Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → TICKER

WALD/007: Hambacher Forst - Bis zum letzten Mann (SB)


Hambacher Forst - 14. November 2012, 13.00 Uhr

Baumbesetzer wegen Unterkühlung im Krankenhaus

Aktionsplakat: Stilisierter Baum mit der Aufschrift 'Hambacher Forst bleibt!' - © www.ausgeco2hlt.de

Aktionsplakat
© www.ausgeco2hlt.de

Nachdem gestern Nacht zunächst für Interessierte und Unterstützer unklar geblieben war, wieviele Menschen bei der Besetzung des Hambacher Forstes von der Polizei noch nicht geräumt wurden und bei beißender Kälte ausharrten, hieß es in einer gegen Mitternacht verbreiteten Meldung [1], daß sich noch zwei Menschen in den Bäumen und weitere zwei in einer Ankettvorrichtung im dreistöckigen Küchenhaus befänden. Die Zahl der im Tunnel ausharrenden Kohlegegner war zu diesem Zeitpunkt unbekannt. Den beiden in den Baumkronen sitzenden Besetzern, die, wie ein Polizeisprecher erklärt hatte, aus Sicherheitsgründen nicht geräumt werden würden, hatte die Polizei das Angebot gemacht, jederzeit herunterkommen zu können, wenn sie nicht mehr könnten.

Allem Anschein haben die Sicherheits- oder vielmehr staatlichen Räumkräfte darauf spekuliert, daß der Beinah-Frost - im Hambacher Forst herrschten in der vergangenen Nacht nur noch 3 Grad - in ihrem Interesse wirken würde. Die beiden Kletterer, die in den Baumkronen geblieben waren, wurden in zweistündlichem Rhythmus von einem polizeilichen Kletterteam sowie, mit Hilfe einer Hebebühne, vom Notarzt des Rhein-Erft-Kreises aufgesucht. Die staatliche Fürsorge ging allerdings nicht soweit, den beiden Decken oder sonstige Dinge zum Wärmen zu bringen. Gegen fünf Uhr sah sich schließlich einer von ihnen wegen der eisigen Kälte gezwungen, herunterzukommen. Er wurde in Gewahrsam genommen.

Dem in den Baumkronen verbliebenen Aktivisten wurden weiterhin Decken verwehrt. Gegen sieben Uhr unternahm die Polizei dann einen Versuch, ihn herunterzuholen. Gegen neun Uhr schließlich gelang es ihr, mit einem Hubwagen so dicht an ihn heranzufahren, daß sie seine Aktion beenden konnte. Zu diesem Zeitpunkt hatte er 24 Stunden buchstäblich in den Bäumen gehangen. Auf der Blogseite "Hambacher Forst" wurde dies folgendermaßen kommentiert [1]:

Die Polizei entschloss sich gegen 23.00 Uhr, keine Bergung dieser beider mehr vorzunehmen - aus Sicherheitsgründen. Jedoch entschlossen sie sich auch dazu, den Besetzern keine warmen Decken zu reichen und selbst für eine Wasserversorgung musste hart gekämpft werden. Da sieht man mal, mit welcher Art Räumung man es hier zu tun hat!

Der zuletzt geräumte Baum-Aktivist wurde wegen Unterkühlung in ein Krankenhaus gebracht. Bereits gegen Mitternacht war der letzte Aktivist, der sich an einem großen Betonblock im Küchengebäude festgekettet hatte, von der Polizei "befreit" worden. Zu diesem Zeitpunkt war bekannt geworden, daß sich nur noch ein Mann in dem Tunnel befindet. Gegen fünf Uhr hieß es, es gehe ihm gut und er wolle noch weitere 24 Stunden dort bleiben. Eine Vertrauensperson durfte stündlich mit ihm kommunizieren. Die Polizei kommunizierte ebenfalls mit ihm. Wie gegen sieben Uhr vermeldet wurde, habe sie ihm das Angebot gemacht, freiwillig den Tunnel zu verlassen, andernfalls würde sie den Bagger einsetzen, was, wie die Unterstützer erläuterten, lebensgefährlich für ihn werden könne [1].

Einen ersten Bergungsversuch unternahm schließlich die Feuerwehr, die, mit Sauerstofflaschen ausgerüstet, in den Tunnel vorzudringen versuchte. Da die Beamten den Gang mit den Händen freischaufeln müssen, würde sich diese Aktion noch über längere Zeit hinziehen. Für die polizeilichen Räumungsteams stellt dieser Aktivist nach Einschätzung der Aktivisten ein noch ungelöstes Problem dar.

Den Braunkohle-Abbau-Gegnern, die ihren Protest im Hambacher Forst durch diese Blockadeaktionen deutlich gemacht hatten und schließlich festgenommen worden waren, sehen sich nun mit massivsten Straftatsvorwürfen konfrontiert. Ihnen soll auf dem Polizeirevier vorgehalten worden sein, 70 bis 100 Straftaten begangen zu haben - allesamt im Zusammenhang mit der Besetzung. "Das ist so, als wenn Sie alle Menschen in einem Stadtviertel festnehmen und sie für alle Straftaten des vergangenen Jahres verdächtigen", hieß es dazu beim "Hambacher Forst" [1]. Ein Polizeibeamter auf der Wache habe aber auch zugegeben, daß das "ein eher schwaches Indiz ist". Zu den Gründen für dieses polizeiliche Vorgehen vermuteten die Aktivisten [1]:

Der Polizei ist schon klar, dass sie keine Beweise für die angeblichen Straftaten finden wird. Ihnen geht es ja aber auch um etwas anderes. Nämlich darum, dass in jedem Bericht über die Räumung nun diese willkürliche Zahl (mal werden "Mitte 80, mal 100 genannt) der Straftaten, die von dem Camp ausgegangen sein sollen, als Rechtfertigung für die Räumung genannt werden.

Gegen 14 Uhr wurden die Räumungsversuche im Tunnel wieder aufgegriffen. Diesmal wird von oben mit Spaten gebuddelt, was für den Aktivisten, sollte die Stabilität des Tunnels gefährdet werden, nicht minder bedrohlich ist. Zwei Feuerwehr- oder Polizeibeamte sollen in den Tunnel vorgedrungen und dort auf ein verzweigtes Tunnelsystem gestoßen sein, weshalb sie nicht gewußt hätten, in welche Richtung sie sich weiter vorarbeiten sollten. Da sie sind nicht in der Lage waren, den Eingeschlossenen zu orten, kehrten sie an die Oberfläche zurück.

Das gesamte Camp wurde inzwischen umzäunt, um immer noch sollen sich sehr viele Polizeibeamte in dem Wald befinden. Offensichtlich ist der Staatsmacht kein Aufwand zu groß, um den letzten Waldbesetzer zur Aufgabe zu bewegen oder seinen Protest auf andere Weise zu beenden.

Im Vordergrund Wald, im Hintergrund Braunkohletagebau mit Fördergerätschaften - Foto: Johannes Fasolt, gemeinfrei [1]

Braunkohletagebau Hambach (bei Köln), 6. August 2006
Foto: Johannes Fasolt, gemeinfrei [1]


Fußnoten:
[1] Quelle: Meldungen vom 14.11.2012, 9.00-13.00 Uhr
Hambacher Forst
E-Mail: hambacherforst@riseup.net
Internet: http://hambacherforst.blogsport.de/kontakt/

[2] Bildquelle:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/0/06/Surface_Mining_Hambach_200800806.jpg/120px- Surface_Mining_Hambach_200800806.jpg


14. November 2012