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BERICHT/137: A Plastic Ocean - hätte deutlicher werden können ... (SB)


A Plastic Ocean - hätte deutlicher werden können ...


Weltweit schlagen die Alarmglocken aufgrund der nicht mehr zu leugnenden Verwandlung der Ozeane in gigantische Kloaken. Ende Mai, Anfang Juni hat eine Woche lang das qualvolle Sterben eines an der Küste von Südthailand gestrandeten Pilotwals, der neun Kilogramm an Plastiktüten verschluckt hatte, die Nachrichtenkonsumenten in ganz Asien bewegt. Folglich gab es für Premierminister Narendra Modi national und international großes Lob, als er auf dem UN-Gipfeltreffen in Neu-Delhi anläßlich des Weltumwelttages am 5. Juni bekanntgab, daß bis 2022 in ganz Indien ein komplettes Verbot sämtlicher Einweg-Plastik-Produkte in Kraft treten wird.


Ein Strand übersät mit jeder Art von Plastiktüten und -behältern - Foto: © 2016 by hhach, via Pixabay (CCO Creative Commons)

Menschliche Hinterlassenschaften
Foto: © 2016 by hhach, via Pixabay (CCO Creative Commons)

In Anbetracht der Plastikmüllproblematik herrscht tatsächlich extremer Handlungsbedarf. Laut einer Studie der US-Fachzeitschrift Science Advances von 2017 sind von den etwa 8,3 Milliarden Tonnen an Plastikmaterial, die seit Mitte des 20. Jahrhunderts hergestellt wurden, rund 6,3 Milliarden Tonnen einfach weggeworfen worden. Sollte sich der steigende Trend bei Produktion und Konsum fortsetzen, werden nach Berechnungen der Autoren besagter Studie bis 2050 12 Milliarden Tonnen Plastikmüll einfach so in der natürlichen Umwelt oder in irgendwelchen Deponien die nächsten Jahrhunderte vor sich hin gammeln. Bei der Zersetzung von Plastik werden giftige Chemikalien frei, die ins Grundwasser sickern. Im Meer töten größere Plastikobjekte jährlich unzählige Säugetiere, Fische und Seevögel. Von den Mikropartikeln aus Plastik, deren Anzahl im Meer inzwischen in die Billionen geht, gehen für die Gesundheit von Mensch und Tier große Gefahren wie Krebs und Unfruchtbarkeit aus.


Hörsaal 1 des Geomatikums samt Publikum von hinten - Foto: © 2018 by Schattenblick

Einleitende Worte von Silvia Krautzik vom GeoKino*Kollektiv
Foto: © 2018 by Schattenblick

Den Weltumwelttag am 5. Juni hatte das GeoKino*Kollektiv an der Hamburger Universität zum Anlaß für eine Vorführung der preisgekrönten Netflix-Dokumentation "A Plastic Ocean" genommen, an die sich eine Diskussion im Hörsaal des Geomatikums an der Bundesstraße anschloß. Es kamen rund 50 Personen, und nicht wenige waren von den gezeigten Bildern schockiert. Produziert wurde der Film vom australischen Journalisten Craig Leeson. Bei einer Reportage über Blauwale hatte er bereits 2011 im Indischen Ozean unweit von Sri Lanka erleben müssen, wie sich vor seinen Augen ein riesiger Plastikmüllteppich ausbreitete. Zusammen mit Tanya Streeter, der angloamerikanischen, mehrfachen Weltrekordhalterin in Apnoetauchen, geht Leeson im Film der Frage der Herkunft des Plastikmülls im Meer und seiner möglichen Reduzierung bzw. Vermeidung nach.


Plastikmüll am Meeresboden - Aufnahme eines Vortragsfotos by Schattenblick

Aus den Augen, aus dem Sinn ...
Aufnahme eines Vortragsfotos by Schattenblick

Der Zuschauer bekommt beeindruckende wie zugleich deprimierende Bilder zu sehen. Ein Mini-U-Boot ermöglicht den Blick auf Plastikmüllberge am Boden des Mittelmeers. Es kommen einfache Fidschianerinnen, die Plastik als Brennmaterial beim Kochen benutzen und dabei giftige Gase einatmen, zu Wort. Einwohner auf Tuvalu im Südpazifik zeigen ihre einst wunderschönen Lagunen, die zu toxischen und übelriechenden Plastikhalden geworden sind. Leeson spricht mit bettelarmen Jugendlichen an der Bucht von Manila, die umgeben von Plastikmüll aufwachsen und zu überleben versuchen. Ornithologin Jennifer Lavers, die auf der malerischen Lord-Howe-Insel an der australischen Südostküste lebt und arbeitet, seziert vor der Kamera dort verendete Seevögel und zeigt deren Mageninhalt aus Plastikresten. In Austin, Texas, versucht Leeson vergeblich Fast-Food-Essen zu bekommen, das nicht in Plastik serviert wird, während Streeter im Labor mit Wissenschaftlern über die Toxizität der verschiedenen Polymere spricht, wie sie im Alltag häufig vorkommen.


Boitin und Krautzig am Stehpult - Foto: © 2018 by Schattenblick

Ingrid Boitin & Silvia Krautzig
Foto: © 2018 by Schattenblick

Nach dem Film leitete Ingrid Boitin, die eigens dafür aus Lübeck angereist war, die Diskussion. Die langjährige Greenpeace-Aktivistin gab Tipps, wie man Plastikmüll vermeiden oder wie man etwa Shampoo und Chlorreiniger aus handelsüblichen Chemikalien für den Hausgebrauch billig herstellen kann, und berichtete von eigenen Erfahrungen. Bei Recherchen in Lübeck stellte sich zum Beispiel heraus, daß der vom kommunalen Entsorgungsbetrieb aus Biomüll gewonnene Kompost, der an die Bauern verkauft und von diesen auf ihre Felder getragen wird, mit Mikropartikeln aus Plastik zersetzt ist. Grund dafür ist die enorme Schwierigkeit, Plastik- und Lebensmittelreste sauber voneinander trennen zu können.


Außenansicht eines in die Jahre gekommenen Hochhauses - Foto: © 2018 by Schattenblick

Das Geomatikum in Hamburg
Foto: © 2018 by Schattenblick

Viele Zuschauer im Publikum störten sich am versöhnlichen Ende des Films, dessen Botschaft darauf hinauslief, daß die einfachen Verbraucher durch konsequentes Handeln die Plastiklawine stoppen könnten. Gleichfalls wurde fundamentale Kapitalismuskritik geübt und eine viel stärkere Inpflichtnahme der Industrie gefordert. Auch Boitin meinte, die deutsche Regierung und die EU agierten hier aus Rücksicht auf die eigenen Großkonzerne viel zu zaghaft. Die von Leeson zum Ende der Dokumentation postulierte Hoffnung, der Markt würde wegen des angeblich im Plastikmüll enthaltenen Wertes selbst die Beilegung der Umweltzerstörung durch Verpackungsmaterial herbeiführen, wurde vom Publikum im Geomatikum allerdings als illusorisch verworfen. Ein denkwürdiger Abend, der Anlaß zum Nachdenken bot und zu größter Nüchternheit bei der Problembewältigung anregte.


8. Juni 2018


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