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METROPOL/009: London - Märchenhaft (SB)


Märchenhaft


Legendär und voller erzählter und nicht erzählter Geschichten sind sie, Londons rote Punkte. Ihr Leuchten lässt einen nicht selten den permanenten Druck der Stadt vergessen, wenn man dessen mal wieder überdrüssig ist. Nicht ohne Grund ist Harry Potter nur eine von vielen Geschichten, in denen die zauberhaften Doppeldeckerbusse Vorlage für Abenteuer sind.

Eine ihrer nicht erzählten Geschichten ereignete sich eines Abends, an dem ich mich mal wieder zu einer einstündigen Busfahrt aus dem Stadtzentrum nach Hause aufmachte. Müde von einem langen Tag lehnte ich mich an die feuchte Fensterscheibe und sah hinaus in eine Mischung aus meinem Spiegelbild und dem dunklen, kalten, verregneten London dahinter. Bäh!! Einer dieser Tage, wo man nur hier weg will. Da höre ich auf einmal einen Elvis-Song. Träge erwache ich aus meiner müden Trübheit, neugierig geworden bezüglich der Merkwürdigkeit.

Der Busfahrer singt. Sein Mikro für Ansagen eingeschaltet, singt er aus vollem Halse einen jedem bekannten Elvissong. Und der ist erst der Anfang, denn jetzt legt der Mann richtig los, von Party bis traurig schmettert er ein bekanntes Lied nach dem nächsten und das mit einer Stimme, die ihresgleichen sucht! Schwarz ist sie, die Stimme, davon bin ich überzeugt. So fahren wir durch das nassgraue Deptfort in Richtung des dunklen Greenwich - ich und alle anderen, mit denen ich auf einmal zusammen hier sitze; weil wir für einen kurzen Augenblick der Zeit gemeinsam atmen, fahren wir auch gemeinsam zum dunkelgrauen Ziel.

Allerdings geht mir auch die Frage durch den Kopf, ob er das darf, der Busfahrer mit seinem Mikro? Denn man hat schon viel erlebt, meckernd und scherzend kennt man sie, aber singend... Das ist der rote Zauber, der versteckten und offenen Künstlern Kraft gibt.

Der Zauber hat ihn auf jeden Fall erfasst, den roten Punkt in der Nacht. Abrupt stoppte dann jedoch die Musik. Ob sie von der Obrigkeit des TFL gestoppt, der Sänger einfach nicht mehr wollte, oder warum sie verstarb, fand ich nicht heraus. Doch als ich den Bus verließ, wurde ich zumindest in einem belehrt: Der Busfahrer aus der Märchenwelt erfüllt nicht freundlich das Klischee der schwarzen Stimme, denn was ich, die Fahrerseite passierend und neugierig hineinlugend sah, war ein kleiner, weisser, muskulöser, gedrungener junger Mann mit Bürstenhaarschnitt, wie er englischer nicht sein konnte!

Dass es mehr von ihnen geben müsste, wird einem hier auch sehr schnell bewusst, denn Samstagmorgen um zwei in New Cross - man kann es sich denken - sind es dunklere Gestalten, denen man begegnet. Und einige von ihnen, da glaube ich fest dran, könnte ein singender Busfahrer aus der Märchenwelt bestimmt besiegen.
Aus dieser schattigen Ecke der dunklen Stadt möchte ich euch beim nächsten Mal erzählen.
















Ich grüße bis dahin von dort
BB

25. Februar 2010