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TOURTIP/933: Der Gülper See in Brandenburg (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 7/2009

Der Gülper See in Brandenburg:
Bekanntes Brut- und Rastgebiet im Havelland

Von Thomas Brandt, Christoph Moning und Christian Wagner


Im westlichen Brandenburg durchzieht die Havel eine dünn besiedelte Niederungslandschaft und bildete das einstmals größte zusammenhängende Feuchtgebiet im mitteleuropäischen Binnenland. Im Zentrum dieser Niederung liegt der Gülper See. Er wird vom Rhin durchflossen, der westlich des Gülper Sees in die Havel mündet. Das außerordentlich vogelreiche Gewässer liegt ca. 7 km westlich der Ortschaft Rhinow im Landkreis Havelland und somit etwa 70 km westlich von Berlin. Noch heute gilt es als eines der wichtigsten Durchzugs- und Überwinterungsgebiete für Wat- und Wasservögel Deutschlands und hat trotz sinkender Bestände eine hohe Bedeutung für Wiesenbrüter. Die gesamte Seefläche und Teile der angrenzenden Niederung umfassen über 900 Hektar und sind seit 1978 als Feuchtgebiet internationaler Bedeutung und seit 1967 als Naturschutzgebiet geschützt. Ferner ist der Gülper See Bestandteil des insgesamt 283 Quadratkilometer großen Europäischen Schutzgebietes/Natura 2000 Gebietes "Niederung der Unteren Havel".



Lebensräume

Im Zentrum des Gebietes liegt der Gülper See mit einer Größe von rund 660 ha. Er entstand nach der Weichsel-Eiszeit aus einer durch Schmelzwasser ausgewaschenen Mulde. Der Flachsee ist nur etwa zwei, im Bereich des Abflusses auch bis zu drei Meter tief. Noch vor 25 Jahren war er ein eutropher, wasserpflanzenreicher Klarwassersee, der sich inzwischen wegen verstärkter Nährstoffzufuhr zu einem Trübsee mit starken Algenwachstum und Sichtweiten im Sommer von unter 50 cm gewandelt hat.

Der Gülper See liegt in einer weitgehend offenen Landschaft. Im Westen, Norden und Nordosten säumen breite Schilfgürtel das Gewässer. Im Südosten und Süden gehen die flachen Ufer in extensiv beweidetes Grünland und stellenweise sogar in Magerrasen über. Die weitere Umgebung bilden vor allem feuchte Wiesen, aber auch Äcker, Kiefernforste (v. a. im Süden), Weiden- und Pappelgehölze.



Besondere Vogelarten

Der Gülper See hat sowohl für Brut- als auch für Gastvögel eine herausragende Bedeutung. Wasservögel wie Knäk-, Krick- und Löffelente brüten hier. Regelmäßige Brutvögel im Röhricht des Sees sind Rohrweihen, Rohrdommeln (ca. 5 bis 10 Reviere), Teich- und Schilfrohrsänger, Rohrschwirle, Beutel- und Bartmeisen (stark schwankender Bestand). Flussseeschwalben brüten auf Schwimmblattpflanzen auf dem See.

In den sumpfigen und moorigen Feuchtwiesen leben noch typische Wiesenvögel, wie z. B. Bekassinen, Tüpfelsumpfhühner, Wachtelkönige und Kiebitze. In angrenzenden Gebieten brüten Kraniche, Schwarz- und Rotmilane, See- und Fischadler sowie Ortolane, in den Ortschaften Weißstörche und Schleiereulen.

Rastvögel der Uferzonen sind Kampfläufer, Wald- und Bruchwasserläufer, Grün- und Rotschenkel, Kiebitze (zeitweise über 2), Goldregenpfeifer (bis zu 3000) und weitere Limikolenarten. Auf dem Durchzug können große Ansammlungen von Zwergmöwen und Trauerseeschwalben beobachtet werden, unter denen sich immer wieder auch die selteneren Weißflügel- und Weißbart-Seeschwalben finden lassen. Im Winter füllt sich der See mit nordischen Gästen. Sing- und Zwergschwäne, Spießenten, Löffelenten, Gänse- und Zwergsäger rasten oder überwintern im Gebiet. Grau-, Saat- und Blässgänse kommen zu Tausenden (zusammen manchmal bis 100000!). Selten, aber regelmäßig, findet man in den Schwärmen Zwerg- und Rothalsgänse. Mittlerweile hat der See und sein Umfeld auch eine hohe Bedeutung als Kranichrastplatz: Bis zu 10000 Individuen sind es, die hier im Herbst aus allen Richtungen kommend abends die Flachwasserzonen zum Schlafen aufsuchen.

In den Gräben nördlich des Sees sind Biberbaue nicht zu übersehen. Am einfachsten lassen sich die Tiere bei Sonnenaufgang beobachten.



Reisezeit

Das Gebiet ist ganzjährig ein hervorragendes Ziel. Besonders eindrucksvoll ist ein Besuch im Herbst (Oktober, November), wenn zigtausend Gänse und Kraniche beim abendlichen Einflug die Akustik dominieren. Im beginnenden Frühling treten Enten auf dem Durchzug in großer Zahl auf. Der Limikolendurchzug beginnt Ende Februar (Kiebitz, Goldregenpfeifer) und erreicht von Mitte April bis Mitte Mai seinen Höhepunkt, wenn Kampfläufer, Dunkle Wasserläufer, Bruchwasserläufer und Grünschenkel und im Gebiet rasten.

Ab März kann man die dumpfen Rufe der Rohrdommel hören, meist in den Abendstunden. In den Apriltagen füllen sich auch die Reviere der Röhrichtbewohner: Rohrweihen kommen bereits Anfang April. Rohrschwirle, Teich- und Schilfrohrsänger erreichen das Gebiet um die Monatsmitte und ab Anfang Mai "knarren" die ersten Drosselrohrsänger. Um die Monatswende April/Mai sind auch die meisten Zwergmöwen und Trauerseeschwalben zu sehen, gelegentlich dazwischen auch die selteneren Weißflügel-Seeschwalben.

Der Rückzug der Limikolen setzt Mitte Juli ein. Im August und September kann man oft mehr als zehn Arten gleichzeitig sehen. Im Sommer sind auch Tausende von Graugänsen vor Ort. Wenn der Limikolenzug im Oktober abklingt, füllt sich die Wasserfläche und das angrenzende Grünland erneut mit Enten und nordischen Gänsen.



Beobachtungsmöglichkeiten

Am Südufer ermöglicht ein Beobachtungsturm hervorragende Einblicke auf die Wasserfläche und viele am See rastende Limikolen. Der Turm ist von der Straße Prietzen - Gülpe aus über einen kleinen Fußweg erreichbar (beginnt ca. 2westlich von Prietzen an einer Informationstafel), der durch den Kiefernwald etwa 200 m nach Norden führt. Von diesem zentralen Beobachtungsturm aus kann man auf dem Deich in Richtung Prietzen (Osten) zuerst durch den Kiefernwald und dann am Südufer des Sees entlang gehen. Man passiert zwei Beobachtungshütten und gelangt zur Bockmühle 300 m westlich des Ortsrandes von Prietzen. In diesem Bereich lässt sich eine Kormorankolonie einsehen.

Folgt man dem Weg nördlich von Prietzen, gelangt man zu den Feuchtwiesen, die im Frühling oft überschwemmt sind. Hier rasten zur entsprechenden Zeit zahlreiche Enten und Limikolen.

Das Westufer erreicht man über die Ortschaft Gülpe (Busverbindung). Vom Ortskern aus (Weißstorchnest auf der Kirche) kann man nach Norden gehend den Deich überqueren und erreicht so einen Grünlandbereich, in dem sich im beginnenden Frühling ebenfalls Limikolen aufhalten können. Auf jeden Fall kommen hier ab Mai Braunkehlchen und Neuntöter vor. In der Folge führt der Weg östlich der Gülper Havel an Röhricht, Gebüschen und Wiesen vorbei, bis man schließlich den Rhin erreicht, der den Gülper See durchfließt und hier in die Gülper Havel mündet.

An das Nordufer gelangt man von Rhinow aus über die L 17, indem man auf dieser noch die Ortschaft Kietz durchquert. Ein erster Zugang ergibt sich 300 m nach dem Ortsausgang über einen Plattenweg, der nach Süden (links) abzweigt und nach kurzer Strecke nur noch zu Fuß begangen werden darf. Nach einem halben Kilometer erreicht man auf dem Weg Grünlandflächen, die im Frühling ebenfalls lange überschwemmt sind. Hier kann man in den meisten Jahren ab April nachts Tüpfelsumpfhühner hören, ab Mai auch Wachtelkönige. Nach etwa 2 km erreicht man, immer noch östlich des Sees, eine Schranke. Man kann den Weg in westliche Richtung fortsetzen und gelangt nach weiteren 2 km an eine Pumpstation, wo der Bärengraben von Norden her zum See führt (Biberbaue entlang des Grabens). Parallel zum Graben kommt man nach 1,5 km wieder zurück auf die Landesstraße L 17. Entlang des Grabens wachsen große Hybridpappeln. Sie sind als Landmarke schon von weitem zu sehen und nützlich, falls man den Platz an der Pumpstation über den Weg am Bärengraben direkt ansteuern möchte. An dem Weg kann man Neuntöter, Grauammern und Ortolane sehen. An der Pumpstation (Parkplatz) beginnt ein sehr lohnenswerter Weg auf dem Deichweg weiter nach Westen. Unterwegs erhält man sehr interessante Einblicke in Feuchtwiesen und Röhrichte. In den Gehölzen nördlich des Deiches brüten Schwarzmilane und Kolkraben. Der Weg ist besonders geeignet, um zur passenden Jahreszeit die in den Schilfflächen brütenden Rohrdommeln, Rothalstaucher, Beutelmeisen, Rohrschwirle und Rohrsänger zu beobachten. 2009 brütete hier auch das Kleine Sumpfhuhn. Im Schilf steht ein Mast mit einer besetzten Nisthilfe für Fischadler, die sich von hier schön beobachten lassen. Schließlich gelangt man näher an das Seeufer und kann gut auf die Wasserfläche des Sees blicken. An ehemaligen Schlammpoldern vorbei gelangt man schließlich zur Gahlbergs Mühle und an den Rhin (s. o).

In den Herbstmonaten trifft man auf den landwirtschaftlichen Nutzflächen um den See Kranich- und Gänsetrupps an, beispielsweise an der L 17 zwischen Kietz und Strodehne.



Weitere Beobachtungs- und Freizeitmöglichkeiten

Nur ca. 5 km südlich des Gülper Sees liegt die Große Graben Niederung, die im Frühjahr unbedingt besucht werden muss. Dann ist die Niederung großflächig überschwemmt und Tausende Enten und Hunderte Limikolen nutzen das reiche Nahrungsangebot.

10 km südlich des Gülper Sees liegt der Schollener See (direkt westlich der Ortschaft Schollene). Das 500große Naturschutzgebiet ist ebenfalls ein bedeutendes Gebiet für Wasser- und Röhrichtvögel. Das Havelländische Luch liegt etwa 30südöstlich des Gülper Sees und ist vor allem für sein Großtrappenvorkommen bekannt.


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Infomaterial/Literatur:

Haase, P. & T. Ryslavy (2005): Das Europäische Vogelschutzgebiet (SPA) Niederung der Unteren Havel. Naturschutz und Landschaftspflege in Brandenburg 14: 78-81.

Rutschke, E. & H. Liebherr (1996): Wasser - Wiesen - Wasservögel: Ramsargebiet "Niederung der Unteren Havel/Gülper See". Falke 43: 348-351.

Wagner. C. & C. Moning (2009): Vögel beobachten in Ostdeutschland. Kosmos Verlag, Stuttgart.



Anfahrt

Mit Bahn und Bus:
Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist das Gebiet nicht leicht zu erreichen. Die Ortschaft Rhinow wird von Rathenow (nächster Bahnhof) etwa alle zwei Stunden mit einem Bus angefahren und ist für Besucher, die auf den ÖPNV angewiesen sind, der beste Ausgangspunkt. Einige Busse halten auch in Prietzen, das näher am Südufer des Sees liegt.

Mit dem Auto:
Aus westlicher Richtung über die A 2 kommend verlässt man die Autobahn auf der Abfahrt Brandenburg und fährt dann in nördliche Richtung die B 102 über Brandenburg und Rathenow bis nach Rhinow. Hier muss man entscheiden, ob man sich zunächst dem Südufer (Richtung Gülpe) oder dem Nordufer (über Kietz in Richtung Strohdene; um die Mittagszeit Gegenlicht) des Gülper Sees widmen möchte.

Mit dem Fahrrad:
Das Gebiet kann man mit dem Rad grundsätzlich gut erschließen, da die Landschaft eben ist. Da einige Wege nicht mit dem PKW befahren werden können, ist ein Fahrrad oftmals sogar das ideale Fortbewegungsmittel.


Adressen
- Naturparkverwaltung Westhavelland, Dorfstraße 5, 14715 Parey, Tel.: 033872/74310
- Fremdenverkehrsverband Westhavelland, Kirchplatz 5, 14712 Rathenow, Tel.: 03385/514992
- Informationspunkt Ländchen Rhinow, Lilienthalstraße 3, 14728 Rhinow, Tel.: 033875/30200


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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 7/2009
56. Jahrgang, Juli 2009, S. 245-248
mit freundlicher Genehmigung des AULA-Verlags
AULA-Verlag GmbH, Industriepark 3, 56291 Wiebelsheim
Tel.: 06766/903 141; Fax: 06766/903 320
E-Mail: falke@aula-verlag.de
Internet: www.falke-journal.de

Erscheinungsweise: monatlich
Einzelhelftpreis: 4,80 Euro
Das Jahresabonnement für 12 Hefte ist im In-
und Ausland für 49,- Euro zzgl. Porto erhältlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Juli 2009