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KIRCHE/0006: Der heilige Vater - Interview mit Gerhard Feldbauer (NRhZ)


NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung
Online-Flyer Nr. 233 vom 20.01.2010

Unheilige christliche Tradition
Der heilige Vater

Von Hans-Dieter Hey


Für weltweite Entrüstung und die Erschütterung Friedensbewegter sorgte vor Jahren die Aussage des Kölner Kardinals Joachim Meissner anlässlich eines Soldatengottesdienstes: "Einem Gott lobenden Soldaten kann man guten Gewissens Verantwortung über Leben und Tod anderer übertragen, weil sie bei ihm gleichsam von der Heiligkeit Gottes mit abgesegnet sind." Dazu passt vielleicht das soeben erschienene Buch "Der heilige Vater", das im PapyRossa Verlag erschienen ist und böse Streiflichter auf das Papsttum wirft - und die Widersprüchlichkeit des neuen Papstes Benedikt XVI enthüllt. Ein Interview mit dem Historiker und Autor Gerhard Feldbauer.


Frage: Am 21. Januar gab es vor dem Kölner Dom wieder einen Soldatengottesdienst. Nach Joachim Kardinal Meissner sind in betenden Händen Waffen doch gut aufgehoben. Was sagen ihnen Soldatengottesdienste?

Feldbauer: Waffen die neuen Kriegen um einen Anteil des deutschen Kapitals an der Weltherrschaft, um Einflusssphären und Rohstoffressourcen, wie in Afghanistan dienen, richten Schaden und Unheil an. In Afghanistan erteilen mit dem Segen eines Kardinal Meissner wieder deutsche Militärs kriegsverbrecherische Befehle zur Tötung von Zivilisten. In Kundus waren das über 140, darunter zahlreiche Frauen und Kinder. Damit stellen sich solche Soldatengottesdienste in eine unheilvolle Tradition.

Frage: Im Stern vom 20. Januar legte die Ratsvorsitzende der EKD, Margot Käßmann, in ihrer Kritik am Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr nochmal nach: "Wir brauchen Menschen, die gegen Gewalt und Krieg aufbegehren." Die katholische Kirche hält sich dagegen auffällig zurück.

Feldbauer: In der Position von Bischöfin Käßmann spiegelt sich die zunehmende Ablehnung des Kriegseinsatzes der Bundeswehr in Afghanistan durch eine Mehrheit der Bevölkerung wider. Laut Umfragen sind das derzeit 67 Prozent. Die kritische Haltung der EKD-Ratsvorsitzenden fand einen starken Widerhall in der Öffentlichkeit. Das war es wohl, was den Vorsitzenden von Pax Christi, den Fuldaer Bischof Josef Algermissen, veranlasste, sich ebenfalls zum Kriegseinsatz der Bundeswehr zu äußern. Er bezeichnete den Afghanistaneinsatz als gescheitert und sprach sich ebenfalls für einen Rückzug aus. Allerdings nicht für einen sofortigen. Das dient den Plänen, die von einem Truppenabzug bis 2013 sprechen, um die wachsende Protestbewegung erst einmal zu stoppen, zu vertrösten. Das soll den Weg frei machen, den Krieg, wie es US-Präsident Barak Obama beabsichtigt, zu intensivieren. Dennoch sollte man nicht übersehen, dass Personen der Kirchen und christlicher Organisationen und Institutionen beider Konfessionen, so von Pax Christi, der Bistümer und Ordensleute, heute breiten regionalen Antikriegsbündnissen angehören. Ein Beispiel dafür ist die Fuldaer Erklärung, die einen sofortigen Truppenabzug aus Afghanistan fordert, über welche die NRhZ in dieser Ausgabe berichtet.

Frage: Offenbar erhielten auch Militärs päpstliche Orden für ihr Handwerk. Hat diese christliche Legitimation von Krieg eine ganz unheilige Tradition?

Feldbauer: Ich möchte einfach ein Beispiel für diese seit Jahrhunderten praktizierte unheilige Tradition anführen. Nämlich, dass darin der Würger der spanischen Volksfrontregierung, der Massenmörder des spanischen Volkes, Franco, den obersten Platz einnimmt. Pius XII. verlieh ihm 1954 den Christusorden, die höchste Auszeichnung des Vatikans. Päpstliche Orden für die Vertreter des Kriegshandwerks sind auch Praxis unter dem deutschen Papst. Erst kürzlich erhob er General Jan Oerding zum Ritter des Silvesterordens. Mit Oerding ehrte er bezeichnenderweise einen Militär, der sich als Befehlshaber des Kommandos der operativen Führung der Eingreifkräfte der Bundeswehr bis Ende 2008 um deren weltweiten Einsatz besonders verdient gemacht hat.

Frage: Kommen wir zu Joseph Ratzinger, Papst Benedikt XVI. Kritikern gilt er als Spalter, nicht nur des Christentums, sondern im "Kulturkampf" gegen den Islam. Volker Beck von den Grünen bezeichnete ihn einmal als "Hassprediger".

Feldbauer: Das ist völlig zutreffend. Dabei geht der hochqualifizierte Theologe wohlüberlegt, um nicht zu sagen hinterhältig vor. So wenn er die 2. Koran-Sure falsch zitierte, die den monatelangen Konflikt mit den Muslimen in aller Welt auslöste. In geradezu raffinierter Weise hat Benedikt - in den Details korrekt - das so montiert, dass es camoufliert als Zitat eines mittelalterlichen byzantischen Kaiser dem Propheten Mohamed attestierte, dieser habe nichts Neues, sondern "nur Schlechtes und Inhumanes" gebracht.

Aber er sät Hass nicht nur gegen Andersgläubige, nicht zu sprechen von Ungläubigen, sondern auch gegen nichtkatholische Christen. So deklarierte er mehrfach, dass keine Religion an die christliche, keine christliche Kirche an die katholische herankomme. Er gehört zu den Autoren der Erklärung "Dominus Jesus", in der den evangelischen Christinnen und Christen das Kirchensein abgesprochen wird.

Frage: Äußerst fragwürdig waren auch seine Selig-, Heiligsprechungen oder Rehabilitationen.

Feldbauer: Genau. Zu seinem ersten Heiligen ernannte Benedikt während seiner Brasilienreise 2007 Franziskanerpater Antonio Galvao (1739-1822), dessen "Marienverehrung" er bezugnehmend auf jegliche Ablehnung der weit verbreiteten Forderungen nach einer Legalisierung von Schwangerschaftsunterbrechungen, als "Gewähr mütterlichen Schutzes" pries. Außerdem richtete sich die Heiligsprechung eindeutig gegen die Befreiungstheologie, die er erneut scharf verurteilte.
Von bedeutend schwererem Kaliber war im Oktober 2007 seine Seligsprechung von 498 Kreuzrittern Francos, Geistlichen, die auf der Seite des Caudillo ums Leben kamen. Es war nicht nur die bisher zahlenmäßig größte in der Geschichte der Kurie, sondern ihr kam auch eine aktuelle Stoßrichtung zu. Die sozialdemokratisch geführte spanische Regierungskoalition hatte angekündigt, per Gesetz die Verbrechen unter dem Franco-Regime zu verurteilen und den noch lebenden Opfern eine (wenn auch geringfügige) Wiedergutmachung zu gewähren.

Mit dieser Beatifikation schloss sich der deutsche Papst offen der unheilvollen Tradition des Bündnisses der Kurie mit Reaktion und Faschismus an. Als nächstes will Benedikt diesen Kurs mit der Seligsprechung Pius XII. krönen. In dieser Tradition liegt auch das im Januar 2009 erlassene Dekret über die Rehabilitierung der exkommunizierten klerikalfaschistischen Piusbrüder. Zu ihnen gehört bekanntlich der Holocaustleugner Richard Williamson aus Großbritannien. Die 1970 gegründete, nach Pius X. (Papst (1903-1914) benannte Bruderschaft steht mit ihrem Hass auf Juden, Muslime, Homosexuelle und alle irgendwie Abtrünnigen auf dem äußersten rechten Flügel des Katholizismus. Sie pflegte und pflegt Beziehungen zum weiter bzw. wiedererstehenden Faschismus der Nachkriegszeit, so zu Front National-Chef Jean Marie Le Pen. Es gibt weitere klerikalfaschistische Organisationen, zu denen Benedikt enge Beziehungen unterhält.

Frage: ....z.b. Opus Dei....

Feldbauer: Sie sagen es. Das Opus Dei wurde 1928 von Maria Escriva de Balaguer gegründet, der bis zu seinem Tod 1975 sein Generalpräsident blieb. Der Gründer war ein "verständnisvoller Freund" Hitlers und er unterstützte den Putsch gegen die spanische Volksfrontregierung und den blutigen Terror des Franco-Regimes und seiner deutschen und italienischen Verbündeten. Acht Opus Dei-Mitglieder traten in die Regierung des "Caudillo" ein. Ebenso später in die Putschregierung Pinochets in Chile. Die Tatsache der Ermordung von sechs Millionen Juden, bezeichnete Balaguer als "völlig übertrieben". Dieser Geist bestimmt heute unverändert das Opus Dei. Unter Papst Wojtyla wurde Balaguer 1982 selig- und nach einem Eilverfahren bereits zehn Jahre später heilig gesprochen, was zur Grundlage einer Entwicklung von Opus Dei zu einem Machtzentrum im Vatikan wurde, das zweifelsohne auch an der Wahl Ratzingers zum Pontifex emsig mitwirkte. Mehrere ranghohe Gotteswerker sind heute in führenden Positionen im Umfeld von Benedikt tätig. Wenn Leser der "Neuen Rheinischen Zeitung" einmal in Rom sind, sollten sie bei einem Besuch den Petersdom etwas näher betrachten. An dem Bauwerk hat Benedikt eine fünf Meter hohe Marmorskulptur Balaguers anbringen lassen. Der Klerikalfaschist gehört damit zu den 150 Heiligen, deren Konterfeis die Außenseite des Petersdomes zieren. Zur besonderen Hervorhebung seiner Verbundenheit ließ Ratzinger am Sockel Balaguers neben dem Wappen seines Vorgängers Wojtyla und sein eigenes anbringen.

Frage: Vielen gilt Papst Benedikt als der reaktionärste Papst der Nachkriegszeit.

Feldbauer: Das trifft absolut zu. Bei ihm dürfte mit weit Schlimmerem als bei seinem Vorgänger zu rechnen sein. Er ist 82 Jahre alt. Ein so langes Pontifikat wie Wojtyla wird ihm nicht beschieden sein. Also hat er auf nichts mehr Rücksicht zu nehmen. Von seinen Vorgängern unterscheidet ihn, dass er seinem extrem reaktionären kirchenpolitischen Programm auf Grund seiner Vertrautheit mit der Dogmengeschichte eine schwer anzufechtende theologische Grundlage zu geben vermag. Bereits sein Werdegang als Theologe war, verpackt in Reformgebaren, in der Substanz von Rechthaberei und Unbelehrbarkeit charakterisiert. Seine ersten Amtsjahre bestätigen, dass er als "Stellvertreter Gottes auf Erden" sich als erster Kirchenlehrer fühlt, der diese Rechthaberei und Unbelehrbarkeit nun ins Unerträgliche steigert.

Frage: Offenbar verteidigt der Papst auch die kapitalistische Ordnung?

Feldbauer: Dieser Papst wird alles tun, um das Herrschaftsgefüge der katholischen Kirche als einer absolutistischen Macht zu sichern. Dabei dient er sich den staatlichen Mächten als unverzichtbarer Verbündeter bei der Zurückschlagung aller Angriffe auf das Privateigentum als gottgewollter Weltordnung an, der dazu die Gläubigen in Demut und Gehorsam gegenüber der Obrigkeit und der Kirche hält. Seine Kirche soll auch heute die entscheidende geistliche Basis der Gesellschaft und des Staates bilden. Denn ein Staat ohne Christentum ist, wie Ratzinger postulierte, "eine Räuberbande". Das gerät schon in die Nähe der "Schurkenstaaten" von Ex-Präsident Bush und seiner "Achse des Bösen".

Frage: Offenbar ist die Kirche auf einem Rollback in ihre Tradition. Ich denke, Ihr Buch kommt als Buch der Aufklärung gerade richtig. Vielen Dank für das Interview. (HDH)


Dr. sc. phil. Gerhard Feldbauer ist Historiker und hat sich in italienischer Geschichte habilitiert. Er ist freiberuflicher Publizist und war langjähriger Pressekorrespondent in Italien und Vietnam und veröffentlichte zahlreiche Bücher.


Gerhard Feldbauer:
Der heilige Vater - Benedict der XVI - Ein Papst und seine Tradition
PapyRossa Verlag, 2010
210 Seiten, ca. 14,90 Euro
ISBN 978-3-89438-415-9


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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Januar 2010