schwerpunkt-Berichterstattung des Schattenblick: dem Abholzen des Hambacher Forsts durch den Energiekonzern RWE, der die darunter liegende Braunkohle abbauen will. Für diesen klimaschädlichen Energieträger soll uralter, ökologisch wertvoller Baumbestand zum Opfer fallen [2].

An der Dürener Fundstelle forscht Dr. Martin Kehl vom Geographischen Institut der Universität Köln. Er konnte uns die einzelnen Stationen auf seinem Poster trefflich erklären und war auch bereit, dem Schattenblick ein Interview zu geben. Doch davon mehr, zu einem etwas späteren Zeitpunkt ...


Fußnoten:

[1] Weitere Berichte und Interviews zum Weltkongreß der Geographie 2012 in Köln finden Sie, jeweils mit dem kategorischen Titel "Down to Earth" versehen, unter
→ INFOPOOL → UMWELT → REPORT → BERICHT und
→ INFOPOOL → UMWELT → REPORT → INTERVIEW.

http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/ip_umwelt_report_bericht.shtml
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/ip_umwelt_report_interview.shtml

[2] Näheres zur Braunkohleproblematik unter UMWELT, REPORT:
BERICHT/022: Bagger fressen Erde auf - Erkundungen in RWE-Land (SB)
sowie in weiteren Berichten und Interviews mit dem kategorischen Titel "Bagger fressen Erde auf", abgelegt in den drei UMWELT-Pools BERICHT, INTERVIEW und NACHLESE.
Desweiteren hat der Schattenblick die Besetzung des Hambacher Forsts und die Räumung eines Camps aktuell begleitet. Sie finden die Meldungen unter UMWELT, BRENNPUNKT, WALD:
http://schattenblick.com/infopool/umwelt/ip_umwelt_ticker_wald.shtml

20. November 2012