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INTERVIEW/169: Kettenbruch - von und mit den Bienen ...    Anke Last im Gespräch (SB)


bee careful - Initiative zur Erforschung der Bienengesundheit durch die Schwartauer Werke

Vorstellung des ersten norddeutschen "Hightech-Bienenstocks" am 10. Oktober 2014 in Bad Schwartau

Anke Last über den pädagogischen Wert der Imkerei und warum es ohne Imker keinen Honig gibt



Wenn man Anke Last reden hört, könnte man den Eindruck gewinnen, daß für sie das (Honig-)Glas stets halb voll und nicht halb leer ist. Selbst dem Bienenvölkersterben kann sie noch etwas Positives abgewinnen, nämlich daß die Menschen dank der Berichterstattung über diese negative Entwicklung endlich angefangen haben, sich für die Bienen zu interessieren. Die gelernte Imkerin engagiert sich auf drei Verbandsebenen für das Wohl der Bienen und eine fachgerechte Imkerei: Sie ist Vorsitzende des Imkervereins Bad Schwartau, Landesverbandsvorsitzende Schleswig-Holsteinische und Hamburger Imker und Präsidiumsmitglied des Deutschen Imkerbundes.

Porträt der Interviewpartnerin - Foto: © 2014 by Schattenblick

"Wir müssen in den Schulen Imkerei lehren und Schüler davon überzeugen, daß die Biene etwas Faszinierendes ist."
(Anke Last, 10. Oktober 2013, Bad Schwartau)
Foto: © 2014 by Schattenblick

Am 10. Oktober 2014 stellten die Schwartauer Werke erstmals der Öffentlichkeit eine neue Hightech-Bienenforschungsstation auf ihrem Betriebsgelände vor, die Bestandteil der Kampagne "bee careful" ist und mit Hilfe der HOBOS-Initiative des Würzburger Universitätsprofessors und Bienenexperten Jürgen Tautz eingerichtet worden war. [1] Hier soll Grundlagenforschung betrieben werden, nicht zuletzt um die Kette möglicher Faktoren, die das Bienenvölkersterben ausgelöst haben, zu brechen. Im Anschluß an die Vorstellung der Unternehmensinitiative "bee careful", zu der auch eine Besichtigung der Station auf dem Gelände des Werks 2 der Schwartauer Werke unweit der Trave gehörte, war Anke Last bereit, dem Schattenblick einige Fragen zu beantworten.


Schattenblick (SB): Unterstützt der Deutsche Imkerbund die Initiative bee careful?

Anke Last (AL): Nein, das übernimmt aber der Landesverband, denn wir haben ein föderalistisches System. Allerdings werde ich bee careful heute abend bei der Präsidiumssitzung des Deutschen Imkerbunds in Bonn vorstellen. Auf Bundesebene machen wir leider nicht so viel, das heißt, ich kann hier in Schleswig-Holstein viel mehr bewirken, wenn ich klein anfange.

Auch dank eines Geldsegens unserer jetzigen Landesregierung haben wir im Landesverband mehrere Projekte laufen, zu denen beispielsweise die Schulimkerei gehört. In Schleswig-Holstein gibt es insgesamt schon 24 Schulimkereien, von denen sieben neu angelaufen sind. Die Projekte, die sich mit der sogenannten Sommerbiene [2] befassen, dauern dann ein Jahr. Dafür haben wir einen Projektleiter gefunden, der das begleitet und mit dem gemeinsam die Kinder experimentieren können. Mit dem kleinen Völkchen - das finde ich super, davon bin ich richtig begeistert!

SB: Für die Forschungsstation in Bad Schwartau ist ja offensichtlich ebenfalls geplant, daß sie von Schulklassen besucht werden kann, oder nicht?

AL: Das hoffe ich sehr. Einmal habe ich hier am Leibniz-Gymnasium selber einige Stunden die Imkerei vorgestellt. Doch war es bisher schwierig, so etwas an Schulen zu machen. Nun hoffe ich, daß aufgrund des neuen Systems des Bildungsministeriums mit den Ganztagsschulen und dieses ersten Projekts "Sommerbiene" viele Schulen mitmachen werden. Und die Kinder, die wir jetzt erreichen, werden dann hoffentlich mit vierzig Jahren Imker, denn ohne sie gäbe es keine Honigbienen.

Geöffneter Bienenkasten mit zahlreichen Bienen der Schwartauer Forschungsstation - Foto: © 2014 bee careful / Schwartauer Werke

Jede Biene ein Individuum, gemeinsam bilden sie den "Bien"
Foto: © 2014 bee careful / Schwartauer Werke

SB: Sie sind gelernte Imkerin - was hat Sie motiviert, sich mit Bienen zu befassen?

AL: Die Selbständigkeit. In den sechziger Jahren konnte man als Frau in anderen Berufen nicht so selbständig sein, wie wenn man Imkerin lernte. Damals hatte die Hausfrau zu Hause zu bleiben. Außerdem kenne ich das Handwerk aus meiner Kindheit. Die Großeltern, Eltern, sie alle haben Imkerei betrieben. Ich hatte damals die Vorstellung, daß ich mir damit ein eigenes Einkommen verschaffen könnte, was auch immer ich beruflich machen würde, und das habe ich dann ja auch getan.

SB: Haben Sie heute noch Bienenvölker?

AL: Jetzt habe ich keine Zeit mehr, da ich Verbandsarbeit mache.

SB: Bedauern Sie das?

AL: Nein, das mache ich gerne. Ich habe ja noch einen anderen Beruf erlernt und bin Industriekauffrau. Mir geht es auch um die Verbandsarbeit, um eine harmonische Imkerei und natürlich Schulung, Schulung, Schulung. Ich war in der Erwachsenenbildung tätig und habe Buchführung gelehrt. Das hat viel mit der Bienenhaltung zu tun, weil die Biene ein Industriebetrieb ist: Sie produziert etwas.

Am Beispiel der Bienen kann man alles lehren und man kann viel von den Bienen lernen. Denn wenn ich ein Bienenvolk bearbeite, muß ich eine Diagnose stellen und eine Entscheidung treffen. Viele Leute mögen keine Entscheidungen treffen, weil sie Angst vor dem Ergebnis haben. Aber wenn sie mit Bienen arbeiten, müssen sie zum Beispiel entscheiden, wo sie die Wabe hinstellen. Dann werden sie erfahren, ob sie etwas verkehrt gemacht haben.

SB: Würden Sie sagen, daß es einen pädagogischen Nutzen hat, wenn man mit Bienen arbeitet?

AL: Ja, einen ganz großen. Wichtig an der Imkerei ist ja gerade auch, daß die Leute etwas davon haben. Wenn sie schleudern, erhalten sie eine Ernte. Sie haben plötzlich Honig in der Wohnung und können etwas verkaufen. Sie sehen den Erfolg ihrer Arbeit. Das finden die Leute schön.

Vier Schautafeln, dahinter eine kleine Holzhütte, in der die Hightech-Forschungsstation steht - Foto: © 2014 by Schattenblick

Bienenforschungsstation und Schautafeln mit Basisinformationen über die Biene
Foto: © 2014 by Schattenblick

SB: Kann jeder Imker werden?

AL: Ich behaupte, ja.

SB: Was wären die Voraussetzungen?

AL: Ich muß meine Bienen irgendwo hinstellen können. Das muß nicht unbedingt der eigene Garten sein, ich kann auch einen Schrebergarten nehmen oder meine Bienen bei einem Landwirt an den Feldrand stellen. Was ich haben müßte, wäre natürlich auch einen Raum zum Schleudern, wo ich die Waben vorbereiten kann. Mit der Imkerei ist ja sehr viel handwerkliche Tätigkeit verbunden. Und ich empfehle jedem, der Imker werden möchte, einen Kurs bei uns an der Imkerschule zu besuchen oder sich wenigstens das theoretische Wissen anzueignen und dann in einen Verein zu gehen, wo er von einem praktisch arbeitenden Imker betreut wird.

Ich selbst habe eine zweijährige Lehre absolviert. Wenn einer Hobbyimker ist, können Sie sich vorstellen, wie viele Jahre er durchmachen müßte, damit er das Wissen erlangt, was man in diesen zwei Jahren gelernt hat. Das ist wie mit jedem Lehrberuf, in kurzer Zeit lernt man unheimlich viel.

SB: Ist die Imkerei ein Handwerk, das Nachwuchsprobleme hat?

AL: Die Nachfrage von jungen Interessierten ist sehr groß. Wir haben an unserer Imkerschule eintausend Teilnehmertage pro Jahr, was schon eine ganze Menge ist. Ich sage immer, daß das Bienenvölkersterben positiv für uns Imker war, weil dadurch die Bevölkerung erstmals sensibilisiert wurde, wie wichtig die Honigbiene ist.

Ich finde es toll, daß Schwartau jetzt diese Initiative gestartet hat, weil auch das Werbung für uns ist. Als Landesverbandsvorsitzende fehlen mir einfach genügend Leute, die qualifizierte Schulungen geben können. Ich möchte ja auch ein bestimmtes Niveau erreichen.

SB: Bestehen Probleme mit Hobbyimkern, die mit der Bienenhaltung anfangen und nicht über genügend Fachkenntnisse verfügen?

AL: Die haben dann tote Bienen. Einer, der das nicht richtig betreibt, bekommt dafür die Rechnung serviert und hat dann keine Bienen mehr.

SB: Könnte man sagen, daß "bee careful" fast schon ein Berufsslogan der Imker ist, da sie sehr sorgsam mit den Bienen umgehen müssen?

AL: Ja, die Biene ist ein Lebewesen, ein Individuum, und man muß ein Wissen über die Bienen haben, um richtig mit ihnen umzugehen. Aber dafür haben wir ja auch den Verband, und zu der Imkerschule im Landesverband Schleswig-Holsteinischer Imker kann jeder gerne kommen, der eine Frage hat. Unser Büro ist jeden Tag von acht bis zwölf besetzt. Da wird den Imkern geholfen.

Biene auf der Hand von Prof. Dr. Jürgen Tautz - Foto: © 2014 by Schattenblick

bee careful - wenn man sich vorsichtig bewegt, hat die Biene keinen Grund zu stechen
Foto: © 2014 by Schattenblick

SB: Existieren in Deutschland noch wildlebende Honigbienen?

AL: Es gibt keine. Für wildlebende Honigbienen bräuchte ich einen Baum, der hohl ist; zudem ist Schleswig-Holstein ein waldarmes Land. Außerdem haben wir die Varroa-Milbe. Die würde nach spätestens drei Jahren ein Bienenvolk vernichtet haben. Deshalb gilt: Ohne Imker keine Bienen.

SB: Das ist offenbar auch eine Art Symbiose.

AL: Ja, und darum brauchen wir unbedingt Imker. Wir müssen in den Schulen Imkerei lehren und Schüler davon überzeugen, daß die Biene etwas Faszinierendes ist, so daß sie später, wenn sie erwachsen sind und sich ein Hobby zulegen, anfangen zu imkern. Das würde dann sogar noch ein bißchen Geld einbringen. Das ist das einzige Hobby, was ich kenne, das nicht nur was kostet. (lacht)

SB: Bedeutet das, daß die Imkerei insgesamt nicht viel kostet?

AL: Sie müssen erstmal Geld in die Hand nehmen. Aber Sie haben ja den Honigertrag, und der kann mit etwas Glück bis zu 50 Kilogramm pro Volk sein. Wenn Sie Pech haben, ist es weniger. In den fünfziger Jahren lag die Durchschnittsernte bei 15 Kilogramm. Für die höheren Erträge von heute wurde die Biene nicht so gezüchtet, daß sie mehr leistet, sondern man hat eine Zuchtauslese betrieben, damit die Völker größer werden. Darüber hinaus haben wir heute andere Beuten.

SB: Fühlen sich die Bienen in größeren Völkern noch wohl?

AL: Ja, das Volk kann nur so groß werden, wie der Bien - das ist das Bienenvolk - es zuläßt und wie viele Eier die Königin legt. Pro Tag können das 2000 Eier sein.

SB: Ist das ein klassischer Bienenstock, den wir da in der Forschungsstation gesehen haben?

AL: Ja. Hier in Schleswig-Holstein haben wir eher die Styroporbeute, also Bienenkästen aus Styropor mit einem offenen Boden, was sich bewährt hat. Es ist ein Maß, durch das ich besser verkaufen, kaufen oder auch tauschen kann.

SB: Demnach sind die Waben genormt?

AL: Ja, genau. Im süddeutschen Raum sind eher Holzbeute üblich. Und alles andere ist eine Glaubenssache. Der Bio-Honig ist zum Beispiel ein Honig, der nach einer bestimmten Betriebsweise gewonnen wird. Der Inhalt des Honigs ist gleich, weil ein Bienenvolk ein Gebiet von 30 Quadratkilometern beweidet. Da kann ich nicht sagen, fliegt mal nur die Blüten an, die nicht aus einer Kulturlandschaft, sondern nur aus einer Naturlandschaft sind! Die haben wir sowieso nicht. Seit weit über hundert Jahren haben wir nur noch Kulturlandschaft.

SB: Müßte man als Imker tatsächlich in entlegene Regionen wie zum Beispiel die Karpaten gehen, wo keine Landwirtschaft betrieben werden kann?

AL: Auch da haben wir keinen reinen Honig, denn die Schadstoffe kommen über die Luft. Es gibt auf der ganzen Erde keine naturreinen Lebensmittel mehr.

SB: Vielen Dank für das Gespräch.

Schautafel mit schematischer Darstellung der Bienenforschungsstation in Bad Schwartau und weiteren Erläuterungen - Foto: © 2014 by Schattenblick

Vergleichende Forschungen zur Bienengesundheit in Würzburg und Bad Schwartau
Foto: © 2014 by Schattenblick


Fußnoten:


[1] HOBOS steht für HOneyBee Online Studies, d. h. für Online-Forschungen an und mit der Honigbiene. Näheres dazu unter www.hobos.de.

Zur Initiative "bee careful" der Schwartauer Werke zur Erforschung der Bienengesundheit ist unter dem kategorischen Titel "Kettenbruch" im
INFOPOOL → UMWELT → REPORT
bisher erschienen:
BERICHT/092: Kettenbruch - Bienensterben im Blick der Forschung ... (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umrb0092.html
und
INTERVIEW/168: Kettenbruch - Forschungsansatz Bienenpower ...    Prof. Dr. Jürgen Tautz im Gespräch (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umri0168.html

[2] Als Sommerbienen werden die Bienen bezeichnet, die zwischen Frühjahr und Spätsommer erbrütet werden und eine Lebenserwartung von fünf bis sechs Wochen haben. Diese sogenannten Arbeiterinnen übernehmen im Bienenstaat Aufgaben wie zum Beispiel, die Tracht einzusammeln, die Brut zu hüten, den Stock sauberzuhalten oder ihn weiter auszubauen. Auch mit der Nahrungssuche und Bewachung des Bienenvolks sind sie betraut.

14. Oktober 2014