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BERICHT/081: Indikator Salz - eingekreist und nicht geflohen (SB)


SWIM
23. Salt Water Intrusion Meeting
16. bis 20. Juni 2014 im Husumhus in Husum

Bericht über das internationale Experten- und Fachkräftetreffen zur Versalzungsgefahr des Grundwassers in Küstengebieten


Puzzle aus Fischsteinchen, mit der Unterschrift der Tagungsteilnehmer, die im Schwarm aus Salzwasser-Intrusions-Experten Pflichten übernehmen wollen - Foto: © 2014 by Schattenblick

Vernetzung 'aquifer'
'Jeder Fisch denkt anders, doch unsere gemeinsame Expertise steht dem Phänomen eindringenden Salzwassers nicht machtlos gegenüber' (Dr. Broder Nommensen)
Foto: © 2014 by Schattenblick

SWIM - Den Nicht-Swimmer führen die vier Buchstaben des Akronyms, mit dem eine Expertengruppe von etwa 200 internationalen Wasserwissenschaftlern und anderen Fachleuten des Wassermangagements ihren alle zwei Jahre stattfindenden Gedankenaustausch überschreibt, mit Sicherheit auf die falsche Fährte. Denn statt Urlaubsvergnügen und Badefreuden, an die sie - buchstäblich gelesen - zuallererst erinnern, sagt "Saltwater Intrusion Meeting", wie der Husumer Bürgermeister Uwe Schmitz in seiner Grußnote an die vom 16. bis 20. Juni 2014 in Husum tagenden Swimmer schmunzelnd zum Besten gab, dem Laien auch dann noch nichts, wenn er es sich ins Deutsche übersetzt: Salzwasserintrusions-Treffen. Dennoch denken Badewannenkapitäne, Schwimmbadbesucher und Wasserkonsumenten wie die eigentlich echten SWIMMER des 23. internationalen Saltwater Intrusion Meeting in Husum vor allem an eines: das klare, plätschernde, lebenspendende Element unseres blauen Planeten, das für das organische Leben ebenso essentiell ist wie die Luft zum Atmen und aus dem sie zu etwa 90 Prozent selbst bestehen: Wasser.

Während Wassermangel hierzulande überhaupt nur ein Thema für Experten ist, die sich im wesentlichen um die Probleme anderer Länder wie die Mongolei, Indien, Pakistan, China, Iran, Spanien oder die USA zu kümmern scheinen, ist Wasser - global gesehen und in vielen Teilen der Welt hautnah spürbar - eine umkämpfte Ressource. Mehr noch als fossile Energieträger setzt das vorhandene Süßwasser dem globalen Bevölkerungswachstum Grenzen. 40 Prozent der Weltbevölkerung leidet bereits unter Wassermangel. Die Weltgesundheitsorganisation geht davon aus, daß es bald 50 Prozent sein werden. Denn angesichts einer ozeanischen Wasserbedeckung von 71 Prozent kaum vorstellbar, ist die Gesamtwassermenge im Verhältnis zum Erdvolumen tatsächlich erschreckend gering.

Im Vergleich zum Volumen der Erde wirkt alles Wasser darauf wie ein überdimensionaler Tautropfen (Kugeldurchmesser von 1.385 km), sämtliches Süßwasser (Kugeldurchmesser 272,8 km) wirkt daneben wie ein perlenartiger Stecknadelknopf. Die für den menschlichen Gebrauch verfügbare Süßwassermenge ist in diesem Vergleich wie die Spitze einer Stecknadel, kaum noch mit bloßem Auge zu erkennen (56,2 km) - Grafik: by Howard Perlman, USGS; globe illustration by Jack Cook, Woods Hole Oceanographic Institution (©), Adam Nieman

Wer hätte geglaubt, daß es so wenig ist?
Wie der Spritzer eines Tautropfens wirkt das auf der Erde nutzbare Süßwasser, das zunehmend durch Schadstoffeintrag und Versalzung ungenießbar gemacht wird.
Grafik: by Howard Perlman, USGS; globe illustration by Jack Cook, Woods Hole Oceanographic Institution (©), Adam Nieman.

In den etwa 1,386 Milliarden Kubikkilometern Wasser (große Wasserkugel im Bild), die sich auf der Erde befinden, ist nur ein Anteil von 35 Millionen Kubikkilometern Süßwasser (im Vergleich ein Tautropfen dazu) enthalten. Das sind 2,5 Prozent, von denen nur ein Bruchteil als Trinkwasser genutzt werden kann. 69,5 Prozent des Süßwassers liegt entweder in den Eiskappen am Nord- und Südpol oder in Form von Gletschern, Schnee, Eis, Permafrost, Bodenfeuchtigkeit oder Sumpfwasser vor, ist also nicht leicht zugänglich.

Nur 0,4 Prozent dieses Süßwassers soll laut Meinung der Hydrologen den Süßwasserkreislauf als Verdunstung, Niederschlag, unterirdischer oder oberirdischer Abfluß in Bewegung halten. Das ist auch die Menge an Wasser, die dem Leben auf der Erde zur Verfügung steht. Darin enthalten sind die zugänglichen Frischwasser-Reservoire, aus denen die meisten Menschen ihr Wasser beziehen, d.h. alle Flüsse, Seen und 45.000 Großtalsperren, die insgesamt etwa 93.113 Kubikkilometer Wasser ausmachen (eine im Verhältnis zur Erdkugel kaum wahrnehmbare Menge, vgl. Bild).

Daß die vom Menschen genutzten Süßwasserquellen immer mehr durch Schadstoffe belastet werden, läßt viele Länder zunehmend ihren Wasserbedarf aus unterirdischen Grundwasserleitern, Aquiferen, decken. Auch in einigen Gebieten Deutschlands ist das bereits der Fall. Denn das durch die Wasserneubildung gesammelte Grundwasser wird durch die Bodenschichten gefiltert und ist verhältnismäßig sauber. Allerdings besteht auch für diesen unterirdischen Wasservorrat - Fachleute schätzen ihn auf etwa 30,1 Prozent des gesamten Süßwassers - durch die Nutzung die Gefahr der Kontamination. Vor allem in den intensiv besiedelten Küstengebieten (in den vergangenen vier Jahrzehnten hat sich die Nutzung unterirdischer Wasservorräte von 126 auf 280 Kubikkilometer jährlich mehr als verdoppelt) fällt der Grundwasserspiegel unter den des Meeresspiegels, so daß Meerwasser in die Aquifere eindringen kann. Dem Grundwasser droht die Versalzung.

Tafel- bzw. Meersalzgewinnung im Senegal - Foto: 2005 by Myriam Louviot (Own work) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

'Allein die Dosis macht, daß ein Ding kein Gift ist' (Paracelsus) - 5 Eßlöffel Kochsalz (70 Gramm) können einen Menschen töten
Foto: 2005 by Myriam Louviot (Own work) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons


Weißes Gold - zum Leben zuviel zum Sterben zu wenig

97,5 Prozent der globalen Wassermenge sind salzig, selbst in unterirdischen Grundwasserleitern fließen 13 Millionen Kubikkilometer Salzwasser. Das entsteht, wenn Meerwasser im Meeresboden versickert oder wenn Niederschlagswasser auf dem Wege der Grundwasserneubildung über Salzgesteine läuft oder andere in den Bodenschichten vorkommende Salze löst. Doch nur Meeresbewohner und Meerespflanzen sind auf Salzwasser eingestellt. Für den menschlichen Bedarf ist Wasser mit einem Chlorid-Gehalt von 250 Milligramm pro Liter (mg/l), der Grenzwert der hiesigen Trinkwasserverordnung (TrinkwV), unangenehm bis toxisch, im Tränkwasser für Vieh sollte 500 mg/l Chlorid nicht überschritten werden. Für empfindliche Kulturpflanzen (z.B. Kartoffeln, Getreide) sind schon niedrige Salzkonzentrationen schädlich. Meerwasser enthält eine nicht ganz 100mal stärkere Menge (19.000 mg/l Chlorid). Landratten werden davon krank, obwohl auch in unseren Adern und Zellen ein leicht salziges "Betriebsmilieu" von etwa 0,9 Prozent vorherrscht, das durch tägliche Salzaufnahme aufrecht erhalten werden muß. Destilliertes Wasser zu trinken, wäre auf Dauer schädlich für die Nieren.

Mehr als bei vielen anderen Stoffen gilt für Kochsalz (Natriumchlorid) der Leitsatz des Paracelsus zu Beginn des 16. Jahrhunderts: "Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift. Allein die Dosis macht, daß ein Ding kein Gift ist." Ein tragischer Fall aus dem Jahr 2005 macht das deutlich: Ein vierjähriges Mädchen starb, nachdem seine Mutter es gezwungen hatte, einen Pudding aufzuessen, in den es statt Zucker versehentlich zwei Eßlöffel Salz gerührt hatte. Die LD 50 [1] für Ratten liegt bei drei Gramm pro Kilogramm Körpergewicht, bei Menschen kann bereits ein Gramm pro Kilogramm Körpergewicht tödlich wirken. Die lebensnotwendige und die tödliche Dosis unterscheiden sich also nur um den Faktor 70.

Die toxische Wirkung geht auf Osmose [2] zurück: Um die erhöhte Salzkonzentration außerhalb der Zellmembranen auszugleichen, strömt Wasser aus den Zellen. Die Folge ist zunächst starker Durst. Wird dieser nicht gelöscht, kommt es zu Durchfall und Erbrechen bis hin zum Tod infolge von Herz- und Atemstörungen. Dafür, daß sich ein erwachsener Mensch nicht selbst vergiftet, sorgt eigentlich sein natürlicher Widerwille bzw. der Brechreiz, den eine konzentrierte Salzlösung auslösen kann. Aber wenn der Durst nur durch Salzwasser zu stillen ist, wie in einigen Ländern, in denen Meerwasser bereits das Trinkwasser versalzt, könnte gegen die gesundheitlichen Folgen nur noch eine Therapie mit Frischwasser helfen, das bestenfalls einer privilegierten Minderheit zur Verfügung steht, die es flaschenweise bezahlen kann wie in Bangladesh, Ägypten, Indien oder Pakistan.

Im Gazastreifen, in dem durch die aufgezwungene kritische politische Situation 1.700 Brunnen gebohrt wurden, um die Grundversorgung sicher zu stellen, die mehr Wasser fördern, als in dem Küstengebiet nachgebildet werden kann, leiden viele Menschen unter Durchfall, Hautausschlag und Allergien, Anzeichen des Salzwasserkonsums. Hier wird das Brunnenwasser zudem mit Nitratsalzen aus den eingesetzten Düngemitteln belastet, was vor allem bei Babys und Kleinkindern zu einer Sauerstoffunterversorgung führt (Blue-Baby-Syndrom).

Grundwasserströmungen in idealisiertem Küstengebiet. Hier unterschichtet das schwerere Meerwasser das landseitige Süßwasser. - Grafik: mit freundlicher Genehmigung des SWIM-Organisationskomitee

Grundwasserversalzung ist ein dynamischer Prozeß im natürlichen Wasserkreislauf. Erstmals wissenschaftlich beschrieben wurde das Phänomen Ende des 19. Jahrhunderts.
Grafik: mit freundlicher Genehmigung des SWIM-Organisationskomitee


Salzwasserintrusion eine Folge des globalen Wandels?

Auf verschiedene Weise kann Grundwasser versalzen und damit für die Trinkwasserversorgung ungenießbar werden:

- Niederschlagswasser kann auf dem Wege der Grundwasserneubildung vorhandene Salzgesteine auflösen. Das dann dichtere und damit schwerere Grundwasser unterschichtet das Süßwasser - oft durch eine scharfe "(Dichte-)Sprunggrenze", eine sogenannte Halokline, getrennt.

- In isolierten Becken, die kaum am natürlichen Grundwasseraustausch teilnehmen, kann primär salziges Wasser (connates Grundwasser) eingeschlossen worden sein, z.B. Meerwasser.

- Durch unsachgemäße Bewässerungsmaßnahmen löst der Mensch in ariden und semiariden Regionen der Erde Versalzungen aus. Großflächig oder über Grabensysteme aufgebrachtes Bewässerungswasser, das niedrige Salzgehalte enthält, reichert den Boden durch Verdunstung über längere Zeiträume mit Salz an, was zu einem deutlichen Sinken der Ertragsleistung der Böden führt.

- Schließlich führen Grundwasserübernutzungen in trockenen und regenarmen (ariden und semiariden) Gebieten ebenfalls zur Versalzung.

Abgesehen von der vergleichsweise kleinen Menge Süßwasser ist diese auf der Erde räumlich und zeitlich sehr ungleich verteilt. 40 Prozent der Weltbevölkerung leiden bereits unter Wassermangel. In den nächsten Jahren rechnet die Weltgesundheitsorganisation mit 50 Prozent. Bereits 1990 war die Versorgung in 28 Ländern mit einer Gesamtbevölkerung von 333 Millionen Menschen knapp, denen jeweils weniger als 1.700 Kubikmeter pro Person und Jahr zur Verfügung standen.

Daher läßt sich auch die regionale Übernutzung in trockenen oder regenarmen Gebieten mit dem zunehmenden Raubbau an Süßwasser-Ressourcen durch wirtschaftliche Entwicklung, Industrialisierung und Bevölkerungswachstum als Folge des globalen Wandels kaum vergleichen, teilweise aber auch nicht mehr unterscheiden. Südasien, Indien, Pakistan, Iran und China gehören inzwischen neben den USA und anderen Industrienationen zu den größten Nutzern von fossilem oder neugebildeten Grundwasser in unterirdischen Aquiferen, das sie aus Brunnen in Küstennähe schöpfen, um Menschen, Tiere und Landwirtschaft oder eben wasserintensive Industrieanlagen zu versorgen. In manchen Küstenstädten werden pro Jahr tausende Kubikmeter Wasser hochgepumpt - und das hat fatale Folgen wie versalzte Böden durch die Bewässerung, austrocknende Feuchtgebiete, absinkende Städte wie Shanghai, Rio, Sydney oder Bangkok. Eine weitere Folge ist das Vordringen des Meerwassers in diese Süßwasserspeicher, weil sich quasi das Fließgleichgewicht im Aquifer umgekehrt hat, Salzwasserintrusion.

Normalerweise versickert Niederschlagswasser im Boden und sammelt sich, gefiltert durch die Gesteinsschichten zu "neuem" Grundwasser. Dem natürlichen Gefälle folgend, strömt das Grundwasser den Vorflutern (Flüsse, Seen, Meer) zu und tritt dort nach mehr oder weniger langer Untergrundpassage wieder aus. Ebenso gehört es zu den natürlichen Verhältnissen dazu, daß Salzwasser am Meeresboden in den Untergrund eindringt (Salzwasserintrusion), das Grundwasser unter den Meeren ist daher immer versalzen. Während im Küstenbereich oberflächennah Süßwasser vom Land ins Meer bzw. in den Meeresboden abfließt, sickert das spezifisch schwerere und dichtere Meerwasser in die küstennahen Grundwasserleiter ein und unterschichtet die Süßwasservorkommen.

Wird nun diese auf dem Salzwasser schwimmende Süßwasserschicht in größerer Weise abgepumpt und damit auch das geringer mineralisierte Wasser, können lokale, salzige Meeresgrundwasser"dome" weiter bis in das Niveau des Süßwassers aufsteigen und es kommt sehr rasch zu einer Mischung und damit Vernichtung der nutzbaren Süßwasservorräte. Die Brunnen sind dann nicht mehr zu gebrauchen, bis das Salzwasser durch die Wasserneubildung zurückgedrängt wird, was länger als eine Menschengeneration dauern kann.

Grafik: mit freundlicher Genehmigung des SWIM-Organisationskomitee

Übernutzung erhöht das Risiko der Salzwasserintrusion
Vereinfachtes Modell eines Küstenaquifers mit (a) Süß- /Salzwassergrenze, (b) Salzwasserströmung, (c) Salzwasseraufstieg durch Grundwasserentnahme am Brunnen, (d) Prozesse direkt im Küstenbereich, z.B. Meerwasserversickerung und Meerwasserzirkulationszone, (e) druckhöhenbedingter Grundwasseraustritt (nach Werner et al. 2013)
Grafik: mit freundlicher Genehmigung des SWIM-Organisationskomitee


Und was ist mit Norddeutschland?

Daß eines der weltweit am stärksten von der Salzwasserintrusion betroffenen Gebiete in Norddeutschland liegt, wissen viele Wasserkonsumenten der Region nicht. Aber auch den Wasserversorgern oder Entscheidungsträgern ist das Phänomen kaum bewußt. Ein Beispiel dafür ist der Husumer Bürgermeister, der wie er selbst zugab, erst durch die Tagung der SWIMMER in Husum auf diese ernstzunehmende Problematik gestoßen war. Dabei wurde die Salzwasserintrusion bereits Ende des 19. Jahrhunderts von Ghyiben und Herzberg am Beispiel der Insel Norderney beschrieben, als es durch den vermehrten Tourismus auf der Insel zu einem steigenden Wasserverbrauch und dadurch zu Problemen der Wasserversorgung kam. Die damalige Situation gilt bis heute, könnte sich aber durch die klimatischen Veränderungen und den zu erwartenden Anstieg des Meeresspiegels möglicherweise noch verschärfen.

Zwar erreichen manche Süßwasserlinsen, z.B. unter den großen Geestinseln der Nordsee, Tiefen bis rund 100 Meter, ein Meter Süßwasser-Überstau (Höhe über dem Meeresspiegel) kann das Salzwasser um ca. 37 Meter nach unten drücken (Ghyiben-Herzberg-Beziehung), doch dieses hydraulische Gleichgewicht, das sich in erdgeschichtlichen Zeiträumen eingestellt hat, ist nicht nur sensibel. Genau genommen herrschen durch das Gefälle des Süßwasserspiegels in Richtung Meer, das sich auch auf die Süß-/Salzwassergrenzfläche auswirkt, keine wirklich hydrostatischen Verhältnisse, sondern das Grundwasser bewegt sich ständig als Folge von Spiegelhöhenänderungen durch Grundwasserneubildung, Verdunstung, Abfluß zum Meer oder auch durch den Tidenhub.

Durch den zunehmenden Tourismus könnten sich bereits einige Inseln nicht mehr durch ihr eigenes Süßwasser versorgen und müßten vom Festland aus Trinkwasser angeliefert bekommen, hieß es auf der SWIM Tagung.

Versalzung ist auch in anderen Teilen Deutschlands ein Problem. Eine Quelle dieser Tiefenversalzung stellen die in Schleswig-Holstein weit verbreiteten Salzstöcke (bestehend aus Salz, Gips und Tonen) dar. Kommt es hier zu einem Kontakt mit den grundwasserführenden Schichten, wird Salz im Grundwasser angereichert. Beispiele solcher Versalzungsfahnen im Grundwasser gibt es im Raum Bad Oldesloe, im Brenner Moor, wo das Salzwasser aus der Erde kommt. Tiefen- und Küstenversalzung haben u.a. in Lübeck und Hamburg zur Aufgabe von Brunnenstandorten geführt. In weiten Teilen des Kreises Pinneberg können gut gegen Verschmutzung geschützte, tief liegende Grundwasserleiter nicht genutzt werden, da sie salziges Wasser führen. Allerdings sind viele Regionen selbst in Deutschland noch nicht zu dieser Thematik untersucht worden.

Im Gegensatz zu diesen eher ortsgebundenen, geologischen Situationen, die für die Einschätzung der Wasserversorgung wichtig sind, könnten jedoch die beiden wesentlichen Faktoren an der Küste mit einem weiteren Meeresspiegelanstieg und gleichzeitigem, wachsenden Grundwasserbedarf durch die steigenden Durchschnittstemperaturen im sogenannten Klimawandel das Problem der Grundwasserversalzung entschieden verschärfen.

Ehe es zum Äußersten kommt, sehen Hydrologen und Salzwasserintrusions-Experten noch ausreichend Spielraum und Maßnahmen, um einer Versalzung im Einzelfall vorzubeugen. Kenntnisse über den Verlauf der Salz-Süßwassergrenze, die Ausdehnung und Größe der das Salzwasser überlagernden Süßwasserlinsen und damit ein ständiges Beobachten des Status Quo sind daher ihrer Meinung nach für die Planung und den nachhaltigen Betrieb von Förderbrunnen für die Wasserversorgung in Küstennähe unerläßlich.

Sich hierüber mit anderen Wasserwissenschaftlern auszutauschen, aber auch die eigenen Ergebnisse zur Diskussion zu stellen und sich gegenseitig kritisch zu hinterfragen, war einer der Gründe für das deutsche SWIM-Organisationskomitee [3], das seit 1968 alle zwei Jahre stattfindende SWIM-Expertentreffen (zuletzt in Brasilien, Portugal, Florida, Italien, Spanien, Holland, Polen und Belgien) nun einmal nach Husum zu holen, an die Wasserschwelle des Problems, gewissermaßen.

Wie die einzelnen Fische in einem Fischschwarm soll die jeweilige Expertise der teilnehmenden SWIMMER in einer besonderen Art der Vernetzung, in der sich jeder entfalten kann, wie er möchte, jeweils ein weiteres Puzzlesteinchen zum Gesamtwissen über die Versalzungsproblematik beitragen. Damit kommt man dem Phänomen eindringenden Salzwassers immer näher und steht keinesfalls machtlos gegenüber "dem aggressiven Hai", der sinnbildlich für die Verschärfung des Problems im Zuge des globalen Wandels steht und den die SWIMMER in die Flucht treiben wollen.

Laut Broder Nommensen und Johannes Michaelsen [3] sind schon viele Möglichkeiten der Beobachtung und der Eindämmung von Grundwasser schädigenden Prozessen bekannt oder befinden sich in der Fortentwicklung. Letzteres ist jedoch eher der Fall, denn laut Helga Wiederhold (Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik) steht die Forschung in vielen Detailfragen noch ganz am Anfang. Viele Daten, die man zu einer besseren Einschätzung bräuchte, sind noch nicht ermittelt worden. Dazu benötigt man Ausrüstung, Wissenschaftler und Geld. Auch das ist ein Grund, warum das Komitee diesmal stärker den Kontakt mit der Öffentlichkeit und den Entscheidungsträgern sucht, um für mehr Unterstützung zu werben. Einig sind sich die SWIMMER darin, daß es jedoch vordringlich sei, für problematische Gebiete eine Kultur der klugen Wasserbewirtschaftung zu entwickeln und zu etablieren. Das sei in ärmeren und überbevölkerten Regionen der Welt umso wichtiger.

Sich einer solchen Bedrohung zu stellen und aktiv anzugreifen, ist weniger Art des Fischschwarms, der Geborgenheit und Sicherheit vor allem für diejenigen darstellt, die in der Mitte schwimmen, und der im Angesicht des Hais wohl eher Flossengeld gibt, während randständige Fische in seinem Schlund landen!

Da das, was die Wasserexperten beschreiben, nur ein Teil der wachsenden Gesamtbedrohung ist, wird der SWIM-Schwarm bestenfalls Wege finden, um drum herum zu kommen.


Doch der Haifisch ...

Im Vergleich zu manchen Problemen in Ländern des ärmeren Südens scheint der norddeutsche "Wassernotstand" noch beherrschbar zu sein. Denn im Verhältnis zu den akuten und unausweichlichen Vergiftungen, denen Wassernutzer in Niger und Namibia durch den offen gelagerten Abraum (radioaktive Uranpartikel wandern ins Grundwasser), in Südafrika durch den Goldabbau (Schwermetalle, Quecksilber), in Bangladesch (Arsen) oder Gaza (Nitratsalze, Fäkalien) ausgesetzt sind, scheint doch ein wenig schmackhaftes Wasser, auf das man zur Not verzichten kann, hierzulande keinen Aufschrei wert.

Doch sind die Probleme miteinander verzahnt, denn die Ausbeutung von Rohstoffen bedient zum größten Teil eine Industrie, die Wasser verbraucht und verschmutzt. Da die steigende Entnahme aus Süßwasservorkommen zwangsläufig auch mit einer steigenden Einleitung von Abwässern korrespondiert, gehen Schätzungen der UNESCO von einer globalen Abwasserproduktion von etwa 1.500 Kubikkilometern im Jahr 2050 und einer dies begleitenden Abwasserbelastung von bis zu 12.000 Kubikkilometern weltweit aus, unter der gegebenen Voraussetzung, daß ein Liter Abwasser acht Liter Süßwasser verunreinigt. Das sorgt für einen größeren Grundwasserbedarf und eine weltweite Grundwassernutzung, die, angefangen mit einem linearen Anstieg von 1960 bis 1990, seither als Folge des starken Wirtschaftswachstums in China und Indien wie auch der weltweit wachsenden Metropolen eine fast exponentielle Entwicklung angenommen hat.

Auch wenn diese Zahl etwas spekulativ ist, drohen durch die starke Nutzung des Grundwassers schon mittelfristig gravierende, vor allem sozioökonomische Konsequenzen. Schon jetzt führt Salzwasser zu Konflikten und vice versa. Grundwasser erneuert sich nur sehr langsam. Wenn man die Landwirtschaft und Industrie immer weiter mit Grundwasser unterstützt, das sich nicht erneuert, läuft man irgendwann gegen die Wand. Hunger und soziale Unruhen wären dann noch absehbare Folgen ...

Weniger relevant für das Problem der Salzwasserintrusion, aber doch nicht unerwähnt bleiben sollte, daß der Verbrauch dieses nicht dem dynamischen Kreislauf, sondern zusätzlich entnommenen Grundwassers [4] als Folge des globalen Wandels mit Verdunstung und Niederschlag einen Anteil am gegenwärtig beobachteten Meeresspiegelanstieg (drei Millimeter pro Jahr) von 25 Prozent haben soll. Aber durchaus ein Beispiel dafür, daß immer noch viele Faktoren der Salzwasserintrusion nicht erforscht sind. Ein Grund für den Schattenblick, in weiteren Gesprächen noch tiefer zu fassen.

Foto: 2014 by SWIM Organisationskomitee

Das SWIM-Organisationskomitee
Von links nach rechts: Helga Wiederhold, Broder Nommensen, Johannes Michaelsen
Foto: © 2014 by Schattenblick


Fußnoten:

[1] LD 50 - Mittlere letale Dosis, d.h. jene Menge einer Substanz, deren letaler, d.h. tödlicher, Effekt sich auf 50 Prozent der beobachteten Population bezieht. Genauer: Wenn eine Population von 50 Ratten, die jeweils 500 g wiegen, 1,5 Gramm Salz fressen, sterben 25 daran. Aber auch der Rest wird schwer krank.

[2] Osmose ist die spontane Passage von Wasser oder eines anderen Lösungsmittels durch eine semipermeable Membran, die für das Lösungsmittel, jedoch nicht die darin gelösten Stoffe durchlässig ist.

[3] SWIM Organisationskomitee:
Johannes Michaelsen (CONSULAQUA, Hamburg)
Broder Nommensen (Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Schleswig-Holstein - Geologischer Dienst (LLUR), Flintbek)
Helga Wiederhold (Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik (LIAG), Hannover)
Jörg Elbracht (Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG), Hannover)
Klaus Hinsby (Geological Survey of Denmark and Greenland (GEUS), Kopenhagen)
Wilfried Schneider (Technische Universität Hamburg Harburg)
Renate Taugs (Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt - Geologischer Dienst, Hamburg)
sowie die Federal University Rio de Janeiro (Organisation 2012) und die Flinders University Adelaide in Australien (Organisation 2016)

[4] http://www.spektrum.de/news/menschheit-duerstet-immer-mehr-nach-grundwasser/1046878?wo=1

20. Juni 2014