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DEBATTE/006: Disput um den Film "Water makes Money" (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 956 vom 4. Oktober 2010 - 29. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Disput um "Water makes Money"


Quer durch die europäische attac-Szene wurde am 23.09.2010 der Film "Water makes Money" aufgeführt. Der Film beschäftigt sich mit den tatsächlichen oder auch nur vermeintlichen Machenschaften der beiden französischen Wassergiganten VEOLIA und SUEZ. VertreterInnen des angegriffenen VEOLIA-Konzerns waren allerdings auf keiner der zahlreichen Premierenveranstaltungen auf den Diskussionspodien zugegen. In Freiburg hat auf unsere Initiative hin erstmals ein Vertreter von VEOLIA am 1. Okt. 2010 Stellung zu dem Film bezogen. Nach der von rund 100 Menschen besuchten Filmvorführung diskutierten MATTHIAS KOLBECK, Pressesprecher der Berliner Zentrale der VEOLIA WASSER DEUTSCHLAND GMBH, und JÜRGEN BOLDER, Leiter des Eigenbetriebes Stadtentwässerung der Stadt Freiburg und Vizepräsident der Allianz öffentliche Wasserwirtschaft (AöW). Mehr zur Debatte und zur Resonanz des Publikums auf den Film in den nachfolgenden Notizen.


Die Vorwürfe gegen VEOLIA: Schnee von gestern?

Die Filmemacher würden das Klischee verbreiten, dass private Wasser- und Abwasserdienstleister durch Korruption, Preistreiberei, schlechte Umweltperformance und Substanzverzehr gekennzeichnet seien. KOLBECK stufte viele der im Film erhobenen Vorwürfe als Schnee von Gestern ein. Die geschilderten Korruptionsfälle würden aus den 80er Jahren datieren. Seit 1993 hätte es keinen strafrechtlich relevanten Korruptionsfall mehr in Frankreichs Wasserwirtschaft gegeben. Auch die im Film monierten "Eintrittsgelder" würden inzwischen nicht mehr bezahlt, da sie in Frankreich längst verboten seien. Mit den "Eintrittsgeldern" hatten die Vorgängerfirmen von VEOLIA und SUEZ die Konzessionen für die Wasserver- und Abwasserentsorgung der französischen Kommunen erworben. Im Übrigen seien die "Eintrittsgelder" von VEOLIA nicht angeboten, sondern von den Kommunen aggressiv eingefordert worden, betonte der VEOLIA-Sprecher. (Mehr zum Geschäftsgebaren der franz. Wassermultis bis zum Jahr 2000 auf der AK Wasser-Homepage Themen Politik/International; bis zum Jahr 2003 s. RUNDBR. 702/1-3).

Dass Wasserleitungen und Kanalisationen von den privaten Wassermultis auf Verschleiß gefahren würden, sei eine weitere in dem Film verbreitete Mär. Das von VEOLIA betriebene Wasserversorgungsnetz in Paris sei am Ende der Konzessionslaufzeit "so gut wie noch nie in seiner ganzen Geschichte" gewesen. Und im Hinblick auf die deutschen VEOLIA-Niederlassungen unterstrich KOLBECK: "Es gab keinen Fall von Qualitätsmängeln in von VEOLIA betriebenen Rohrnetzen, es gibt keine Qualitätsmängel und es wird keine Qualitätsmängel geben!"


Brüssel selbst schuld am Abstellen der VEOLIA-Kläranlage?

Auch die im Film äußerst einseitig dargestellte Affäre um das Abstellen der Brüsseler Kläranlage (s. RUNDBR. 950/1-2) habe zwei Seiten: Die in Brüssel für die Kläranlage zuständige VEOLIA-Tochter habe sich bei der Dimensionierung der Kläranlage an den Ausschreibungstext der Kommune gehalten. Als offensichtlich wurde, dass nicht nur durch Sand und Kies, sondern auch durch Bauschutt im Kläranla-genzulauf der Kläranlagenbetrieb immer stärker gefährdet worden sei, habe man in unzähligen Gesprächen und Schreiben an die für den Kanalbetrieb zuständige Kommune um ein Abstellen der Mängel gebeten. Leider habe die Kommune nichts unternommen, um die rechtswidrige Verklappung von allem möglichen Dreck in die Kanalisation zu unterbinden. Um die Zulaufbauwerke der Kläranlage zu schützen, sei der Brüsseler VEOLIA-Tochter am Ende gar nichts anderes übrig geblieben als die Kläranlage auf fast Null zu fahren.


"Die Filmemacher haben eine Mission!"

KOLBECK unterstellte den FilmemacherInnen, dass sie in keinster Weise an einem objektiven Dokumentarfilm interessiert gewesen seien. LESLIE FRANKE und HERDOLOR LORENZ sei es von Anfang nur darum gegangen, VEOLIA zu diskreditieren. Dies sei schon am Vorgängerfilm "Wasser unter dem Hammer" mehr als deutlich geworden. Die mangelnde Objektivität der FilmemacherInnen sei auch der Grund gewesen, warum sich VEOLIA einer Kooperation mit den FilmemacherInnen verweigert habe: "Wir wären das Objekt einer filmischen Anklage geworden." Die Rolle des "bad boys" hat der weltweit operierende Wassermulti jetzt aber in "Water makes Money" auch ohne sein aktives Mitwirken übernehmen müssen. Am Schluss der Veranstaltung wurden die Filmemacher aus Hamburg zu einem Schlussstatement über Skype eingespielt. LESLIE FRANKE und HERDOLOR LORENZ drückten nochmals ihr Bedauern aus, dass es nicht gelungen sei, VEOLIA zu einer Mitwirkung an dem Filmprojekt zu gewinnen: "Für eine Zusammenarbeit haben wir VEOLIA geradezu angefleht!"


"Institutionalisierte Korruption" oder "gesellschaftliche Verantwortung"

Die Freiburger Debatte um den Film "Water makes Money" spitzte sich zu, als JÜRGEN BOLDER von der AöW den privaten Wasserkonzernen einerseits attestierte, dass direkte Korruption inzwischen wohl eher selten sei, dass die Konzerne aber andererseits eine "institutionalisierte Korruption" praktizieren würden - und zwar dadurch, dass sie in ihren Standort-Kommunen einen nicht unbedeutenden Teil des gesellschaftlichen Lebens bezuschussen würden - vom Stadttheater über die Sportvereine bis hin zu Umweltverbänden. Diese Version der politischen "Landschaftspflege" würde die gesamte Kommune in ein schleichendes Abhängigkeitsverhältnis bringen. Der VEOLIA-Pressesprecher wies diesen Vorwurf entschieden zurück. Die finanzielle Förderung von gesellschaftlichen Aktivitäten wäre Ausdruck der "gesellschaftlichen Verantwortung", zu der sich VEOLIA bekenne. KOLBECK stellte die rhetorische Frage, ob VEOLIA nach Ansicht der AöW beispielsweise die Förderung sozialer Einrichtungen einstellen solle? Der VEOLIA-Sprecher unterstrich in diesem Zusammenhang auch das Bekenntnis von VEOLIA zur Nachhaltigkeit. Dies dokumentiere sich beispielsweise darin, dass der Konzern inzwischen in den wichtigsten grünen Nachhaltigkeitsfonds gelistet sei. Und diese Fonds würden sich sehr genau anschauen, ob VEOLIA tatsächlich "nachhaltig wirtschafte". Dass VEOLIA "nachhaltig wirtschafte" sei ja durchaus möglich, antwortete der AöW-Sprecher: "Aber nachhaltiges Wirtschaften und nachhaltige Wasserwirtschaft ist durchaus nicht das Gleiche!" BOLDER drückte damit seine Zweifel aus, ob das nachhaltige Wirtschaften von VEOLIA tatsächlich auch einen langfristigen Substanzerhalt zum Gegenstand habe. Schließlich seien Wasserversorgung und Abwasserentsorgung eine äußerst langfristig angelegte Generationenaufgabe. Auch wenn VEOLIA bemüht sei, sich dem Quartalsdenken der "Analysten" zu entziehen, sei der langfristige Substanzerhalt in einem kommunalen Unternehmen im Schnitt besser gewährleistet als in einem Unternehmen, dass seine Renditeausrichtung jeden Tag an der Börse unter Beweis stellen müsse.


Wer ist der Böse? Wer ist der Gute?

Für fragende Gesichter und Irritationen im Publikum der Freiburger Diskussionsveranstaltung sorgte zunächst das Outfit der beiden Kontrahenten. Während der VEOLIA-Pressesprecher leger im Pullover daherkam, trat der Vertreter der Allianz öffentliche Wasserwirtschaft im Anzug auf. Nach der Vorstellung der beiden Diskutanten durch den Moderator und erst recht nach den Redebeiträgen war allerdings die Rollenverteilung klar. "Der versucht wie ein Politiker das Schlechte gut zu reden", meinte einer der Diskussionsbeobachter. Vor allem die Privatisierung der Stadtentwässerung in Braunschweig gab vielen TeilnehmerInnen der Diskussionsveranstaltung zu denken. Im Film meint der Oberbürgermeister von Braunschweig, dass die hochkomplexen Verträge mit Veolia weder von der Öffentlichkeit noch von den Gemeinderäten verstanden worden seien. Dabei macht der OB jedoch den Eindruck, dass auch ihm selbst der Durchblick durch das Vertragswerk fehlt. Die Interview-Ausschnitte mit dem Braunschweiger OB gehören zu den Highlights des Films. Verträge, die nur spezialisierte Anwälte noch halbwegs verstehen, seien einfach mit der im Wasser- und Abwasserbereich notwendigen Transparenz unverträglich - so die Meinung vieler, die wir nach der Veranstaltung nach ihrem Eindruck befragt hatten. Andere bemängelten allerdings auch unnötige Längen in dem Film. Beispielsweise bleibt unklar, was die ausführlich dargestellte Algenpest an der bretonischen Küste mit den französischen Wassermultis zu tun hat - zumal die Wasserkonzerne die französische Regierung wegen des mangelnden Grundwasserschutzes in der Bretagne verklagt haben (s. RUNDBR. 702/2, 408/4, 379/4), was allerdings in dem Film nicht erwähnt wird.


Wo gibt es den Film?

Alle Infos zu dem Film "Water makes Money" (Untertitel: "Wie private Konzern aus Wasser Geld machen") gibt es auf der Homepage www.watermakesmoney.com/de

Dort ist auch ein Trailer zum Film zu sehen. DVDs von "Water Makes Money" für den privaten Gebrauch (d. h. ohne Vorführlizenz) können zum Preis von 18,50 (inkl. MwSt) zuzüglich Versandkosten unter bestellung@kernfilm.de bestellt werden.

Das Kampagnenteam "Water Makes Money" ist zu erreichen unter:
Handy: 0176 42021165
(Mi, Do, Fr von 10-18 Uhr)
E-Mail: filmverleih@watermakesmoney.org

Wer wissen will, warum man bei VEOLIA ironisch kolportiert
"Glauben Sie diesem Film kein Wort!", kann sich wenden an:

Veolia Wasser GmbH
Herrn Matthias Kolbeck - Pressesprecher
Unter den Linden 21
10117 Berlin
Tel.: 030 - 206 29 56 - 73; Fax: - 31
E-Mail: mkolbeck@veoliawasser.de


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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 956/2010
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU),
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Tel.: 0761/275693; 45687153
E-Mail: nik@akwasser.de
Internet: http://www.akwasser.de

Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF kann abonniert werden durch Voreinzahlung
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. November 2010