Schattenblick →INFOPOOL →WELTANSCHAUUNG → VEGETARIER

VEGETARIERBUND/338: Mediamarkt bringt vegetarische Sternekost (natürlich vegetarisch)


natürlich vegetarisch 03/08 - Sommer 2008
Das VEBU Magazin

Das ist doch nicht blöd
Norbert Walters Radieschen Marché & Café in Weiterstadt
im "Mediamarkt" bringt vegetarische Sternekost

Von Guido Barth


Wie immer - der "Mediamarkt" Parkplatz ist voll. Es ist kurz vor Mittag und aus einer Imbissbude steigt Rauch auf. Ein weiß bekittelter Mann hinter dem Tresen legt Fleischiges auf seinen Grill. Der Geruch von schwerem Fett sättigt die Luft. Wer hier einkehrt, liebt es tierisch und gewöhnlich. Das Besondere findet man hier nicht, das gibt es woanders, dahinter sozusagen. Um zum Besonderen zu gelangen, muss man diese Wand aus fettiger Luft überwinden - irgendwie. Hat man das geschafft und steht im "Mediamarkt", lockt frischer Café-Duft. Der kommt aus der Küche des Radieschen Marché & Café. Das ist der Name des bundesweit ersten und bisher noch einzigen vegetarischen Restaurants in einem "Media-markt" Ein Coup! Zumal die von allen Seiten einsehbare Küche direkt in den Verkaufsraum integriert ist.

Jetzt erwachen auch die Sinne wieder zu neuem Leben. Gleich hinter dem Eingangsbereich befinden sich die Küche und die Sitzplätze. Über den vielen Haushalts- und Küchengeräten thront, wie eine Kuppel, eine riesige Edelstahl-Abzugshaube über dem Küchen-Carée. Darunter tummeln sich drei Köchinnen in geschäftiger Eile. Wer möchte, kann direkt am Tresen Platz nehmen und der choreographisch anmutenden "Kochzauberei" zuschauen. Die Handgriffe sitzen perfekt: Kräuter streuen, Teig kneten, schneiden, rühren und würzen - wer das sieht, der fühlt, das hier Gutes entsteht. Auf einer hellgrünen Kunstrasen-Wiese bieten Tische und Stühle weitere Sitzplätze.

Der Spitzen-Koch Norbert Walter steht heute nicht in der Küche. Er ist es, der das Team vom Radieschen Marché & Café führt, und er kann sich auf seine Leute verlassen. Angesprochen auf den Ruf der vegetarischen Küche, antwortet er, das Vegetarische werde immer populärer, das liege auch darin begründet, dass viele Restaurants vegetarisches Essen nicht mehr nur als Pflichtangebot betrachteten. "Wer erstmal begriffen hat, was alles mit 'Gemüse' möglich ist, zweifelt nicht daran, dass es bald die ersten vegetarischen Restaurants geben wird, die mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet werden".

Der "Mediamarkt"-Geschäftsführer Michael Schäfer, verantwortlich für 110 Menschen, sagt über seine Zielgruppe: "Wer glaubt, hier würden nur Leute kaufen, die sich mit dem Werbeslogan, "Ich bin doch nicht blöd", oder "Das kauf ich Dir ab" identifizierten, der liege falsch. Natürlich gibt es die, aber unsere Kunden kommen aus allen Schichten." Michael Schäfer lebt selbst seit zwanzig Jahren vegetarisch, und er ist ein Genussmensch. Das braucht er nicht extra zu sagen, man sieht es. Er engagiert sich stark im Tierschutz und sammelt regelmäßig Geld für die Tierheime der Umgebung. "Bei diesem Thema den Zeigefinger zu heben", mahnt er, das bringe allerdings überhaupt nichts. "Ich bin ein Macher, und auch mit diesem neuen Experiment sehe ich mich bestätigt. Die Leute kommen, werden neugierig und probieren das mal aus. Und sie sind begeistert. Das Beste aber ist: Sie reden auch darüber. Soviel Werbung können wir gar nicht machen".

Die Gäste schwärmen von dem exquisiten Essen: das Auge beglückende, vor Vitaminen strotzende Salate, Delikates aus dem Backofen, raffinierte Reisgerichte und phantasievolle Desserts. Auch wenn viele Menschen viel Wert auf gesunde Nahrungsmittel legen, kaufen doch die wenigsten tatsächlich biologische Lebensmittel ein. Wenn man die Gäste fragt, ist vielen der Unterschied noch gar nicht richtig bewusst. Norbert Walter wirft ein: "Wir wollen das Leben genießen, und dazu gehört einfach auch Essen von höchster Qualität, sowohl von der Herkunft als auch von der Zubereitung her. Den rustikalen Stil, der dem Vegetarischen oft noch anhängt, findet man bei uns nicht".

Ein Clou des Experiments: Technik und Geräte in der Radieschen Marché & Café Küche stammen alle aus dem "Mediamarkt"-Angebot. "Die Gäste können gleich sehen, wie sich die Geräte im harten Alltags-Einsatz bewähren, und sich bei uns informieren", sagt Vera, die selbst in der Sterneküche groß geworden ist und nun im Radieschen die vegetarische Küche auf hohem Niveau zelebriert. "Fragen nach den Funktionen und der Bedienung sind am häufigsten, und wer ein Gerät mal ausprobieren will, kann das auch machen". Michael Schäfer hält fest: "Das bringt Synergien - die sind für uns als Unternehmen wichtig". Bisher ist es noch ein Experiment, denn nur wenn diese "Symbiose" erfolgreich ist, stehen die Chancen gut, dass in weiteren Schritten andere MediaMärkte dem Beispiel folgen. "Die Voraussetzung ist natürlich, dass es sich auch finanziell lohnt, sonst können wir das nicht machen", sagt Schäfer ganz leidenschaftslos.

Die Idee zu dem Projekt ist bei einem guten Glas Wein entstanden. "Das bisherige Fazit ist dank der wunderbaren Kooperation mit Michael Schäfer überaus positiv", freut sich Norbert Walter. Er betont auch immer wieder seine hohen Ansprüche: "Ich möchte nicht mit Restaurants verglichen werden, die bei ihrem vegetarischen Angebot noch voll auf ihren Grünkern-Burger setzen. Wir machen hier eine hochwertige Küche und sind ganz und gar auf Genuss ausgerichtet".


*


Quelle:
natürlich vegetarisch 03/08 - Sommer 2008, S. 20-21
59. Jahrgang
Vegetarierbund Deutschland e.V. (VEBU)
Redaktionsadresse:
Hartenbrakenstr. 15, 30659 Hannover
Telefon: 0511/64 79 755, Fax: 0511/36 32 007
E-Mail: redaktion@vebu.de
Internet: www.vebu.de

natürlich vegetarisch erscheint viermal jährlich.
Das Einzelheft kostet 3,50 Euro.
Abonnement: jährlich 14 Euro, (Ausland 20 Euro).
Das Abo ist im Falle einer Mitgliedschaft enthalten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Juni 2008