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MÄRCHENKOCH - KARTOFFEL/001: Kartoffelplätzchen (SB)


DAS MÜTTERCHEN UND DER TOD


Es war einmal ein altes Mütterchen, das lebte in stiller Behaglichkeit in seiner kleinen Hütte am Waldesrand und wurde von jedermann geachtet, weil es sich auf vielerlei Dinge verstand. Es bestellte selbst seinen Garten, hielt sich Hühner und eine Kuh im Stall und ging in den Wald, um Pilze und Heilkräuter zu sammeln. Die Kräuter trocknete es und verkaufte sie auf dem Markt, ebenso Eier und Milch, und so hatte es sein Auskommen und führte ein beschauliches Leben.

Eines Abends, es war schon dunkel und das Mütterchen saß gerade beim Verlesen der Kräuter, klopfte jemand draußen an die Tür. "Wer klopft da noch so spät?" fragte es erstaunt, erhielt aber keine Antwort. Es meinte schon, sich getäuscht zu haben, als abermals an die Tür gepocht wurde, diesmal noch ein bißchen heftiger. Das Mütterchen, das gar nicht ängstlich war, stand auf, schob den Riegel zurück und öffnete einen Spalt breit. Draußen stand ein Fremder, der einen schwarzen Umhang mit einer großen Kapuze trug, die sein Gesicht vollkommen verbarg.

"Wer bist du?" fragte das Mütterchen verwundert, "und weshalb verbirgst du vor mir dein Gesicht?"

"Ich bin der Tod", antwortete der finstere Fremde, "und es ist einem Sterblichen nicht gestattet, mir ins Gesicht zu sehen."

"Ich kann mir denken, daß du kein schöner Anblick bist", entgegnete das Mütterchen furchtlos. "Aber in meinem Alter habe ich mich an Häßlichkeiten gewöhnt."

Ihre Rede schien den sonst so zielstrebigen Tod zu verwirren, denn er zuckte nur hilflos die Achseln und zog seine Kapuze noch tiefer ins Gesicht.

"Was kann ich für dich tun?" fragte das Mütterchen nun so freundlich, daß der Tod ein paarmal verlegen von einem Bein aufs andere trat, bevor er eine Antwort gab.

"Ich bin gekommen, um dich zu holen", erwiderte er schließlich. "Deine Zeit auf Erden ist abgelaufen." Und er schickte sich an, das Mütterchen am Arm zu nehmen und mit sich fortzuführen.

"Nun mal sachte", sträubte es sich mehr, als der Tod ihm zugetraut hätte, "wer eine weite Reise vor sich hat, sollte sich vorher noch einmal stärken dürfen. Und dir täte eine kräftige Mahlzeit auch gut, abgemagert wie du bist."

Der Tod wollte zunächst ablehnen, doch als das Mütterchen energisch auf seinem Ansinnen beharrte, willigte er schließlich ein.

"Es kommt nicht oft vor, daß jemand sich um mein leibliches Wohl sorgt", murmelte er vor sich hin und setzte sich an den Tisch. "Aber mach schnell, ich bin in Eile."

"Ich werde Kartoffelplätzchen braten, da wirst du dir alle zehn Finger nach abschlecken", versprach das Mütterchen und machte sich hurtig am Herd zu schaffen.


*


Nicht lange, und ein köstlicher Duft durchzog das kleine Stübchen. In der Pfanne brutzelten die Kartoffelplätzchen, die bald von einer knusprigen, goldgelben Kruste überzogen waren. Der Tod konnte nicht verhindern, daß ihm das Wasser im Munde zusammenlief, aber er trommelte voller Ungeduld mit seinen knochigen Fingern auf die Tischplatte, als bereue er bereits sein Entgegenkommen. Kurz bevor die Kartoffelplätzchen fertig gebraten waren, holte das Mütterchen eine Schale mit frischem Apfelmus aus der Speisekammer. Dann häufte es die Kartoffelplätzchen auf zwei Teller, stellte sie auf den Tisch und nahm dem Tod gegenüber Platz.

Während es aß, sah das Mütterchen aufmerksam zu, wie der Tod ein Kartoffelplätzchen nach dem anderen in das Apfelmus tunkte und hastig hinunterschlang. Nicht einmal das Essen kann er genießen, dachte sie. Er hat gar nichts davon. Das Mütterchen empfand Mitleid mit dem dunklen Gesellen, dem nicht ein einziger Augenblick seines Daseins selbst zu gehören schien. Und als er das letzte Plätzchen eintauchen wollte, legte es die Hand auf seinen knochigen Arm und redete ihm gut zu: "Wenigstens für das letzte Plätzchen nimm dir die Zeit, einmal richtig hinzuschmecken." Der Tod, der nicht gewöhnt war, daß man so freundlich mit ihm sprach, hielt inne und blickte verwundert auf. Dabei rutschte ihm seine schwarze Kapuze aus dem Gesicht.

Das Mütterchen sah ihn unverwandt an und ein Ausdruck des Erkennens glitt über ihre faltigen Züge, als wäre sie ihm irgendwo schon einmal begegnet. Doch sie sagte nichts. Der Tod aber sprang vom Tisch auf und sprach:

"Du hast mein Angesicht gesehen und ich darf dich nun nicht mehr mit mir nehmen. Erst wenn du selbst meinst, daß deine Stunde gekommen ist, dann rufe nach mir. Du weißt nun ja, wer ich bin. Aber du mußt mir versprechen, es keiner Menschenseele zu verraten, denn dann käme großes Unheil über die Welt."

Das Mütterchen versprach es und alsbald verschwand der Tod in der Dunkelheit, aus der er gekommen war. Das Mütterchen aber lebte noch viele Jahre zufrieden und vergnügt in ihrer Hütte am Waldesrand.


*


KARTOFFELPLÄTZCHEN
Zutaten für 2 Personen

600 g gekochte Kartoffeln
80 g Mehl
2 Eier
etwas Salz
Margarine zum Braten


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Die Kartoffeln pellen und durch eine Kartoffelpresse drücken.

In einer Schüssel die Kartoffelmasse mit dem Mehl, dem Ei und dem Salz gut vermischen.

Die Hände leicht mit Mehl bestäuben und aus dem Kartoffelteig aprikosengroße Kugeln formen. Die Kugeln flachdrücken.

In einer Pfanne Margarine erhitzen und die Kartoffelplätzchen darin goldbraun braten.

Zu den Kartoffelplätzchen schmecken nicht nur Apfelmus oder Kräuterquark, sondern sie passen auch ausgezeichnet zu Gemüse- und Fleischgerichten aller Art.

13. Februar 2007