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GLOSSE/021: Immer mehr Deutsche zweifeln an sich selbst (Werner Geismar)


Immer mehr Deutsche zweifeln an sich selbst
Regierung plant Straffreiheit bei Selbstanzeige wegen Gesinnungszweifel

von Werner Geismar, Juli 2013



Eine repräsentative Meinungsumfrage des Meinungsforschungsinstituts "Scherz beiseite" ergab, dass 87,5 % Prozent der Deutschen erhebliche Selbstzweifel bezüglich ihrer Gesinnung hegen. Die Bundesregierung reagierte und beschloss eine Gesetzesvorlage zur Straffreiheit bei Selbstanzeige wegen Gesinnungszweifel. Wie ein erster Referentenentwurf zeigt, folgt dieser Gesetzentwurf in seiner juristischen Ausgestaltung den Prämissen der Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung.

Hier die wesentlichen Bedingungen, die zu einer Straffreiheit bei Gesinnungszweifeln führen: Erstens muss die Selbstanzeige zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem staatlichen Behörden wie Verfassungsschutz, BND, Militärischer Abschirmdienst, Bundespolizei oder Zoll noch keine stichhaltigen Erkenntnisse vorliegen, die Zweifel an der richtigen Gesinnung des Selbstanzeigenden begründen könnten. Zweitens muss die Selbstanzeige umfassend sein und ausnahmslos sämtliche Selbstzweifel detailliert auflisten. Es genügt also nicht, in der Selbstanzeige zu erklären: "Ich habe daran gezweifelt, dass die Regierung der USA mein Freund ist." Damit die Selbstanzeige zur Straffreiheit führt, müsste dieser Punkt wie in diesem Beispiel formuliert sein: "Ich habe am 22.06.2013 um 17:02 Uhr während meiner Dienstreise mit dem eigenen PKW, amtliches Kennzeichen Xxxxxxx, im Stau am Kamener Kreuz Zweifel gehabt, dass die Regierung der USA mein Freund ist." Auch die jeweilige Dauer des Zweifels und sein Fortbestand oder Nichtfortbestand müssen angegeben werden. In unserem Beispiel müsste also fortgefahren werden: "Dieser Zweifelszustand dauerte bis 17:03 Uhr an und wurde durch die Durchsagen des Verkehrsfunks meines Autoradios vertrieben." Zur Straffreiheit bei Selbstanzeige wegen Gesinnungszweifeln kommt es erst dann, wenn die Selbstanzeige mit dem Gesinnungsprofil, das von BND und Verfassungsschutz unter Berücksichtigung entsprechender Profile, die durch ausländische Geheimdienste für die entsprechende Person erstellt wurden, abgeglichen wurde und in dem jeweiligen Abgleich keinerlei Lücken oder fehlerhafte Details entdeckt wurden. Im gleichen Referentenentwurf wurde die Strafandrohung wegen falscher Gesinnung drastisch erhöht. Beim Tatbestand der fahrlässigen falschen Gesinnung wurde das Mindeststrafmaß auf zwölf Monate Isolationshaft mit Bewährung angehoben. Wird vorsätzliche falsche Gesinnung festgestellt, reicht die Strafe von drei Jahren bis 20 Jahren Isolationshaft mit der Möglichkeit anschließender Sicherheitsverwahrung.


Die Meinungsfreiheit schließt das unbequeme Recht auf Kritik, Witz, Satire, das Spiel mit Symbolen und Respektlosigkeit gegenüber Autoritäten ein.

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Quelle:
© 2013 by Werner Geismar, Remagen
mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Juli 2013