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POLITIK/428: Konflikt um Verteilung der Kosten für Unterhaltung von Fließgewässern (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1095, vom 17. Okt. 2016 - 36. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Unterhaltungskosten: Auf der Suche nach einer gerechten Lösung


Nicht nur an dem zuvor beschriebenen Konflikt um die Ausweisung eines Überschwemmungsgebietes an der Berner Au in Hamburg wird deutlich, wie schwierig - oder gar unmöglich es ist - eine "gerechte" Lösung zu finden. Eine "gerechte" Lösung ist auch im Konflikt um die Verteilung der Kosten für die Unterhaltung von Fließgewässern in Brandenburg nicht in Sicht. In Brandenburg gibt es ähnlich wie in vielen anderen nördlichen und östlichen Bundesländern Unterhaltungsverbände. Mitglieder in den brandenburgischen Verbänden sind Waldbesitzer, Landwirte und Gemeinden. Die Verbände sind einerseits zuständig, dass das Wasser "ordnungsgemäß" abfließen kann, andererseits müssen sie bei Grabenräumungen, Entkrautungen und dem Freischnitt an uferbegleitenden Gehölzen aber auch ökologische Prämissen einhalten (siehe § 39 Wasserhaushaltsgesetz). Das alles kostet Geld. Und wer dazu gerechterweise zu Kasse gebeten kann, ist langjähriges Streitthema - nicht nur - in Brandenburg. In Brandenburg soll jetzt durch eine Novelle des Brandenburgischen Wassergesetzes endlich mal ein Knoten drauf kommen. Damit sich die Mitglieder des Umweltausschusses des Potsdamer Landtags ein Bild von den widerstrebenden Meinungen machen konnten, hatte der Umweltausschuss für den 14. Sept. 2016 etwa ein Dutzend Sachverständige zur Anhörung geladen. Neben der künftigen Kostenverteilung spielten alle anderen Themen im Rahmen der geplanten Novelle (beispielsweise eine neue Gewässerrandstreifenregelung, Gewässerentwicklungs- und -unterhaltungspläne sowie anderes Öko-Gedöns) in der Anhörung keine relevante Rolle. Für die Abgeordneten waren die Positionierungen der Sachverständigen zur Kostenverteilung bei der Gewässerunterhaltung von größtem Interesse.

Braucht man im Wald eine Gewässerunterhaltung?

Waldbesitzer hatten in der Vergangenheit immer wieder reklamiert, dass es ungerecht sei, wenn sie sich an den Kosten der Gewässerunterhaltung beteiligen müssten. Erstens bedürfe es im Wald gar keines "ordnungsgemäßen" Wasserabflusses - im Gegenteil wären die Forstbesitzer im trockenen Brandenburg daran interessiert, möglichst viel Wasser im Wald zu halten. Zweitens sei es nicht einzusehen, dass sie die Kosten für die Gewässerunterhaltung im agrarisch geprägten Umland sowie in Dörfern und Städten mitfinanzieren müssten. Die Unzufriedenheit der Waldbesitzer mit dem bestehenden Kostenverteilungsschlüssel hatte sich in zahlreichen Klageverfahren artikuliert. Das Umweltministerium in Brandenburg will den aufbegehrenden Waldbesitzern jetzt entgegenkommen: Der Novellenentwurf zum Brandenburgischen Wassergesetz vom Juli 2016 sieht vor, bei der Umlage der Unterhaltungskosten künftig in § 80 die Waldbesitzer zu privilegieren. Waldbesitzer sollen sich nur noch über einen Grundbeitrag an den Kosten für die Gewässerunterhaltung beteiligen. Demgegenüber ist vorgesehen, dass Landwirte und Gemeinden mit einem Aufschlag auf den Grundbeitrag zu den Unterhaltungskosten herangezogen werden können. Auch der NABU hatte sich dafür eingesetzt, dass Waldflächen mit geringeren Beiträgen zur Gewässerunterhaltung beitragen sollen. Die jetzt geplante Regelung ist in der Anhörung seitens der Sachverständigen höchst kontrovers diskutiert worden - mehr dazu in den nächsten Notizen.

"Bevorteilung der Waldbesitzer provoziert neue Gerichtsverfahren!"

"Einige Waldbesitzer haben das Prozessieren zu ihrem Hobby gemacht" klagte eine Bürgermeisterin in der Anhörung zur Novelle des Brandenburger Wassergesetzes. In manchen Fällen würde um 68 Euro Beitragserhebung prozessiert. Wird die angestrebte Neuregelung des Wassergesetzes mit der Prozessflut Schluss machen? In der Anhörung dominierte bei den Sachverständigen Skepsis, dass die vorgesehene Privilegierung der Waldbesitzer für Rechtsfrieden sorgen wird. Befürchtet wurde von Kommunalvertretern, dass den Waldbesitzern die vorgesehene Privilegierung nicht weit genug gehen wird:

"Die werden weiterhin klagen!" Und die Bevorzugung der Waldbesitzer müsse durch höhere Beiträge durch andere Bodennutzer kompensiert werden - in erster Linie durch die Landwirte. "Die Landwirtschaft ist die Geschädigte der Neuregelung." Insgesamt würde eine neue Kostenverteilung "neue Widersprüche und Klagen" zu Folge haben. Zudem argwöhnen einige Bodennutzerverbände und BürgermeisterInnen, dass die vorgesehene Privilegierung der Waldbesitzer in ureigenem Interesse des Landes Brandenburg sei - ist doch das Land der größte Waldbesitzer in Brandenburg.

Zwischen Verbänden und Grundstücksbesitzern zerrieben

Da neben den Waldbesitzern und Landwirte die Gemeinden Mitglieder in den Unterhaltungsverbänden sind, müssen die Gemeinden die Beiträge wiederum auf die Grundstücksbesitzer in den Dörfern und Städten umlegen. Der Städte- und Gemeindebund in Brandenburg geht davon aus, dass jährlich etwa 900.000 Bescheide ausgestellt werden müssen. Viele Bescheide würden von den BürgerInnen aufgrund von vermeintlichen oder tatsächlichen Fehlern beklagt. Die Gemeinden müssten für Fehler der Verbände einstehen. Bei den Gemeinden hätten sich derzeit sieben Millionen Euro für Ausfälle und verlorene Prozesse angehäuft. Hinzu würden noch die zugehörigen Verwaltungskosten kommen. "Wir sind die Prügelknaben", klagte in der Anhörung der Vertreter des Städte- und Gemeindebundes. Die Gemeinden seien zwischen der Verbänden und den Grundstückseigentümern in einer "Sandwich-Situation". Und es würde "sowieso immer Bürger geben, die immer und wegen allem klagen". Die meisten Gemeinden wollten aus der Inkassolage rauskommen. Besser wäre es, wenn die Differenzen bei der Beitragserhebung direkt zwischen den Verbänden und GrundstücksbesitzerInnen geklärt würden.

Einzelmitgliedschaft von Grundstücksbesitzern?

In der Anhörung wurde auch diskutiert, dass nicht mehr die Gemeinden, sondern deren BürgerInnen selbst Mitglied in den Wasserverbänden werden sollten. Dem wurde entgegen gehalten, dass dadurch der Verwaltungsaufwand für die Verbände ins Unermessliche ansteigen könnte. Alleine in Wustershausen müsste der Verband dann künftig zusätzlich 2.800 Bescheide ausstellen, den Zahlungseingang entsprechend überwachen und ggf. Mahnungen verschicken. Und in der Gemeinde Nuthe-Urstromtal, der flächenmäßig größten Gemeinde in Brandenburg, müsste die Kommune gar 20.000 Flurstücke veranlagen. Demgegenüber muss der Wasser- und Bodenverband Prignitz als größter Unterhaltungsverband in Brandenburg mit 31 Mitgliedern derzeit gerade mal 58 Bescheide verschicken. Der Vertreter des Landkreistages vertrat die Meinung, dass bei einer Einzelmitgliedschaft die GrundstücksbesitzerInnen egoistisch auf ihren Individualinteressen beharren könnten. Demgegenüber würde die Mitgliedschaft der Kommunen "ein Stück Neutralität" in den Gewässerunterhaltungsverbänden gewährleisten. Beim Städte- und Gemeindebund könne man sich für die Stimmengewichtung in der Verbandsversammlung eine doppelte Mehrheit vorstellen: Eine Mehrheit der Beiträge kombiniert mit einer Mehrheit der Köpfe.

Der "Brandenburger Weg": Hin zu einer Verbändevereinbarung

Auf der Anhörung waren ein Mal mehr sehr unterschiedliche Positionierungen der Landnutzerverbände zu Tage getreten. Gleichwohl sind die Bodennutzer (Forst, Landwirtschaft) und die kommunalen Spitzenverbände dabei, sich auf eine Positionierung zu einigen. So geht beispielsweise der Landkreistag davon aus, dass es für eine Einzelmitgliedschaft der Grundstücksbesitzer eine Kappungsgrenze geben könnte. Um den Verwaltungs aufwand bewältigen zu können, könnte bei kleinen Grundstücken eine Einzelmitgliedschaft entfallen und stattdessen die Kommune die Kosten tragen. Turgut Pencereci vom Wasserverbandstag Brandenburg hatte die Umweltausschussmitglieder noch um Zeit bis zur Jahresende gebeten, um die "einzigartige" Verbändevereinbarung rund zu bekommen: "Wir sind Gewässerunterhaltungsverbände und keine Rechtsunterhaltungsverbände. Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass wir eine gemeinsame Lösung letztlich finden - aber wir arbeiten engagiert daran und wissen, dass wir unter Zeitdruck stehen."

Nicht wenige Abgeordnete ließen Sympathie für den "Brandenburger Weg" einer Verbändevereinbarung erkennen. Zumal man hofft, dass durch eine einvernehmliche Verbändevereinbarung die Zahl der Klageverfahren spürbar zurückgehen könnte.

Beitrag der Unterhaltungsverbände zum »guten Zustand« ???

Mehr als Arabeske wurde auf der Anhörung auch noch ein bisschen über die ökologischen Verpflichtungen der Unterhaltungsverbände zur Erreichung des »guten ökologischen Zustandes« in den brandenburgischen Fließgewässern diskutiert. So klagte ein Vorstand eines Verbandes, dass alle Umsetzungsaufgaben, die aus der Wasserrahmenrichtlinie resultieren, "bei den Eigentümern abgeladen würden" - obwohl die Erreichung des guten Zustandes "eine gesellschaftliche Aufgabe" sei. Darüber hinaus sei das Kriterium eines »guten ökologischen Zustandes« in der Praxis der Gewässerunterhaltung zu unklar. Gesellschaftliche Aufgaben würden zudem Akzeptanz benötigen - egal ob es um vernässte Äcker durch Biberdammbauten oder um die teure Nachrüstung von Wasserkraftanlagen mit Fischtreppen gehe. (Den Novellenentwurf samt der Stellungnahme des Ak Wasser im BBU können interessierte RUNDBR.-LeserInnen via nik@akwasser.de kostenlos anfordern.)

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1095
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU),
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E-Mail: nik[at]akwasser.de
Internet: www.akwasser.de, www.regioWASSER.de
 
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Februar 2017

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