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INITIATIVE/115: Aktuelles zum Berliner Wasser-Volksbegehren (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 154 - Februar/März 2010
Die Berliner Umweltzeitung

Mogelpackung oder Alternative?
Aktuelles zum Volksbegehren: "Schluss mit Geheimverträgen - Wir Berliner wollen unser Wasser zurück"

Von Thomas Rudek


Geheimverträge, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, Gewinngarantien, hohe Wasserpreise - das sind jene Begriffe, mit denen 1999 der "Deal" der größten Teilprivatisierung innerhalb der EU unter "Dach und Fach" gebracht wurde: 49.9 Prozent der Berliner Wasserbetriebe wurden an die Konzerne RWE Aqua und Veolia Wasser verkauft. Die Bilanz kennen wir alle: Im internationalen Städtevergleich die höchsten Wasserpreise, Arbeitsplätze wurden abgebaut, Investitionen abgesenkt und jüngst wurden drei Wasserwerke geschlossen, mit der Folge, dass Berlin etwa 30 Quadratkilometer Trinkwasserschutzgebiete verliert.

Die Bürgerinitiative "Berliner Wassertisch" startete gemeinsam mit der GRÜNEN LIGA Berlin und vielen anderen Organisationen sowie Helfer/-innen 2007/08 ein Volksbegehren zur Offenlegung von Geheimverträgen. Für die Zulassung des Volksbegehrens wurden fast 40.000 Unterschriften gesammelt.

Im Oktober 2009 entschied der Berliner Verfassungsgerichtshof, dass das Volksbegehren zugelassen werden muss (siehe RABE RALF Dezember 09/Januar 10, Seite 3).(*)

Aktuell befindet sich der Gesetzentwurf des Volksbegehrens in der parlamentarischen Beratungsphase. Wenn das Abgeordnetenhaus das Gesetz nicht übernimmt, beginnt die zweite Phase des Volksbegehrens.


Dazu ein Gespräch des RABEN RALF mit Thomas Rudek vom Berliner Wassertisch, dem Sprecher des Volksbegehrens "Unser Wasser".

Das Volksbegehren scheint in der Politik einige Aktivitäten auszulösen. Der Senat will die Verträge neu verhandeln und auf der Sitzung des Abgeordnetenhauses am 28. Januar haben die grüne Fraktion und die Regierungsfraktionen zwei Gesetzentwürfe zur Novellierung des Informationsfreiheitsgesetzes eingebracht, in denen sogar zukünftig alle Verträge der öffentlichen Daseinsvorsorge offen gelegt werden sollen. Wie sind diese Aktivitäten zu beurteilen?

Bei all den Aktivitäten ist vor allem interessant, was NICHT passiert. Unser Gesetzestext wird nicht aufgegriffen, obwohl wir ihn überarbeitet und einige Anregungen aufgegriffen haben. Statt sich in einem ersten Schritt auf die Teilprivatisierung der Wasserbetriebe zu konzentrieren, wird das Informationsfreiheitsgesetz auf eine Weise novelliert, die nicht überzeugen kann. Den Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen wird immer noch ein hoher Stellenwert eingeräumt. Insbesondere der Entwurf der Regierungsfraktionen (SPD, Linkspartei) führt defi nitiv nicht dazu, dass die Verträge, die im Zusammenhang mit der Teilprivatisierung abgeschlossen worden sind, vollständig veröffentlicht werden.

Also nichts als heiße Luft, eine Art Ablenkungsmanöver?

Ein Ablenkungsmanöver, das die Bevölkerung für dumm verkauft. Damit jeder sich selbst sein Urteil bilden kann, haben wir uns die Mühe gemacht, auf unserer Internetseite alle Gesetzentwürfe in eine Tabelle zum Vergleich nebeneinander zu stellen. Denn was gilt, sind nicht die Sprechblasen der Politiker in den Medien, sondern was letztendlich entscheidend ist, dass ist der Buchstabe des Gesetzes.

Und was ist von dem Vorhaben des Senats, die Verträge neu zu verhandeln, zu halten?

Das ist kein Ablenkungsmanöver, sondern ein Täuschungsmanöver. Viele wissen nicht, dass der umstrittene geheime Konsortialvertrag von 1999 bereits mindestens fünfmal nachverhandelt wurde. Das Resultat waren stets Änderungsvereinbarungen. Alle Änderungsvereinbarungen dienten nur einem Zweck: Die profi torientierten Rahmenbedingungen zugunsten der Konzerne zu verbessern. Beispielsweise wurde in der fünften Änderungsvereinbarung unter Verantwortung des Wirtschaftssenators Harald Wolf (Linkspartei) die Abschreibungsmethode verändert, mit der Folge, dass die Berliner Wasserbetriebe jedes Jahr in der Bilanz etwa 40 Millionen Euro mehr an Wertsteigerungen verbuchen können. Wenn jetzt der Vertrag erneut hinter verschlossenen Türen verhandelt wird, warum sollte jetzt etwas Besseres für die Berliner herauskommen? Ich bin überzeugt: Mit der Neu-Verhandlung der Verträge soll die Bevölkerung für dumm verkauft werden. Es werden dort wieder betriebswirtschaftlichspitzfindige Experten komplizierte Konstruktionen entwickeln, die wir teuer bezahlen müssen.

Das bedeutet, alles läuft auf die zweite Stufe des Volksbegehrens hinaus. Wann geht es los?

Es gibt gute Gründe für einen späten Start, also Anfang Juni mit dem Sammeln der Unterschriften zu beginnen. Das hätte den Vorteil, dass wir uns besser vorbereiten können und wir mit der dritten Stufe des Volksbegehrens in das Wahljahr 2011 kommen.

170.000 Unterschriften in vier Monaten zu sammeln - ist das zu schaffen?

Niemand leugnet, dass dies eine Kraftanstrengung ist. Umgekehrt hat einer unserer Aktiven, Jean-Theo, Schauspieler der Berliner Compagnie, ganz pragmatisch gerechnet: Wenn wir 100 aktive Sammler/-innen gewinnen können, dann reicht es aus, wenn jeder Einzelne pro Woche 110 Unterschriften zusammen bekommt. Darum suchen wir neben Geld-Spenden auch Zeit-Spenden, also Menschen, die in der Woche ein paar Stunden Zeit erübrigen können, um beim Unterschriften-Sammeln mitzumachen. Wer mitmachen möchte, ruft einfach unseren Sammel-Organisator Michel Tschuschke an (Tel.: 7845941 oder 0163/ 6648739).

Wenn dann auch noch neben dem Sammeln auf der Straße auch kleine wie größere Organisationen vom Bio-Laden, über die Arzt-Praxis, den Mieterladen, bis hin zu Schulen etc. mitmachen und von der Sinnhaftigkeit sowie Notwendigkeit unseres Gesetzes überzeugt sind, werden wir die zweite Stufe des Volksbegehrens gewinnen. Und, wenn publik wird, wie der Senat mit privaten Konzernen Verträge zu Lasten Dritter abschließt, werden sich die Verantwortlichen warm anziehen müssen, denn dann geht es ans Eingemachte.

Herzlichen Dank für dieses aufschlussreiche Gespräch.


Aktuelle Informationen, wann es genau los geht, sowie den Spenden-Aufruf, finden Interessierte im Internet. www.berliner-wassertisch.net

Thomas Rudek
Sprecher des Volksbegehrens "Unser Wasser"
Tel. 030/261 33 89 ThRudek@gmx.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
- Volksbegehren - Übergabe U-Listen 1.2.08
- Keine Wasser-Geheimverträge

(*) Anmerkung der SB-Redaktion:
s. www.schattenblick.de → Infopool → Umwelt → Wasser
RECHT/038: Berliner Wasser - Verfassungsgerichtshof entscheidet über Volksbegehren (GRÜNE LIGA)
INITIATIVE/114: Interview - Berliner Volksbegehren "Unser Wasser" zulässig (DER RABE RALF)


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Quelle:
DER RABE RALF - 21. Jahrgang, Nr. 154, Februar/März 2010, S. 8
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. März 2010