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TOURTIP/996: Nationalpark Sächsische Schweiz (Unser Wald)


Unser Wald - 2. Ausgabe, März/April 2012
Zeitschrift der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald

Nationalpark Sächsische Schweiz

von Hanspeter Mayr



"Wenn Sie zum Strand wollten, sind Sie hier 100 Millionen Jahre zu spät." Dieser Hinweis beim Eintritt in das Nationalparkzentrum Sächsische Schweiz in Bad Schandau verdeutlicht Besuchern, dass sie ein Gebirge gesucht, aber eine Erosionslandschaft gefunden haben.

In einem fjordartigen Becken lagerte das Meer der Kreidezeit ein bis zu ein Kilometer mächtiges Sandpaket ab. Tektonische Kräfte hoben die inzwischen verfestigte Sandsteintafel an und fügten ihr ein System von senkrechten Klüften zu. Später eindringendes Regenwasser, Frost, Bäche und Flüsse modellierten die heutige Felslandschaft mit hohen Türmen, tiefen engen Schlüchten - wie die Sachsen sagen - und dem beherrschenden Elbcanyon heraus. Mächtige Tafelberge, wie der Lilienstein, das Wahrzeichen des einzigen sächsischen Nationalparks überragen die Szenerie und ermöglichen Wanderern Genüsse, die sonst Bergsteigern vorbehalten sind. Vulkankegel, wie der Rosenberg im Nationalpark Böhmische Schweiz durchbrachen mancherorts die Sandsteinplatte und schaffen für den Betrachter einen optisch reizvollen Gegensatz. Geologen fassen die Sächsische und Böhmische Schweiz grenzüberschreitend zum Elbsandsteingebirge zusammen. Der vulkanische Basalt ist inzwischen zu nährstoffreichen Böden verwittert und bietet die Grundlage für naturnahe Buchenwälder mit einer vielfältigen Flora.

Mitten zwischen Dresden und Prag gelegen zieht diese Wald-Fels-Landschaft mit ihrem unverwechselbaren Charakter jeden in ihren Bann, der sich auf die dramatischen Höhenunterschiede, den unmittelbaren Kontakt zum Felsen und den Kontrast zwischen windigen Gipfeln und lieblichem Elbtal, endlosen Wäldern und größeren landwirtschaftlichen Flächen einlässt. So erging es auch den Malern der Romantik, allen voran Adrian Zingg und Anton Graff. Die beiden Schweizer machten sich von der Dresdner Kunstakademie auf, die wilde Felsnatur zu entdecken. Faszinierende Ausblicke, spektakuläre Felsformationen, versteckte Wasserfälle, trutzige Burgen und malerische Dörfer boten reichlich Motive, deren Abbilder künftig viele Besucher hierher locken sollten. Die Namensgebung "Sächsische und Böhmische Schweiz" soll ebenfalls auf die beiden Künstler zurückgehen.

Nicht nur die landschaftlichen Reize lockten die Menschen an. Die Bedeutung von Sandstein und Holz als Rohstoff wuchs immer mehr, zumal sich die schweren Lasten vergleichsweise leicht über die Elbe in das nahe Dresden transportieren ließen.

Rund 500 Jahre Waldnutzung sind dokumentiert, bis kurz vor der politischen Wende auch in Form von großflächigen Kahlschlägen. Wiederaufforstung vor allem mit Fichte schien der Weg, den nicht nachlassenden wirtschaftlichen Zwängen nachkommen zu können. Beide Nationalparke Sächsische und Böhmische Schweiz müssen mit diesem Erbe umgehen. Naturnahe Wälder blieben vor allem in unzugänglichen Schluchten und auf Felsriffen erhalten. Sie bedeckten bei Gründung des sächsischen Nationalparks 1990 rund ein Drittel seiner Fläche. Nationalparke bezwecken, Natur ohne lenkende Eingriffe ihrer eigenständigen Entwicklung zu überlassen. Außerhalb der Naturzone A hat die Nationalparkverwaltung Wälder so umgestaltet, dass heute rund 57% des Nationalparks ohne weitere Pflege sich selbst überlassen werden können. Gemäß internationaler Vorgaben wird dieser Anteil mittelfristig auf mindestens 75% der Nationalparkfläche erweitert werden.

Die Pflanzen- und Tierwelt des Elbsandsteingebirges ist weniger durch Artenreichtum gekennzeichnet als vielmehr durch typische, den Reliefextremen angepasste Vertreter der Flora und Fauna. So wächst in den feucht-kühlen Schluchten auf Grund des so genannten "Kellerklimas" montaner Tannen-(Fichten) Buchenwald (Schluchtwald). Die trockenen Felsriffe mit im Winter eisigen, im Sommer heißen Temperaturen können nur sehr anspruchslose Kiefernwaldgesellschaften besiedeln. In einigen Schluchten sind noch Eiszeitrelikte zu beobachten wie das Gelbe Veilchen. Angepasst an die wilde Felsenwelt haben sich beispielsweise Wanderfalke, Uhu oder Schwarzstorch, die in der Sächsischen Schweiz in den Felsen brüten.

Tourismus hat in der Sächsischen Schweiz eine über 200-jährige Tradition. Historische Berggasthäuser genießen im Nationalpark Bestandsschutz. 400 km bestens markierte Wanderwege erschließen über 100‍ ‍Aussichten und zahllose Schluchten. Intensive Naturerlebnisse für die Menschen auf der einen Seite ermöglichen auch ruhigere Bereiche, in denen die Tierwelt Rückzugsräume behält.

Ähnlich konzipiert ist der Bergsport. Über 700 Klettergipfel bieten ein breites Angebot für Kletterer. Es dürfen jedoch nur die einzeln stehenden Klettergipfel beklettert werden. Die weit überwiegende Felsfläche der Massive bleibt damit von Menschen unberührt. Weitere Selbstverpflichtungen enthalten die anspruchsvollen Sächsischen Kletterregeln. Sie sichern die naturverträgliche Ausübung des Klettersports.

Ein hervorragendes Nahverkehrssystem erschließt die Nationalparkregion Sächsische und Böhmische Schweiz für die Besucher. Deutschlands erster Nationalparkbahnhof Bad Schandau ist im Halbstundentakt an das Dresdner S-Bahnnetz und an die EuroCity-Linie Hamburg-Budapest angeschlossen. Von hier erreichen Wanderer alle Highlights diesseits und jenseits der Grenze bequem mit Bus, Fähre oder Bahn. Im wildromantischen Kirnitzschtal fährt Deutschlands einzige Straßenbahn in einem Nationalpark. Die historischen Züge werden zu großem Teil mit Solarstrom angetrieben. Ein deutsch-tschechischer Wanderfahrplan bietet mehr Angebote, als man nutzen kann. Günstige Familientarife machen es schwer, wieder aufs Auto umzusteigen. Naturerlebnis und Entschleunigung in der schönsten Art genießen Gäste auf einer Elbschifffahrt mit den historischen Raddampfern der "Sächsischen Dampfschiffahrt". Seit 1838 bringen die edlen liebevoll restaurierten Schiffe Gäste von Dresden in die Sächsische Schweiz.

Weitere Infos unter
www.nationalpark-saechsische-schweiz.de

Autor
Hanspeter Mayr ist Pressesprecher des Nationalparks Sächsische Schweiz
E-Mail: hanspeter.mayr[at]smul.sachsen.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
- An vielen Stellen warten atembraubende Ausblicke auf das Elbtal
- Östlich von Bad Schandau befinden sich die stark zerklüfteten Affensteine

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Quelle:
Unser Wald - Zeitschrift der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald
2.‍ ‍Ausgabe, März/April 2012, Seite 12-13
Herausgeber:
Bundesverband der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald e.V., Bonn
Redaktion: Meckenheimer Allee 79, 53115 Bonn
Telefon: 0228 / 945 98 30, Fax: 0228 / 945 98 33
E-Mail: unser-wald@sdw.de
Internet: http://www.sdw.de
 
Erscheinungsweise: zweimonatlich
Bezugspreis: Jahresabonnement 17,50 Euro
einschl. Versandkosten und 7% MwSt.
Einzelheft: Preis 3,- Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Mai 2012