BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 1116, vom 28. Aug. 2017, 36. Jahrgang
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)
Der öffentliche Gesundheitsdienst braucht eigene Public-Health-Labors
Im Hinblick auf die zahlreichen Positivbefunde bei Keimen in der
deutschen Trinkwasserversorgung könnte die Lektüre eines Aufsatzes von
Interesse sein, in dem sich Prof. MARTIN EXNER & WERNER NISSING
kritisch zur Überwachung positionieren. In der ENERGIE WASSER PRAXIS
12/2016, S. 82-89 stehen die beiden Hygieniker in dem Aufsatz "Die
Bedeutung des Gesundheitsschutzes für die Trinkwasserversorgung -
Gegenwart und Zukunft" der in manchen Bundesländern durchgeführten
Privatisierung oder gar Auflösung von staatlichen
Medizinaluntersuchungsstellen ablehnend gegenüber. Ohne amtliche
Public-Health-Laboreinrichtungen sei die Reaktionsfähigkeit des
öffentlichen Gesundheitsdienstes beim Ausbruch von wasserbürtigen
Krankheiten nicht mehr gewährleistet. "Nachteilig" ist es für EXNER &
NISSING zudem,
"dass in Deutschland bislang kein zentrales Melderegister für
Störfälle bzw. trinkwasserbedingte Ausbrüche und deren Ursachen
existiert, wie dies in den USA, England, Wales und einigen
skandinavischen Ländern vorbildlich geregelt ist".
Das Fehlen eines derartigen Registers sei "fahrlässig", weil damit das "analytische Instrumentarium" nicht zu Verfügung stehe, um trinkwasserassoziierte Ausbrüche so auswerten zu können, dass man aus den untersuchten Störfällen und Ausbrüchen für die Zukunft lernen könne.
Dem Water Safety Plan der WHO ("From Watershed to Showerhead") und
seiner schrittweisen Übernahme in Deutschland können EXNER & NISSEN
viel abgewinnen. Die Autoren schreiben den Verantwortlichen für den
öffentlichen Gesundheitsdienst ins Stammbuch:
"Diese neuen Grundprämissen müssen aber auch Konsequenzen für die
Überwachung und die Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden haben,
die sich nicht mehr nur auf die Kontrolle des Endproduktes Trinkwasser
konzentrieren dürfen, sondern sich intensiv mit dem Einzugsgebiet und
den Einflussfaktoren für die Rohwasserbeschaffenheit auseinandersetzen
müssen."
Im Hinblick auf die Europäisierung der Anforderungen an Materialien,
die mit Trinkwasser in Kontakt kommen, mahnen die beiden Mitarbeiter
des Hygieneinstituts der Uni Bonn, dass "im Interesse der hygienischen
Sicherheit" gewährleistet bleiben müsse,
"dass bei der Schaffung europäischer Regelungen das hohe technische
Niveau [in Deutschland] nicht einem minderen technischen Stand
angepasst werden muss. Die gute, hygienisch einwandfreie
Trinkwasserbeschaffenheit darf bei den Bestrebungen der Globalisierung
und Liberalisierung nicht den Zwängen einer Marktregulierung
untergeordnet werden."
In dem lesenswerten Übersichtsaufsatz beschäftigen sich EXNER & NISSEN
auch mit den Herausforderungen, die durch den demographischen und
klimatischen Wandel auf die deutsche Trinkwasserversorgung zukommen.
Ferner appellieren die Autoren, dass Deutschland "als
hochtechnologisiertes Land (...) eine hohe und besondere Verantwortung
habe", die wasserbezogenen Sustainable Development Goals (SDG 6) in
den Schwellen- und Entwicklungsländern zu realisieren. Abschließend
beschreiben die Autoren mit welchen Krankheitserregern man im
Trinkwasser und in den Trinkwasserinstallationen zu rechnen hat - und
was man dagegen unternehmen kann. EXNER & NISSEN beenden ihren Aufsatz
mit der Aufforderung, in der deutschen Trinkwasserversorgung nur nicht
zu hochnäsig zu werden. Dazu zitieren sie den Historiker Daniel
Borrstein:
"The greatest obstracle to knowledge is not ignorance, it is the
illusion of knowledge."
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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1116
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. September 2017
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