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TOURTIP/922: Die Horloffaue zwischen Hungen und Reichelsheim in Hessen (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 2/2009

Die Horloffaue zwischen Hungen und Reichelsheim in Hessen
- Wasservögel in der Wetterau nordöstlich von Frankfurt

Von Thomas Brandt, Christoph Moning und Christian Wagner


Die Tallandschaft der Horloff bildet ein überregional bedeutendes Brut-und Rastgebiet. Dass dieses Juwel in einem intensiv genutzten Raum 35 km nördlich von Frankfurt entstehen und gesichert werden konnte, ist den Bemühungen der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) zu verdanken.

Die von der HGON, und hier vor allem von Erhard Thörner, erbrachten Leistungen und Bemühungen zur Erhaltung der Flussauenlandschaft Horloffaue fanden große Anerkennung und wurden 1988 als "Auenverbund Wetterau" mit dem Europäischen Umweltpreis ausgezeichnet. 1989 wurde ein rund 7400 ha großes Areal als Landschaftsschutzgebiet "Auenverbund Wetterau" ausgewiesen. Darin eingebettet liegen 33 kleine Naturschutzgebiete mit einer Gesamtfläche von circa 1400 ha. In der Zwischenzeit ist die Horloffaue auch in das Natura 2000-Programm aufgenommen und als Europäisches Vogelschutzgebiet nach Brüssel gemeldet worden.



Lebensräume

Die Wetterau gliedert sich in das Großenlindener Hügelland, den Münzenberger Rücken sowie in die für Vogelbeobachter besonders interessante Horloffsenke. Der gesamte Naturraum wird geologisch von tertiären Lockersedimenten geprägt, die von mächtigen quartären Löss-Deckschichten überlagert sind. Aufgrund dieser fruchtbaren Böden werden 70 % der Wetterau landwirtschaftlich genutzt. Wälder und Auen säumen nur die Randbereiche. Die allgemeine Armut an stehenden Gewässern in Hessen bewirkt, dass die Niederung ein starker Magnet für Zugvögel ist.

Drei Beobachtungsgebiete sind besonders lohnend:

Im Zentrum des NSGs "Mittlere Horloffaue" liegt der Untere Knappensee, ein ehemaliger Braunkohleabbau, der renaturiert und 1984 unter Naturschutz gestellt wurde. Im Verlauf der Renaturierungsarbeiten entstanden ausgedehnte Flachwasser- und röhrichtbestandene Verlandungsbereiche. Senken mit periodisch trockenfallenden Mulden, umgeben von Feuchtbrachen und artenreichem frisch-feuchten Grünland, wurden im Ostteil, dem Entenfang, geschaffen. Östlich an den Knappensee schließt die Kuhweide an, ein extensiv genutztes Wiesengebiet, das von der Horloff durchquert wird.

Das NSG "Teufelsee und Pfaffensee" wird durch die gleichnamigen tiefen Tagebaurestlöcher geprägt. Hier wurde von 1842 an im Tiefbau und von 1962 bis 1989 im Tagebau Braunkohle abgebaut. Die Ufer sind steiler als am Knappensee, sodass sich ein Röhrichtgürtel kaum ausbilden konnte. Umgeben sind die beiden Seen von intensiv genutztem Ackerland.

Das NSG "Bingenheimer Ried" zwischen Echzell und Reichelsheim ist eines der Kernstücke im "Auenverbund Wetterau". Das Gebiet wurde im Jahr 1985 unter Schutz gestellt. Seit 1991 kann der Wasserstand durch Hochwassereinlass gesteuert werden. Zusätzlich angelegte Flachwasserteiche und Flutmulden haben das Gebiet noch einmal aufgewertet. Mit schwankendem Wasserstand haben sich neben zeitweilig offenen Flachwasserbereichen vor allem ausgedehnte Seggen- und Röhrichtbestände etabliert. In den Randbereichen wird Rinderbeweidung oder extensive Wiesennutzung durchgeführt.



Besondere Vogelarten

Das Bingenheimer Ried ist eine gute Adresse für Enten und Rallen. In den flach überschwemmten Wiesen brüten Schnatter- (nahezu alljährlich), Löffel- und Knäkenten sowie Wasserrallen und - als Besonderheit - Tüpfelsumpfhühner. Von beiden Arten konnten in Spitzenjahren bis zu 40 Reviere gezählt werden. 2008 rief sogar ein Zwergsumpfhuhn etwa vier Wochen. Rothalstaucher besetzen am Pfaffensee ihren einzigen Brutplatz in Hessen. Durch das Aufstellen von mehreren Nisthilfen konnten Weißstörche angesiedelt werden, die seit 1993 zum Beispiel regelmäßig im Bingenheimer Ried brüten. Wie überall in Deutschland nimmt in der Horloffaue der Bestand der wiesenbrütenden Vogelarten stark ab. So ist die Uferschnepfe an ihrem einzigen Brutplatz zwischen Norddeutschland und Bayern fast verschwunden, vom Großen Brachvogel gibt es weniger als zehn Brutpaare. Die Bestände von Kiebitz und Bekassine konnten sich infolge der Schutzmaßnahmen entgegen dem allgemeinen Trend deutlich erholen, die des Wachtelkönigs zumindest stabilisieren. Auch Beutelmeisen, Schwarzkehlchen, Nachtigallen, Blaukehlchen, Wiesenschafstelzen, Grauammern und sogar Drosselrohrsänger brüten in den entsprechenden Lebensräumen.

Die Horloffaue ist ein wichtiger Durchzugs- und Rastplatz. Außerhalb der Brutsaison können zur richtigen Zeit auf den Seen und den angrenzenden Gebieten Bläss- und Saatgänse, alle binnenländischen Entenarten sowie Zwerg- und Gänsesäger, Lappen- und Seetaucher, Fischadler, Korn- und Rohrweihen, verschiedene Limikolen und neben Trauer- auch fast alle weiteren heimischen Seeschwalben beobachtet werden. Alljährlich nutzen mehrere Hundert Kraniche vor allem im Oktober/November die Kuhweide zur Rast. Vom 5. bis 9. November 2002 waren es sogar circa 10000 Vögel. In jedem Herbst können an den Massenzugtagen der Art mehrere 10000 überfliegende Kraniche beobachtet werden.

Silberreiher haben wie fast überall stark zugenommen und sind beinahe das ganze Jahr über zu sehen. Maximalzahlen liegen bei mehr als 40 Tieren, die sich am Schlafplatz versammeln. Vor allem auf dem Teufelsee und dem Pfaffensee, aber auch auf den Knappenseen findet sich im Winter eine große Anzahl überwinternder Wasservögel ein.

Raubwürger und Bergpieper kann man ebenfalls im Winterhalbjahr erwarten. Im Frühjahr sind die Wiesen- und Schilfflächen des Bingenheimer Rieds regelmäßig überschwemmt und bieten dann sehr gute Beobachtungsmöglichkeiten für durchziehende Enten und Limikolen.



Reisezeit

Die Horloffaue ist während des gesamten Jahres eine Reise wert. Die Vielzahl an interessanten Brutvogelarten macht einen Besuch zur Brutzeit sehr lohnend. Ab Ende April ziehen neben vielen weiteren wassergebundenen Vogelarten auch die Seeschwalben durch, darunter in den letzten Jahren Weißbart- und Weißflügel-Seeschwalben. Ebenfalls im Frühjahr ist ein Besuch im Bingenheimer Ried sehr ergiebig. Da das Ried dann meistens flach überschwemmt ist, rastet hier eine große Zahl an Wasservögeln. Im gewässerarmen Hessen bilden die beschriebenen Gebiete einen Magneten für durchziehende Gänse, Enten, Limikolen, Möwen und Seeschwalben. Das Bingenheimer Ried und der Untere Knappensee mit ausgedehnten Schlammflächen weisen auch im Herbst einen hohen Artenreichtum auf.

Der Spätherbst ist Kranichzeit. Auch wenn die Kranichzahlen nicht denen der Rügen-Region, der Diepholzer Moorniederung oder von Linum entsprechen, ist das Kranichspektakel mit einigen Hundert Individuen sehenswert, zumal es sich um den einzigen größeren, regelmäßig genutzten Rastplatz der Art in Südwestdeutschland handelt. Da Teufelsee und Pfaffensee tiefer als die anderen sind, bleiben sie im Winter am längsten offen und bieten oftmals die interessantesten Beobachtungsmöglichkeiten. Seetaucher werden selten sowohl auf dem Teufel- und Pfaffensee, als auch auf den beiden Knappenseen beobachtet. Saat- und Blässgänse sowie Kornweihen und Merline nutzen die offene Feldflur zur Nahrungssuche.



Beobachtungsmöglichkeiten

• NSG Mittlere Horloffaue

Der Obere Knappensee kann vom Friedhof Utphe erreicht werden. Dazu nimmt man am nördlichen Ortsrand von Utphe die erste/letzte innerörtliche Straße nach Osten und erreicht ausgeschildert nach 400 m den Friedhof. Von dort sind es 100 m nach Norden bis zum Oberen Knappensee.

Den Unteren Knappensee erreicht man, wenn man am Friedhof rechts abbiegt, sich kurz darauf links und gleich wieder rechts hält. Der kurz darauf folgende Parkplatz auf der linken Seite ist nur einen kurzen Fußweg von einer guten Beobachtungshütte am Nordufer des Sees entfernt. Der Weg zu den drei Beobachtungshügeln am Südufer des Unteren Knappensees führt über Privatgelände und Beobachter werden lediglich toleriert. Zur Zugzeit der Kraniche, vor allem im März und Oktober/November, sollten die Beobachtungshügel gemieden werden!

Ein Fußweg durch die Kuhweide beginnt östlich von Utphe. Dazu parkt man kurz nach der Horloff-Brücke. Der Asphaltweg geradeaus erschließt die Kuhweide.

Die Kraniche beobachtet man am Besten vom Beobachtungsstand im NSG Burg. Der auffällige Parkplatz liegt an der L 3188 zwischen Echzell und Unter-Widdersheim.

• NSG Teufelsee und Pfaffensee

Es gibt drei Beobachtungsstände rund um die Seen. Zum Beobachtungsstand am Teufelsee gelangt man über Weckesheim. Im Ort verlässt man die L 3186 auf der K 179 nach Norden Richtung "Wölfersheim" und biegt 1,4 km nach dieser Kreuzung auf der freien Feldflur nach rechts (Osten) in einen asphaltierten Wirtschaftsweg ein. Auf diesem erreicht man nach 500 m eine Parkmöglichkeit in unmittelbarer Nähe des Beobachtungsstands. Der Bahnhof in Weckesheim befindet sich an der Kreuzung L 3186/K 179 und ist somit 1,9 km vom Teufelsee entfernt. Für den Beobachtungsstand am Südufer des Pfaffensees parkt man am nördlichen Ortsausgang von Heuchelheim am Bauhof und geht zuerst geradeaus und dann rechts über die Felder bis zum Beobachtungsstand. Ein weiterer Parkplatz befindet sich an einer etwas nach hinten versetzten Scheune am westlichen Ortsausgang von Gettenau. Der Feldweg nach Westen führt in 1,7 km zu einem Beobachtungsstand am Nordufer des Pfaffensees.

• NSG Bingenheimer Ried

Parken sollte man an der Hauptstraße ("Raunstraße", L 3188) am Südrand von Bingenheim. Der für den Fahrzeugverkehr gesperrte "Riedweg" führt dort nach Westen aus dem Ort und nach 600 m zu einem Aussichtsturm, der einen hervorragenden Überblick über die Fläche bietet.



Weitere Beobachtungs- und Freizeitmöglichkeiten

Der Raum Frankfurt ist ein wichtiges Zentrum des hessischen Steinkauzvorkommens. So brüten im Main-Kinzig Landkreis, der südöstlich an den Wetteraukreis anschließt, über hundert Paare des kleinen Kauzes. Sehr gute Chancen zur Beobachtung der Art findet man 11 km nordöstlich der Innenstadt von Frankfurt oder 30 km südlich von Utphe in den ausgedehnten Obstwiesen am nördlichen Ortsrand von Hochstadt, die eine stattliche, Nistkasten gestützte Steinkauzpopulation beherbergen. Die Eule kann im Vorfrühling beim Sonnen nahe ihrer Bruthöhle beobachtet werden und ist zur Brutzeit teilweise tagaktiv. Normalerweise ist die Dämmerung die Hauptaktivitätszeit. Am auffälligsten ist der durchdringende Reviergesang, der im Herbst und besonders während der Hauptbalzzeit im Februar und März zu hören ist.

Die Anfahrt erfolgt über die A 66 Anschlussstelle "Maintal/Dörnigheim". Man fährt zuerst nach Nordwesten Richtung "Bergen-Enkheim" und biegt an der ersten Ampel nach rechts Richtung "Hochstadt" ab. Schon 200 m weiter kann man an einem nach links in die Ostwiesen führenden, für den Verkehr gesperrten Feldweg parken. Der Wirtschaftsweg führt 200 m nach Norden und stößt dort auf einen Teerweg. Diesem folgt man nach rechts und durchquert dabei zentrale Bereiche der Obstwiesen. Zur richtigen Jahres- und Tageszeit hat man gute Chancen auf den Steinkauz, aber auch auf Kleinspecht, Grünspecht und Gartenrotschwanz.



Infomaterial/Literatur:

Moning, C. & C. Wagner (2005):
Vögel beobachten in Süddeutschland.
Franckh-Kosmos-Verlag, Stuttgart.

Informationsflyer über die Gebiete
sind bei der HGON erhältlich (s. Adressen).



Anfahrt

Mit Bahn und Bus:
Die Beobachtungsgebiete sind gut an das öffentliche Verkehrsnetz angeschlossen. Es gibt Bahnhöfe in Hungen und Trais-Horloff, die für Touren in das NSG Mittlere Horloffaue geeignet sind, sowie in Weckesheim, Reichelsheim und Echzell/Gettenau, die eine Wanderung zum NSG Teufelsee und Pfaffensee und NSG Bingenheimer Ried ermöglichen.

Mit dem Auto:
Die A 45 schneidet die Horloffaue und trennt sie in einen Nordteil mit dem NSG Mittlere Horloffaue und Südteil mit den NSG Teufelsee und Pfaffensee sowie das NSG Bingenheimer Ried. Für alle Exkursionsziele verlässt man die A 45 bei Wölfersheim.



Adressen:
HGON e. V., Lindenstraße 5, 61209 Echzell
Tel.: 06008/1803, Fax: 06008/7578,
E-Mail: info@hgon.de; Internet: www.hgon.de.

Im HGON-Birdnet auf der Internetseite der HGON
werden tagesaktuell Beobachtungen aus diesen und
vielen weiteren Gebieten in Hessen zusammengestellt.

www.norbert-kuehnberger.de:
Detaillierte Beobachtungstipps
zu den beschriebenen Exkursionspunkten.


*


Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 2/2009
56. Jahrgang, Februar 2009, S. 45-48
mit freundlicher Genehmigung des AULA-Verlags
AULA-Verlag GmbH, Industriepark 3, 56291 Wiebelsheim
Tel.: 06766/903 141; Fax: 06766/903 320
E-Mail: falke@aula-verlag.de

Erscheinungsweise: monatlich
Einzelhelftpreis: 4,80 Euro
Das Jahresabonnement für 12 Hefte ist im In-
und Ausland für 49,- Euro zzgl. Porto erhältlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Februar 2009