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INTERVIEW/234: Gitterrost und Permafrost - Flirt mit Ideen, Karriere mit konservativen Methoden ...    Dr. Anne Morgenstern im Gespräch (SB)


11. Internationale Permafrostkonferenz (ICOP) vom 20. bis 24. Juni 2016 in Potsdam

Dr. Anne Morgenstern über den Unterschied zwischen russischen und deutschen Forschungsansätzen, und darüber, warum junge und alte Wissenschaftler perfekte Teampartner sind ...


Die jungen Permafrostforscher - das wurde für den Besucher der Internationalen Permafrostkonferenz (ICOP) 2016 in Potsdam offensichtlich - bilden eine eingeschworene Gemeinschaft, die im Sinne des Wortes fest zusammenhält. Wohin man blickte, in den Pausen zwischen den Vorträgen, Sessions und Begleitprogrammen sah man kleine Gruppen von jungen Menschen die Köpfe zusammenstecken oder im Gespräch mit leicht ergrauten Wissenschaftlern diskutierend, die neben ernsthafter Problembewältigung offenbar auch eine Menge Spaß zusammen hatten. Ein Großteil dieses Zusammengehörigkeitsgefühls ist sicher der gemeinsamen Erfahrung in kälteren Regionen geschuldet, denn wer in der Arktis oder Sibirien in der Feldforschung tätig war und ist, der lernt möglicherweise in den begrenzten und beengten Räumlichkeiten der Forschungsstationen und dem kompletten Ausfall zivilisationsalltäglicher Ausweichs- und Kompensationsmechanismen den Wert einer Gemeinschaft, auf die man sich verlassen kann, zu schätzen und setzt andere Prioritäten im Umgang mit Menschen und Kollegen.

Nicht von ungefähr ist aus dieser Gemeinschaft eine Einrichtung hervorgegangen, die sich speziell zur Aufgabe gemacht hat, jungen Nachwuchswissenschaftlern, die zu Themen des Permafrosts forschen, unter die Arme zu greifen und untereinander, aber vor allem mit erfahrenen Wissenschaftlern zu vernetzen. Das Permafrost Young Researcher's Network (PYRN) ist aber - wie Dr. Anne Morgenstern dem Schattenblick erklärte, kein Ableger der Internationalen Permafrost Gesellschaft (IPA), unter deren Schirmherrschaft das PYRN heute gewissermaßen steht, sondern wurde 2005 vor allem durch die Initiative von Nachwuchsforschern gegründet, die dadurch einen schnellen Zugang zu weiterer Unterstützung (etwa integrierte Informationen aus erster Hand zu speziellen Forschungsthemen) oder andere hilfreiche Möglichkeiten für die eigene Karriere erhalten. Mit PYRN, das eine hohe Eigendynamik entfaltet und bereits einen kreativen Einfluß auf die gesamten Aktivitäten der Permafrost Gesellschaft besitzt, haben es die jungen Forscher verstanden, der 11. ICOP ihren eigenen Stempel aufzudrücken. Eine Kreativgruppe hielt die Highlights der Konferenz auf Videoclips fest, viele Jungforscher waren an der Organisation und Koordination beteiligt oder moderierten die Plenarveranstaltungen am Anfang und Ende der Tagung. Und schließlich stellten Mitglieder des PYRN in einer der Sessions die Studie vor, wie sich ihre Generation Permafrostforschung in nächster Zukunft vorstellt. Darüber, daß sie dabei nicht immer konform mit der konventionellen Permafrostforschung gehen, und welche Schwerpunkte sich in der Studie herauskristallisierten, sprach der Schattenblick am vorletzten Tag der Konferenz mit Dr. Anne Morgenstern, die unter anderem daran mitgewirkt hatte und selbst seit nahezu zehn Jahren PYRN-Mitglied ist, welche Richtung Nachwuchsforscher der Permafrostforschung in Zukunft geben wollen.


Eine 35 Meter hohe Steilwand aus Eis und gefrorenen Sedimenten, fotografiert auf der Insel Sobo Sise im Lena Delta, Sibirien. - Foto: by Thomas Opel, Alfred-Wegener-Institut (AWI), freigegeben unter Lizenz CC-BY 4.0

Wie sich die Permafrostlandschaft durch Thermoerosion verändert, ist eines der Froschungsfelder, für die sich Anne Morgenstern engagiert.
Einige Inseln im Lena-Delta verändern ständig ihre Form.
Foto: by Thomas Opel, Alfred-Wegener-Institut (AWI), freigegeben unter Lizenz CC-BY 4.0

Dr. Anne Morgenstern ist eine junge Geowissenschaftlerin am Alfred-Wegener-Institut (AWI), Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Potsdam und wissenschaftliche Koordinatorin der Forschungsstation Insel Samoylov. Unter anderem forscht sie als Mitglied einer Forschungsgruppe unter Prof. Guido Grosse [1], am schnellen Auftauen des Permafrosts und seine Folgen für Permafrostkohlenstoffspeicher, eine jener Schwerpunktthemen, die das AWI sowie die derzeitige konventionelle Permafrostfoschung mit höchster Priorität verfolgt. Ihr Spezialthema ist die Degradierung von eisreichem Permafrost durch Thermoerosion zum Beispiel auf der Insel Samoylov, die durch den Permafrost ständig die Form verändert. Dabei kommt es auch zu einem erhöhten Sediment-, Kohlenstoff- und Nährstoffeintrag in angrenzende Flüsse, Seen und Küstengewässer.


Foto: © 2016 by Schattenblick

Dr. Anne Morgenstern
Foto: © 2016 by Schattenblick

Schattenblick (SB): Wir waren gerade in der Session, in der die Studie "Brief Communication: Future avenues for permafrost science from the perspective of early career researchers." [Kurzmitteilung: Künftige Wege für die Permafrostforschung aus Sicht von Nachwuchsforschern] von Michael Fritz et al. vorgestellt wurde, an der u.a. Sie maßgeblich beteiligt sind. Können Sie uns verraten, warum ein so aufwendiges und kompliziertes Meinungsfindungsverfahren nötig war, damit diese fünf Aspekte oder Schwerpunkte aus der Vielzahl von Ansätzen herausfiltriert werden konnten? Sind die anstehenden Fragen nicht offensichtlich?

Dr. Anne Morgenstern (AM): Das ist ein wichtiger Punkt. Uns Forschern ist natürlich klar, warum wir was untersuchen wollen. Doch die Frage, ob das relevant ist oder nicht, wird ebenfalls häufiger an uns herangetragen. Aber abgesehen davon, dass man sich gegenüber der Öffentlichkeit und den Geldgebern berechtigterweise immer wieder rechtfertigen muss, ist es sehr gut, den eigenen Stand der Arbeit zu hinterfragen.

In einer Disziplin, die sich augenblicklich so rapide entwickelt, treten ständig neue Fragen auf, die das ganze Forschungsfeld vielfältiger werden lassen. Dadurch kommen immer mehr Aufgaben und auch neue Disziplinen dazu. Der Fokus traditioneller Grundlagenfragen wird zunehmend erweitert und es ist gar keine Frage, dass man sich leicht in Detailthemen verlieren kann. Sobald man sich persönlich in eine Aufgabenstellung vertieft, ist alles, was damit zu tun hat, wichtig und spannend, aber man sollte den Überblick behalten, hin und wieder einen Schritt zurücktreten und fragen, in welche große Richtung die Forschung insgesamt geht: Wo stehen wir jetzt, wo wollen wir eigentlich hin, was wissen wir schon, was haben wir in den vergangenen zehn Jahren gelernt und welche große Fragen sind noch offen?

Wenn die Forschergemeinde größer wird, lässt sich das nicht mehr so einfach beantworten. Daher gab es einen übergeordneten Ansatz, der auch in einem der Plenarvorträge vorgestellt wurde, an dem die gesamte arktische Forschungsgemeinde mitgewirkt hatte, und nun wollten die jungen Permafrostforscher dazu ebenfalls einen Beitrag leisten.

Es war auch hochinteressant zu schauen, inwieweit die junge Gemeinde zu anderen Ergebnissen kommt als diejenigen Wissenschaftler, die eben schon seit Jahren zusammen arbeiten und dadurch die Disziplin gewissermaßen bereits geprägt haben. Wir jungen kommen mit eigenen Ideen und neuen Vorstellungen und finden aber auch schon ganz viel Grundlagenforschung vor. Gleichzeitig entwickelt sich die Technologie und auch das Methodenspektrum ständig weiter. Und da könnten wir beispielsweise aus unserer Perspektive klären, sind wir immer noch bei den gleichen Fragen, die bereits vor zehn Jahren gestellt wurden und in denen die Forschung nur kleine Schritte weiter gekommen ist, oder wissen wir eigentlich schon ganz viel auf diesem Gebiet und können uns umorientieren?

SB: Inwiefern unterscheiden sich denn die Fragen der jungen Wissenschaftler von den bereits etablierten? Konnten Sie hier schon Tendenzen oder einen Trend feststellen?

AM: Der hat sich durchaus verändert. Wie in dem Plenarvortrag deutlich wurde, ist das Thema Kohlenstoff - wie auch sonst auf dieser Konferenz - immer noch ein ganz großes Schwerpunktthema der Permafrostforschung.

In den fünf Fragen der jungen Wissenschaftler kam das Thema Treibhausgase allerdings nicht ganz so explizit vor. Da gibt es bereits eine Verschiebung des Schwerpunkts in die noch offenen Fragen. Dass die Forschung, was den im Permafrost gespeicherten Kohlenstoff betrifft, weitergehen muss, ist keine Frage, aber unsere Schlüsselfragen zielen eher darauf ab, wie Modelle angepasst werden müssen, um Prozesse im Permafrost, zu denen auch Kohlenstoffflüsse gehören, besser zu repräsentieren und inwieweit unsere Forschung auch für die Menschen vor Ort von Nutzen sind. Da hat sich schon etwas verändert. Beispielsweise die Frage, die mich im übrigen selbst sehr interessiert, wie man das traditionelle Wissen der dort lebenden Menschen einbinden kann, um Forschungsfragen zu klären, ist tatsächlich eine ganz neue Richtung, die diese Forschung nimmt. Das gehört zu dem Trend, transdisziplinär zu arbeiten, der auch auf EU-Ebene eine zunehmend größere Rolle spielen soll. Wenn etwa jetzt EU-Anträge gestellt werden, dann wird immer auch der sogenannte "socio-economic impact" [übersetzt: sozioökonomische Auswirkungen, Anm. d. SB-Red.] erwähnt. Der taucht eigentlich jetzt überall auf. Anders gesagt, es wird immer wichtiger, die naturwissenschaftlich fokussierte Fragestellung, die man als Forscher bearbeitet, dahingehend zu erweitern, dass gleichzeitig auch sozioökonomische Aspekte eingebunden werden, um auch die Folgen für die Gesellschaft wieder zurückzuspiegeln.

Die Naturwissenschaftler haben inzwischen verstanden, dass dort natürlich schon seit jeher Menschen wohnen, die nun vom Klimawandel betroffen sind, die aber auch mit ihren menschlichen Aktivitäten selbst einen Einfluss hatten und haben. Dabei geht es nicht nur um die aktuelle wirtschaftliche Exploration oder welche Einflüsse davon ausgehen, sondern auch um ein Wissen der dort schon seit vielen Generationen ansässigen Menschen, aus dem man ganz wichtige Erkenntnisse ziehen kann, auch um Trends zurückzuverfolgen, die wir mit den modernsten Technologien wie Satellitenbeobachtungen gar nicht erfassen könnten, weil es eben schon so lange zurückliegt.

Was ich an der Vernetzung von den verschiedensten Wissenschaftsdisziplinen spannend finde, scheint aber durchaus von den jungen Forschern insgesamt für so wichtig erachtet zu werden, dass daraus eine eigene Schwerpunktfrage entstanden ist.

SB: Sie haben selbst viel im Lena-Delta geforscht. Konnten Sie sich dort mit der einheimischen Bevölkerung auch über diese Art von traditionellem Wissen austauschen und ob der Klimawandel beziehungsweise Erscheinungen oder Auswirkungen der globalen Erwärmung von diesen bereits wahrgenommen werden?

AM: In meiner eigenen Forschung habe ich damit nicht so viel zu tun, da das traditionelle Wissen im Lena-Delta selbst keine große Rolle spielt. Dort gibt es kaum Siedlungen. Es gibt vielleicht den einen oder andern Fischer und wenn man dann mit den Leuten privat ins Gespräch kommt, dann kann man natürlich auch einiges hören, was die Fischbestände angeht und als Folge des Wandels interpretiert werden könnte. Aber damit beschäftige ich mich in meinem Bereich der Forschung nicht. Das traditionelle Wissen wird vor allem in Gegenden relevanter, in denen größere Siedlungen sind oder eben die Rentier-Nomaden.

SB: Kommen wir nochmal zurück zur jungen Forschung und den neu festgelegten Schwerpunkten. Zeichnen sie sich schon in den Publikationen ab?

AM: Auf jeden Fall gibt es nun einige Artikel, in denen versucht wird, diese Schwerpunkte in die Strategie mit einzubeziehen. Es gibt auch bereits gemeinsame Projekte, die noch weiterentwickelt werden, in denen wir jetzt als Naturwissenschaftler mit Sozialwissenschaftlern und Anthropologen zusammenarbeiten, so dass wir anthropologische Forschung, die seit Jahrzehnten gemacht wird, mit naturwissenschaftlicher Forschung zusammenbringen. Es gibt beispielsweise ein Projekt vom Kollegen Mathias Ulrich von der Universität Leipzig [2] und Professor Joachim Otto Habeck von der Uni Hamburg [3], also der erste ist Naturwissenschaftler, der zweite Anthropologe, die an einem Thema über Zentral-Jakutien zusammenarbeiten, einer Region mit ausgeprägten Thermokarstlandschaften. Ein Großteil der Siedlungen sind dort an die sogenannten Thermokarst-Senken gebunden, weil diese Weideland für ihre Haustiere bieten. Die Menschen haben zum einen durch ihre Aktivitäten auf die Thermokarstprozesse Einfluss genommen, zum anderen beeinflusst der Klimawandel wiederum die Wasserverfügbarkeit und so weiter.

Da ist es sehr aufschlussreich, zu welchen Ergebnissen man kommt, wenn man die Thermokarst-Entwicklung gewissermaßen nur aus unserer naturwissenschaftlichen Sicht betrachtet, oder zu welchen ganz neuen Erkenntnissen man dann mit Hilfe von Ethnologen oder Soziologen und Interviews kommen kann, mit denen wir sozusagen dieses traditionelle Wissen anzapfen und Informationen darüber bekommen, dass die Entstehung dieser Gebiete kein natürlicher Prozess war, sondern bereits aus Rodungen oder ähnlichen anthropogenen Einflüssen künstlich eingeleitet worden ist. Das könnte man durchaus schon als erste sichtbare Ergebnisse durch diese Schwerpunkte betrachten.


Anne Morgenstern während der Moderation durch die Einführungsveranstaltung der ICOP-Konferenz. - Foto: © 2016 by Schattenblick

Junge Forschung, neue Impulse und lernen von den Erfahrungen der älteren Generation.
Foto: © 2016 by Schattenblick

SB: Der etwas reißerische und von den Medien gern benutzte Begriff 'Zeitbombe' bei Permafrost, soll auf eine russische Studie zurückgehen. Wie ist Ihr Eindruck als Koordinatorin zwischen russischen und deutschen Kollegen, gibt es einen Unterschied in der Auffassung über die potentielle Klimawirksamkeit von auftauendem Permafrost?

AM: Nicht grundsätzlich, würde ich sagen. Es gibt vielleicht verschiedene wissenschaftliche Naturelle, also verschiedene Herangehensweisen, wie man seine Daten aufbereitet und auch in die Öffentlichkeit trägt. Einige machen es laut und provokativ, um die Debatte anzustoßen, die anderen bleiben eher still und argumentativ. Die Arbeit muss deshalb in beiden Fällen nicht weniger fundiert sein, aber sie wird durchaus unterschiedlich kommuniziert. Für die Zusammenarbeit mit Russland, für die ich ja bei uns am Institut zuständig bin, kann ich keine grundsätzlichen Unterschiede in der Einschätzung der Situation erkennen.

SB: Können Sie unseren Eindruck bestätigen, dass die russische Forschung traditionell eine größere Nähe zur Industrie hat und diese auch zu bewahren sucht, während die deutsche Forschung sich dem Forschungsbereich eher mit ökologischen oder Umweltfragen annähert?

AM: Auf jeden Fall. Das liegt aber ganz einfach daran, dass in Russland von jeher so viel Permafrost vorhanden ist und sich die russische Forschung von Anfang an mit diesem Phänomen auseinandersetzen musste, sowohl in der Infrastruktur, der Exploration und allen technischen Anwendungen. Man kam hier einfach nicht umhin, sich mit Permafrost auseinanderzusetzen, sobald man sich in der Region aufhielt. Das spielt ja für uns keine Rolle. Somit interessieren uns dann eher die Auswirkungen, die damit verbunden sind. Das, denke ich, ist der Hauptgrund dafür.

SB: Ist in der deutschen Forschung die Aufmerksamkeit für Permafrostthemen gestiegen, seit man erkannt hat, dass die klimabedingten Tauprozesse eine so starke Auswirkung auf die Umwelt haben?

AM: In der ganzen Welt. Wenn man sich mal die Historie ansieht - das wurde übrigens in einem der Plenarvorträge sehr schön zum Ausdruck gebracht -, dann haben die großen Nationen, die auf Permafrost leben, also Russland, Kanada, USA mit Alaska und natürlich auch China mit dem Tibet-Plateau, mit der Permafrostforschung begonnen. Natürlich waren auch andere Länder immer schon daran interessiert, aber in den letzten Jahren ist die Offenheit für das Thema rapide gestiegen und ich denke schon, dass es auch damit zu tun hat, dass man den Zusammenhang von Klimawandel und tauendem Permafrost erkannt hat, und auch, dass dieses Problem irgendwie alle angeht und eben nicht nur diejenigen, die dort leben.

SB: Wir sitzen hier ja gerade in der "Junior-Meets-Senior-Lounge", also in einer vom PYRN [Permafrost Young Researchers Network] eingerichteten, gemütlichen Ausruh- und Begegnungsecke, wo man Kaffee trinken, diskutieren und seine Laptop-Akkus aufladen kann. Warum hält es die Organisation der jungen, beziehungsweise Early-career-Forscher für erforderlich, eine solche Begegnungsmöglichkeit mit älteren Wissenschaftlern zu schaffen? Sind die Arbeitsbereiche zwischen den jungen und den alten Permafrost-Hasen so weit voneinander getrennt?

AM: Nein, die Arbeitsbereiche sind definitiv nicht weit voneinander getrennt. Die Lounge ist dazu da, dass etablierte Wissenschaftler ihre Erfahrungen an Forscher weitergeben können, die gerade ihre Wissenschaftskarriere starten. Das PYRN, also das Permafrost Young Researchers Network, ist gerade in diesem Hinblick eine absolut erfolgreiche Einrichtung unter Schirmherrschaft der International Permafrost Association (IPA), damit die Nachwuchswissenschaftler schneller im Wissenschaftsbetrieb Fuß fassen können. Wenn man noch jung und unerfahren ist, braucht man einfach etwas Unterstützung. Es ist sehr hilfreich, wenn einem jemand sagt, was wichtig und relevant ist, was man wissen sollte. Ich spreche nicht von dem spezifischen Themengebiet, das man bearbeiten will. Das liest man sich ja an. Aber es gibt auch Leute oder Organisationsstrukturen, die man kennen sollte, Netzwerke oder auch übergeordnete Programme. Ich muss sagen, ich selbst habe davon absolut profitiert. Ich bin gewissermaßen, seitdem es die Organisation gibt, PYRN-Mitglied, und mir hat der Zugang zu Workshops und die Unterstützung für Konferenzen in der Entwicklung meiner Karriere geholfen und dass man, von der eigenen wissenschaftlichen Arbeit abgesehen, über all das wichtige in der Permafrostwelt informiert wird. Das ist für das spätere Fortkommen ausgesprochen nützlich. Auch bei diesem Kongress wurde von Anfang an berücksichtigt, dass auch junge Forscher dabei ihre Erfahrungen machen können, indem beispielsweise bei der Leitung der thematischen Sessions immer ein Jungwissenschaftler im Team ist. Auch umgekehrt ist es - bei aller Erfahrung, die die Senior-Wissenschaftler mitbringen - immer gut, mal jemanden dabei zu haben, der das ganze aus einem anderen, vielleicht jüngeren Blickwinkel betrachtet. Insofern ist dieses Junior-meets-Senior-Konzept des PYRN in beide Richtungen absolut erfolgreich in meinen Augen.


Kaffeetische und Selbstbedienungs-Ausschank boten eine Regenerationszone und Auflademöglichkeit für Rechner und Handys, neben einer Begegnungsecke für junge und alte Permafrosthasen. - Foto: © 2016 by Schattenblick

Die Junior-meets-Senior-Lounge - über 130 Liter Kaffee wurde hier von erfahrenen und jungen Wissenschaftlern geteilt, um den Erfahrungsaustausch zu ölen ...
Foto: © 2016 by Schattenblick

SB: Dr. Morgenstern, vielen Dank für diesen Einblick in Ihre Arbeit


Anmerkungen:


[1] Ein Schattenblick-Interview mit Prof. Guido Grosse finden Sie hier:
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umri0228.html

[2] Mathias Ulrich, Universität Leipzig, Institut für Geographie, Leipzig, stellte auf der ICOP seine Studie "Multi-proxy reconstruction of Holocene thermokarst dynamics in Central Yakutia" vor.

[3] Prof. J. Otto Habeck, Universität Hamburg, Institut für Soziale Anthropologie, hielt u.a. den Plenar-Vortrag: "Livelihoods on Frozen Ground: Why Permafrost Matters to Indigenous Communities in Siberia and Elsewhere".
Während des ICOP leiteten beide gemeinsam die Session 31 "Permafrost in History and Culture".

Bisher im Schattenblick unter INFOPOOL → UMWELT → REPORT zur Permafrostkonferenz in Potsdam erschienen:

INTERVIEW/227: Gitterrost und Permafrost - Zahlenspiele, Umweltziele ...    Prof. Hans-Wolfgang Hubberten im Gespräch (SB)
INTERVIEW/228: Gitterrost und Permafrost - Schrittmacher Menschenhand ...    Prof. Guido Grosse im Gespräch (SB)
INTERVIEW/229: Gitterrost und Permafrost - bedingt prognosesicher ...    Prof. Antoni Lewkowicz im Gespräch (SB)
INTERVIEW/230: Gitterrost und Permafrost - zivile Katastrophen ...    Dr. Tingjun Zhang im Gespräch (SB)

7. Juli 2016


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