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STANDPUNKT/004: Vegan leben - Das Rezept für Gesundheit (natürlich vegetarisch)


natürlich vegetarisch 03/08 - Sommer 2008
Das VEBU Magazin

Vegan leben
Das Rezept für Gesundheit

Interview mit der indischen Ärztin Dr. Nandita Shah


Die Ärztin Dr. Nandita Shah lebt in Auroville in Südindien. Sie ist eine der wenigen vegan lebenden Ärztinnen dieser Welt und anerkannte Homöopathin in dritter Generation. Dr. Shah zählt zu den Unterzeichnerinnen des Manifesto 2007 der European Vegetarian Union. Sie ist für verschiedene Tierrechtsorganisationen aktiv und Initiatorin von SHARAN (bei Mumbai) Sanctuary for Health and Reconnection to Animals and Nature. Guido Barth hat sie interviewt.


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GUIDO BARTH: Bitte fassen Sie kurz zusammen, welche Beweggründe bei Ihrem Engagement für Gesundheit und vegane Ernährung eine Rolle spielen.

NANDITA SHAH: In der Homöopathie geht es ja um den ganzheitlichen Ansatz, dem gegenüber steht der allopathische Ansatz der Schulmedizin. Was Schulmedizin bedeutet, weiß ich recht gut, schließlich bin ich ausgebildete Ärztin. Dass in der Ausbildung die Ernährung nur eine untergeordnete bis gar keine Rolle spielt, widerspricht ganz und gar meinem Verständnis von einem verantwortungsvollen Umgang mit der eigenen Gesundheit. Ich lehrte schon sehr lange Homöopathie, bevor ich mich intensiv mit der Ernährung und deren Wirkungen auf Körper und Gesundheit beschäftigt habe. Seit sechs Jahren lebe ich jetzt vegan, vorher habe ich 20 Jahre vegetarisch gelebt. Zuerst konnte ich meinen Patienten nur einige Tipps zur Ernährung geben. Mittlerweile habe ich Patienten, die ich darüber behandle.

GUIDO BARTH: Sie leiten das Animal Sanctuary SHARAN, daraus ergibt sich, dass Sie ein nachhaltiges Interesse an Tieren und der Natur haben.

NANDITA SHAH: Ja, selbstverständlich, das ist mir sehr wichtig. Ich spreche z.B. häufig über die negativen Auswirkungen der "Fleischproduktion" auf die Umwelt. Zum Glück wird diese Gefahr allmählich ernster genommen. Die katastrophalen Lebensumstände der Tiere verbessern sich leider nur langsam. In Indien sehe ich konkret Fortschritte bei der Human Society, die sich für die Abschaffung der Käfighaltung von Legehennen stark macht.

GUIDO BARTH: Sie reisen viel und geben Seminare und Workshops, welche Erfahrungen machen Sie mit den Teilnehmern?

NANDITA SHAH: Das ist ganz unterschiedlich, im Mai z.B. habe ich einen Workshop in Irland gegeben. Eine Frau aus Deutschland kam zu mir und bat mich um ein Gespräch. Sie war stark übergewichtig und erzählte mir, dass sie Herzprobleme habe - die typischen Symptome bei "Normalkost". Ich erklärte ihr die Zusammenhänge von Ernährung und Gesundheit. Schließlich wollte sie es auf einen Versuch ankommen lassen und entschied sich für die vegane Ernährung.

GUIDO BARTH: Welchen Problemen sah sich die Frau gegenüber?

NANDITA SHAH: Das waren emotionale Probleme, sie war etwas deprimiert, und in ihrer Familie und ihrem Bekanntenkreis hat es gelegentlich Bemerkungen gegeben. Wir haben uns weiterhin über E-Mail ausgetauscht, und ich habe sie immer bestärkt.

GUIDO BARTH: Was passierte weiter?

NANDITA SHAH: Im ersten Monat hat sie ungefähr fünf Kilogramm abgenommen, in den Monaten darauf noch einmal zehn Kilogramm. Nach einem Vierteljahr waren ihre Herzprobleme verschwunden, und sie brauchte keine Medikamente mehr. Heute, nach gut einem halben Jahr, fühlt sie sich wunderbar. Das geht sicher nicht immer so einfach, aber dieser Fall zeigt das Potential einer gesunden Ernährung.

GUIDO BARTH: Wie laufen Ihre Workshops ab?

NANDITA SHAH: Ich möchte den Teilnehmern einen guten Überblick geben: theoretisch und praktisch. Damit sie auch gleich erleben, wie leicht und lecker veganes Essen sein kann, kochen und essen wir gemeinsam. Theoretisch behandle ich die Zusammenhänge von Ernährung, körperlichem Befinden und Gesundheit. Ich erkläre, wie der Körper auf verschiedene Nahrungsmittel reagiert, etwa dass ihn tierische Nahrungsmittel allgemein übersäuern und ermüden. In Einzelfällen, z.B. bei Milch, vermittle ich die Hintergründe, die zeigen, warum Milch kein gesundes Nahrungsmittel ist. Seit 1981 habe ich in Mumbai beobachtet, dass proportional zur Zunahme des Verzehrs von Milch und Milchprodukten die psychischen Erkrankungen zugenommen haben. Ursache und Wirkung sind offensichtlich.

GUIDO BARTH: Wie funktioniert das Gesundheitssystem in Indien?

NANDITA SHAH: Das Gesundheitssystem hängt direkt mit der Pharmaindustrie zusammen. Die Krankenhäuser werden heute von Managern geführt, die überhaupt nichts mit Medizin zu tun haben. Die Ärzte handeln nach strikten Regeln und müssen sich an Profit orientierten Zielen ausrichten. Dass der Patient darunter leidet, wird auch einem Laien sofort klar. Wenn Krankenhäuser kostenlose Krebsvorsorge-Untersuchungen anbieten, tun sie dies nicht, weil sie sich Sorgen machen, ob du Krebs hast oder nicht. Sie wollen schlicht die Ersten sein, die ihn entdecken und dann behandeln. Krebs ist eine der vielen hoch profitablen Krankheiten.

GUIDO BARTH: Was bedeutet für Sie der Einsatz von Medikamenten zur Behandlung von Krankheiten?

NANDITA SHAH: Die Menschen, die zu mir kommen, sollen so schnell wie möglich ihre Medikamente absetzen können; ganz gleich, an welcher Krankheit sie leiden: Bluthochdruck, Herzprobleme, Diabetes usw.

GUIDO BARTH: Welche Ziele verfolgen Sie mit Ihrem SHARAN?

NANDITA SHAH: Die Menschen wenden sich immer mehr von den Tieren ab. Sie können ihnen nicht in die Augen schauen, weil sie wissen, dass jene früher oder später für die Ernährung getötet werden. Wir möchten, dass sich die Menschen wieder den Tieren zuwenden. Das nennen wir "Reconnection". Wer eine Verbindung zu Tieren hat, wird keine Tiere essen.

Interview von Guido Barth


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Quelle:
natürlich vegetarisch 03/08 - Sommer 2008, S. 18-19
59. Jahrgang
Vegetarierbund Deutschland e.V. (VEBU)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juni 2008