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MASSNAHMEN/195: Neue ISO-Norm zum Management der Trinkwassernetze (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1066, vom 22. Juli 2015, 34. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Neue ISO-Norm zum Management der Trinkwassernetze in der Mache


Wasserversorger sollen beim Betrieb und bei der Instandhaltung ihrer Trinkwassernetze auch den Umweltschutz beachten. Das fordert eine neue Norm, die derzeit bei der Internationalen Standardisierungsorganisation (ISO) in der Abstimmung ist. Der Entwurf der ISO 24516 ("Leitlinien für das Management von Anlagen von Wasserversorgungs- und Abwassersystemen - Teil 1: Trinkwassernetze") stellt in der Einleitung zunächst fest, dass die milliardenschwere Infrastruktur der Wasserverteilung als "eine bedeutende gesellschaftliche Investition" zu betrachten sei, die auch einen Beitrag "zur öffentlichen Gesundheit" und zum "Umweltschutz" leiste. Ferner wird postuliert, dass der Zustand der Wasserverteilungssysteme u.a. deren Umweltverträglichkeit beeinflusse. Im Kapitel über die grundsätzlichen Aspekte des Managements von Wasserverteilungsnetzen heißt es u.a., dass der Betrieb von Trinkwasserversorgungssystemen auch dem "Schutz der Umwelt" zu dienen habe. Als ein Ziel der Trinkwasserverteilung wird im Kapitel 4.2 u.a. gefordert, dass der Wasserversorger für sich selbst Anforderungen formulieren sollte, die "unter Berücksichtigung einer nachhaltigen Entwicklung und der Lebenszykluskosten" der Komponenten des Rohrleitungssystems sicherstellen, "dass die Wasserversorgung keine inakzeptable Gefährdung der Umwelt, der öffentlichen Gesundheit oder der Mitarbeiter verursacht".

Dazu solle lt. Kap. 4.4 im Rahmen der strategischen Planung das zulässige bzw. erforderliche Niveau im Hinblick auf folgende Aspekte festgelegt werden:
- öffentliche Sicherheit,
- Schutz der öffentlichen Gesundheit,
- Umweltschutz,
- Kundenzufriedenheit,
- Zuverlässigkeitsanforderungen und
- Arbeitssicherheit.

Im Kapitel 9 wird in Hinblick auf "Instandhaltung und Betrieb" erneut gefordert, dass dabei nicht nur Sicherheit und Wirtschaftlichkeit, sondern auch die Umweltverträglichkeit zu beachten sei (siehe Kasten).


ISO 24516: "Sicherstellung der Umweltverträglichkeit aller Maßnahmen & Tätigkeiten"

Im informativen Anhang A zur ISO 24516 wird noch ein Mal detaillierter erklärt, welche Ziele [man] beim Management von Trinkwasserversorgungsnetzen zu beachten hat:

  • Minimierung von Umweltbeeinträchtigung;
  • Vermeidung von nachteiligen Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit;
  • Vermeidung von Beeinträchtigungen der Wasserqualität;
  • Reduzierung oder Niedrighaltung von Wasserverlusten;
  • Stabilisierung des Druckniveaus;
  • Minimierung von Versorgungsunterbrechungen, insbesondere von solchen, die als Folge von Rohrschäden auftreten;
  • Beseitigung von Schäden und Mängel innerhalb einer angemessenen Frist;
  • Optimierung der Nutzungsdauer bestehender Verteilsysteme und gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Versorgungsqualität;
  • Erhaltung und Verbesserung der Kundenzufriedenheit;
  • Optimierung der Instandhaltungskosten bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des erforderlichen Versorgungsstandards;
  • Erhaltung der bestehenden Bausubstanz und Qualitätsicherung des Wasserverteilungssystems und
  • Sicherstellung der Umweltverträglichkeit aller Maßnahmen und Tätigkeiten.

ISO 24516-1: Nachhaltige Substanzerhaltung im Versorgungsnetz

Der Entwurf von Teil 1 der ISO 24516 ist ein Plädoyer zum nachhaltigen Substanzerhalt in der Trinkwasserverteilung. Um zu verhindern, dass das Rohrnetz auf Verschleiß gefahren wird, stellt Kapitel 9.1. u.a. fest, dass der effiziente Betrieb und die Instandhaltung von Trinkwasserverteilungssystemen auch von der Bereitstellung von "fachlich kompetenten Personal in ausreichender Anzahl" abhängig sei. Diesbezüglich wird im Anhang A darauf hingewiesen, dass "mögliche Gefährdungen der Versorgungsicherheit" beim Rohrnetzbetrieb auch durch eine "unzureichende Personalausstattung oder -qualifikation" ausgelöst werden könnten (s. untenstehende Info-Box). Um finanziell eine nachhaltige Substanzerhaltung gewährleisten zu können, wird in dem Norm-Entwurf in Kapitel 4.4.4 festgestellt, dass es zur strategischen Aufgabenbewältigung des Managements gehört, "angemessene Tarife zur Sicherstellung nachhaltiger Einnahmen" festzulegen. Dazu gehöre auch das vorausschauende "Quantifizieren nachhaltiger und vorhersehbarer Finanzierungsanforderungen" für den Rohrnetzbetrieb, die Instandhaltung abgängiger Rohrnetzkomponenten.


Wenn es im Rohrnetz drunter und drüber geht ...

... dann kann dies lt. informellen Anhang A zur ISO 24516-Teil 1 (Entwurf) folgende Ursachen haben:

  • Fehldimensionierungen von Rohren;
  • falsche Werkstoff- oder Bauteilauswahl;
  • ungeeignete oder fehlerhafte Konstruktion der Bauverfahren;
  • unsachgemäße Instandsetzungs- oder Wartungsmaßnahmen im Kontakt mit Trinkwasser;
  • unsachgemäße Inbetriebnahme/Stilllegung;
  • Betrieb mit kritischen Fließverhältnissen (z. B. bei Rohrnetzspülungen);
  • fehlerhafte Desinfektion oder Sekundärdesinfektion innerhalb des Rohrleitungsnetzes;
  • unzureichende Rehabilitationspraktiken;
  • unsichere Verteilungskonzepte;
  • Funktionsstörungen und Schäden von Systemen und Komponenten;
  • unzulässige Wasserdrücke;
  • schlechtes Betriebsmanagement des Systems und/oder Sabotage;
  • Beeinträchtigung durch Umweltfaktoren;
  • schlechte Bauausführung durch Dritte;
  • unzureichende Personalausstattung oder -qualifikation;
  • unzureichende Betriebsführung;
  • stagnierendes Wasser;
  • unsachgemäße Lagerung von Bauteilen;
  • Eindringen oder Einspeisen von Nicht-Trinkwasser;
  • hohe Wasserverluste und
  • häufige Rohrleitungsschäden.

ISO 24516: Die Antwort der Wasserwerker auf das Squeeze out

Im RUNDBR. 870 vom 8. Okt. 2007 hatten wir getextet:

»Asset-Management« ist zum absoluten Modethema in der Energiebranche avanciert. Der Begriff ist aus der angloamerikanischen Geschäftswelt mittlerweile auch in die deutsche Strom- und Gaswirtschaft eingedrungen. Wertfrei verstanden bedeutet »Asset-Management« die wirtschaftliche und technische Instandhaltung der Anlagen (Assets) - beispielsweise von Strom- und Gasunternehmen. In England und in den USA hat der Begriff allerdings einen Touch in Richtung "Squeeze out" bekommen - also wie quetsche ich den größtmöglichen Profit aus dem Anlagenvermögen eines Betriebes. Und wie sichere ich mich als »Heuschrecke« über ein Risikomanagement so ab, dass der Laden trotz "squeeze out" nicht völlig zusammenkracht. Derzeit steht in der Internationalen Standardisierungs-Organisation (ISO) zur Debatte, auch für Wasser- und Abwasserunternehmen ein »Asset-Management« zu normen."

Tatsächlich konnten sich in der ISO die Kräfte durchsetzen, die eine Asset-Management-System-Norm nicht nur für den Wasser- und Abwassersektor - sondern gleich für sämtliche Infrastrukturbereiche konzipieren wollten. Die Standards zur Etablierung von Asset-Management-Systemen für alle Infrastrukturen sind inzwischen in der der ISO-Reihe 55.000 ff erschienen. Um zu retten was zu retten ist, haben die in der ISO tätigen Wasser- und Abwasserwerker jetzt eine eigene ISO-Normenreihe in Arbeit - eben die oben genannte ISO 24516 mit ihren geplanten sechs Teilen (siehe Info-Box auf S. x). Die ISO 24516 stellt weniger die angelsächsische Management-System-Ideologie in den Vordergrund. Es soll mehr um die technischen Anforderungen gehen, um die Anlagen und Netze in der Wasserver- und in der Abwasserentsorgung in Schuss zu halten. Die bereits in Arbeit befindlichen Teile der ISO 24516 zu Wasser- und Kanalisationsnetzen betonen darüber hinaus - wie oben erläutert - auch den Aspekt der nachhaltigen Substanzerhaltung und des Umweltschutzes.
(Mehr zum Asset-Management à la ISO 55000 und zum Asset-Management in der Wasserwirtschaft kann in den BBU-WASSER-RUNDBRIEFEN Nr. 971/1 968/3, 932/1, 901/1, 892/1-2 und 870/1 nachgelesen werden.)


ISO 24516: Gegen den Substanzverzehr in Wasser- und Abwasserbetrieben

Unter dem Haupttitel "Guidelines for Management of Assets of water supply and wastewater systems" besteht die ISO 24516 aus den folgenden sechs Teilen:

  • Part 1: Drinking water distribution networks (Wasserverteilnetze)
  • Part 2: Drinking water plants including treatment, pumping and storage (also in the network) (Wasserwerke)
  • Part 3: Wastewater network (Kanalisationsnetze)
  • Part 4: Wastewater Treatment plants (including pumping and sludge treatment) (Kläranlagen)
  • Part 5: Examples of the management of assets of drinking water systems
  • Part 6: Examples of management of assets of wastewater systems

Die ISO 24516 steht in Verbindung mit den ISO-Normen 24510, 24511 und 24512. In diesen Normen geht es um die guten Managementpraktiken in Wasser- und Abwasserbetrieben. Die drei Normen fordern eine aktive Einbindung der Kunden in die strategische Planung sowie in die Preisgestaltung der Wasser- und Abwasserbetriebe - mehr dazu in den WASSER-RUNDBRIEFE Nr. 940/3-4, 870/2-3, 825/1-3, 783/1-2, 769/2-3, 737/3, 666 und 661.

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1066
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. September 2015

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