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BERICHT/179: Humanistische Schule in Bayern abgelehnt (diesseits)


diesseits 2. Quartal, Nr. 79/2007 -
Zeitschrift des Humanistischen Verbandes

Humanistische Schule in Bayern abgelehnt

Von Michael Bauer


Nürnberg - Das Verwaltungsgericht Ansbach findet eine Humanistische Schule in Bayern überflüssig. Die Urteilsbegründung fällt aber offenbar schwer.


Das Verwaltungsgericht Ansbach wies am 9. Februar die Klage des HVD-Nürnberg gegen die Ablehnung der Humanistischen Schule durch die Regierung von Mittelfranken ab. Die Richter hielten bayerische Grundschulen bereits für reformpädagogisch genug. Ein anders lautendes Fachgutachten wurde verworfen.

Mit Unverständnis reagiert der HVD-Nürnberg auf das Urteil. "Unser Konzept hat diese Abfuhr nicht verdient", so der HVD-Vorsitzende Helmut Fink. Das eingereichte pädagogische Konzept der geplanten Ganztagsschule umfasst unter anderem eine ausgeprägte Schuldemokratie, Einbindung der Eltern, Sozialpädagogen als unterrichtsergänzende Mitarbeiter, eine Portfolio-Bewertung anstelle der Ziffernnoten, altersübergreifendes Unterrichten, kleine Klassen, individuelle Förderung in Projekt- und Lerngruppen, einen umweltpädagogischen Schwerpunkt mit einem festen Wochentag im Freien sowie das Fach Humanistische Lebenskunde für die konfessionsfreien Schülerinnen und Schüler.

Humanistisches Menschenbild

"Nach dem Gedanken der Best Practice haben wir aus innovativen und klassischen reformpädagogischen Ansätzen unter dem Dach des humanistischen Menschenbildes ein neues pädagogisches Gesamtkonzept geformt. Die reformpädagogischen Ansätze, die im Konzept für die Humanistische Schule Fürth zu einem Humanistischen Schulkonzept zusammengeführt worden sind, stehen in einer inneren Verbindung mit dem zugrunde liegenden humanistischen Menschenbild. Dieses Gesamtkonzept zieht die Konsequenzen aus den PISA-Ergebnissen und berücksichtigt neueste Erkenntnisse der Hirn- und Lernforschung", erklärt der Verband. Es sei so noch nirgends verwirklicht worden.

"Kein besonderes Interesse"

Die Einholung eines eigenen pädagogischen Fachgutachtens zur Beurteilung des Konzepts hatte das Gericht abgelehnt. Die vom HVD vorgelegten Gutachten und Stellungnahmen bayerischer Pädagogik-Professoren, die allesamt zu einem eindeutig positiven Ergebnis kamen, wurden vom Gericht zwar als kompetent anerkannt, aber dennoch entschied es ausdrücklich gegenteilig. Ein "besonderes pädagogisches Interesse" an dem Schulkonzept bestehe nicht, weil die bayerischen staatlichen Grundschulen bereits so arbeiten würden. Die Schuldemokratie sei durch Elternbeirat und Schülermitverwaltung verwirklicht, Umweltpädagogik fände bereits am Wandertag oder bei Ausflügen statt.

"Die Richter können bayerische Schulen nur vom Hörensagen kennen, sonst würden sie so etwas nicht behaupten", wundert sich Ulrike von Chossy, zuständige Projektleiterin beim HVD-Nürnberg. Helmut Fink pflichtet ihr bei: "Wir wollen nach wie vor eine weltoffene Schule, an der ein humanistischer Geist herrscht. Jetzt werden wir die rechtlichen Schritte gegen dieses Urteil prüfen und parallel dazu überlegen, ob wir anstatt der bisher beantragten Ersatzschule nicht doch eine weltanschauliche Schule analog zu den christlichen Bekenntnisschulen gründen werden."

Alternative Weltanschauungsschule

Offenbar fällt es den Richtern aber schwer, ihr Urteil auch zu begründen. Nicht nur, dass das Verwaltungsgericht zwei volle Jahre brauchte, bis es endlich einen Termin für eine mündliche Verhandlung ansetzte, nun wartet der HVD schon 10 Wochen auf das schriftliche Urteil und seine Begründung. Wie es aus dem Gericht heißt, seien "schwierige Rechtsfragen" zu klären - bemerkenswerterweise erst nach der Urteilsfindung.

Wenn die Begründung endlich vorliegt, wird der HVD-Nürnberg Rechtsmittel gegen dieses unglaubliche Urteil prüfen. Zusätzlich wird nun als Alternative die Konzeption einer Weltanschauungsschule vorangetrieben. Diese soll noch dieses Jahr beantragt werden.


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Quelle:
diesseits 2. Quartal, Nr. 79/2007, S. 7
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Juli 2007