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GEFAHR/125: Wenn den Fischen bei "Fünf-Zwölftel-MNQ" die Puste ausgeht (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1012, vom 01. April 2013, 32. Jahrgang

Wenn den Fischen bei "Fünf-Zwölftel-MNQ" die Puste ausgeht



Für aquatische Naturschützer und für Fischereiverbände ist es ein ständiges Ärgernis, dass bei Wasserkraftanlagen oft nur eine kümmerliche Mindestwassermenge in den Ausleitungsstrecken verbleibt. Die behördliche Festsetzung der viel zu geringen Mindestwassermengen erfolgt nach den Vorgaben der länderspezifischen "Restwasserleitfäden". So gehen beispielsweise die Restwasserleitfäden in Sachsen und Baden-Württemberg davon aus, dass ein Drittel des Mittleren Niedrigwasserabflusses (1/3 MNQ) in der Ausleitungsstrecke unterhalb der Wehranlage zu verbleiben hat. Der bayerische Leitfaden setzt für den Regelfall eine Mindestwassermenge von 5/12 MNQ fest. Um Fischen und Kleinkrabbeltieren (Makrobenthosfauna) in den Ausleitungsstrecken das Überleben zu sichern, wäre nach Einschätzung der Fischereifachberatung und aller Fischereibewirtschafter zumindest der volle Mittlere Niedrigwasserabfluss (MNQ) von Nöten - und selbst der MNQ sei schon als "Katastrophenfall für ein Gewässer und damit für die Fische, Fischnährtiere und die Gewässerflora" zu bewerten. Für Bayern komme die Vorgabe von nur 5/12 MNQ dem Niedrigsten Niedrigwasserabfluss (NNQ) - also dem niedrigsten Wasserstand seit 1931 - gleich: "Damit ist kein Gewässer lebensfähig und dies kann auch keine Dauerregelung sein", heißt es in einem Schreiben des Fischereivereins Berchtesgaden-Königssee e.V. an das Bayerische Umweltministerium.

In dem Schreiben wird zudem darauf hingewiesen, dass die unzureichende Mindestwasserregelung insbesondere "in der Zeit von Oktober bis März" die Fischpopulationen schädigt, da in diesen Zeitraum die Laichzeit der Forellen falle. Gewässerschützer in Sachsen machen am Beispiel der Flöha - einem Fließgewässer im Erzgebirge - eine ähnliche Rechnung auf: Der Mittlere Niedrigwasserabfluss (MNQ) werde an nur 20 Tagen im Jahr erreicht oder unterschritten. Ein Drittel des Mittleren Niedrigwasserabflusses werde in den meisten Jahren überhaupt nicht erreicht oder unterschritten. Trotzdem wird es nach den Vorgaben des Restwasserleitfadens als tolerabel erachtet, dass sich an allen Tagen im Jahr die Ausleitungsstrecken an der Flöha mit dieser mickrigen Mindestwassermenge begnügen müssten. Durch die Vielzahl der Ausleitungsstrecken mit einer unzureichenden Mindestwasserführung habe sich der gewässerökologische Zustand der Flöha durch den Zubau von Kleinwasserkraftanlagen in der Nachwendezeit "extrem verschlechtert". Die Flöha als "einer der schönsten Flüsse des Erzgebirges" sei dadurch völlig verhunzt worden.


Anpassung der Restwasserleitfäden an die Wasserrahmenrichtlinie!

Die Fischereivereine sehen in den ungenügenden Restwassermengen einen Verstoß gegen die Vorgaben der EG-Wasserrahmenrichtlinie, da mit 1/3 MNQ bzw. mit 5/12 MNQ der von der Richtlinie geforderte "gute ökologische Zustand" in den Fließgewässern nicht erreicht werden könne. Da die Restwasserleitfäden Ende der 90er Jahre - also vor Verabschiedung der Wasserrahmenrichtlinie im Dez. 2000 - erlassen worden seien, müssten die antiquierten Leitfäden dringend aktualisiert werden. Mit Schreiben vom 12.02.2013 hat das Münchener Umweltministerium auf diese Beschwerde u.a. geantwortet, dass bis zur Veröffentlichung eines überarbeiteten Restwasserleitfadens der Restwasserleitfaden von 1999 zur Beurteilung der ausreichenden Restwassermenge weiterhin herangezogen werden könne. Allerdings sei jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob mit der 5/12 MNQ-Regelung die Ziele nach Wasserrahmenrichtlinie erreicht werden könnten. Dabei müsse der "Qualitätskomponente Fischfauna" besondere Beachtung geschenkt werden. Falls sich im Hinblick auf die Wasserrahmenrichtlinie herausstellen sollte, dass eine Mindestwasserführung von 5/12 MNQ nicht ausreichend sei, müsse die zusätzlich benötigte Wassermenge ermittelt werden (siehe den Wortlaut des Ministeriumsschreiben im rechts nebenstehenden Kasten).

Weitere Auskunft
zur Restwasserpositionierung des Ministeriums bei
Frau Dr. Bettina Haas
Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit
Referat 53
"Nationales und Internationales Flussgebietsmanagement"
Rosenkavalierplatz 2, 81925 München, Tel: 089 9214-4328
E-Mail: bettina.haas[at]stmug.bayern.de


Wasserkraftdisput in Bayern: FDP & SPD in ungewohnter Koalition

Das FDP-geführte Wirtschaftsministerium in München und die dortige SPD sind einer Meinung, wenn es um den Ausbau der Wasserkraft geht. Sowohl Wirtschaftsminister MARTIN ZEIL (FDP) als auch die in München opponierende SPD wollen möglichst schnell den großen Sprung nach vorn. Um die "sichere und klimaschonende Energieversorgung des Freistaates Bayern" zu garantieren, müsse die Wasserkraftnutzung ganz schnell und ganz massiv vorangetrieben werden. Sprachrohr der Wasserkraftfreunde in der bayerischen SPD ist der Bundestags-abgeordnete LUDWIG WÖRNER. Die ungewohnte Einigkeit zwischen FDP-Wirtschaftsministerium und SPD-Opposition lässt die aquatischen Umwelt- und Naturschützer beim Bund Naturschutz bereits lästern, dass die SPD jetzt endlich in der Energiewende den "Schulterschluss" mit der FDP geschafft habe. Dass die "ach so liberale" FDP auf der einen Seite das EEG abschaffen wolle, um den Erfolg der Erneuerbaren zu stoppen, aber bei der "Subventionierung" der Wasserkraft genau das Gegenteil fordere, hätten die "politischen Strategen der SPD" noch gar nicht erkannt, heißt es beim BUND. Im Vergleich zu den Wasserkraftenthusiasten in FDP und SPD argumentiert der bayerische CSU-Umweltminister inzwischen deutlich vorsichtiger. Ursprünglich war MARCEL HUBER ebenfalls mit dem Ziel angetreten, die Wasserkraft in Bayern massiv nach vorn zu bringen. Inzwischen unterstützt HUBER einen maßvollen Ausbau der Wasserkraft - "aber nicht um jeden Preis". Der Ausbau müsse umweltverträglich "und im gesamtgesellschaftlichen Konsens" erfolgen, wird der Umweltminister in der MITTELBAYERISCHEN ZEITUNG am 13.03.13 zitiert. Da ein Konsens mit den Umwelt- und Naturschutzverbänden nicht zu erreichen war, hat HUBER die Veröffentlichung eines Wasserkrafterlasses vorläufig zurückgestellt, was wiederum ZEIL und WÖRNER erboste. Ebenso wie WÖRNER (MdB) erwartet Wirtschaftsminister ZEIL von seinem Kabinettskollegen, dass HUBER den Wasserkrafterlass sofort veröffentlichungsreif mache, um den stagnierenden Wasserkraftausbau in Bayern "spürbar voranzubringen".

Notwendige Wassertiefen & Fließgeschwindigkeiten in der Ausleitungsstrecke gewährleisten!

In dem Schreiben des Bayerischen Umweltministeriums heißt es u.a.:
"Eine Fortschreibung des Bayerischen Restwasserleitfadens von 1999 ist angezeigt und bereits angestoßen. Jedoch wird die Fertigstellung noch einige Zeit in Anspruch nehmen, da sowohl die Anliegen der Erneuerbaren Energien als auch der Ökologie in Einklang zu bringen sind. Bis dahin sind bei der (Neu-)Festlegung von Mindestwassermengen folgende grundsätzliche Aussagen zu beachten:
§ 33 WHG enthält eine eigenständige, rechtlich abschließende Regelung für die Bestimmung der Mindestwasserführung [siehe RUNDBR. 975/2, 930/1-2].
Der erforderliche Mindestwasserabfluss richtet sich stets nach den Gegebenheiten vor Ort, insbesondere nach der hydrologischen Situation und den ökologischen Erfordernissen, und ist für den Einzelfall festzulegen.
Der bayerische Restwasserleitfaden von 1999 ist nicht mehr uneingeschränkt anwendbar, da die Bewirtschaftungsziele nach der Wasserrahmenrichtlinie darin noch nicht berücksichtigt sind. Eine pauschale Übernahme der sich aus der Anwendung des Restwasserleitfadens ergebenden Mindestwasserabflüsse ist deshalb nicht möglich.

Bis zur Veröffentlichung eines überarbeiteten Restwasserleitfadens kann der Restwasserleitfaden von 1999 zur Beurteilung der ausreichenden Restwassermenge mit nachfolgender Einschränkung herangezogen werden:
Bei dem nach Restwasserleitfaden ermittelten Restwasservorschlag QRE ist zu prüfen, ob damit die Ziele nach Wasserrahmenrichtlinie zu erreichen sind (besondere Beachtung muss die Qualitätskomponente Fischfauna finden). Ist dies nicht der Fall, ist die zusätzlich benötigte Wassermenge zu ermitteln. Orientierung hierfür können die LAWA-Empfehlungen zur Ermittlung von Mindestwasserabflüssen in Ausleitungsstrecken von Wasserkraftanlagen aus dem Jahr 2001 geben, insbesondere die dortigen Angaben zu ausreichenden Wassertiefen und Fließgeschwindigkeiten, um die Durchgängigkeit in der Restwasserstrecke auch für die potentiell natürliche Fischpopulation zu gewährleisten." [LAWA = Länderarbeitsgemeinschaft Wasser; Anm. BBU].

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1012
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU),
Rennerstr. 10, 79106 Freiburg i. Br.
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. April 2013