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VEGETARIERBUND/342: Vietnam vegetarisch (natürlich vegetarisch)


natürlich vegetarisch 01/09 - Winter 2008/2009
Das VEBU Magazin

Vietnam vegetarisch

Von Stefanie Degner


Als Vegetarier/in in Vietnam unterwegs zu sein gleicht einem kulinarischen Abenteuer. Die Auswahl an vegetarischen Ingredientien ist zwar riesig, doch genauso hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass diesen Lebensmitteln in irgendeiner Form Fleisch, Fisch oder Shrimps hinzugefügt wurden. Ein kulinarischer Blick von Stefanie Degner auf die "Bambusstange mit zwei Reisschalen" - so eine humorvolle geografische Beschreibung von Vietnam: Denn im Norden und Süden liegen zwei fruchtbare, reisliefernde Flussdeltas, dazwischen als Verbindung ein schmales, eher karges, von Wald und Gebirge geprägtes Gebiet...


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Während die vietnamesische Küche besonders im Norden stark von der chinesischen beeinflusst ist, sind im Süden zahlreiche Einflüsse der Thai, der Khmer und der Inder vorzufinden. Zu einem reichen vegetarischen Angebot hat hier vor allem der Buddhismus beigetragen. Außer den Mönchen ernähren sich die meisten Vietnamesen jedoch omnivor. Eine Ausnahme bilden der 1. und 15. Tag eines jeden Monats im chinesischen Mondkalender. An diesen Tagen speisen die meisten Buddhisten vegetarisch. Geselliges Zusammensitzen und Essen nimmt einen besonderen Stellenwert in der vietnamesischen Kultur ein. Auf kleinen Plastikhockern am Straßenrand sitzend, beziehen viele Vietnamesen ihre Speisen und Getränke zumeist von mobilen Straßenständen, die man überall sieht, wo es Menschen gibt.

Grundnahrungsmittel in Vietnam sind vor allem Reisprodukte und verschiedene Arten von Gemüse. Die vielfältigen Fisch- und Fleischgerichte schließen fast alle essbaren Tiere ein wie Schlangen, Aale, Frösche, Ratten, Stachelschweine und in Nordvietnam auch Hunde. Nationalgericht Nummer eins und oft die erste Mahlzeit des Tages, ist Pho - Vietnamesische Nudelsuppe. Sie enthält Reisnudeln, Hühner oder Rindfleisch sowie Kräuter und Bohnensprossen. Mit heißer Fleischbrühe übergossen, wird Pho in einer Schale samt Löffel und Stäbchen serviert. Im Gegensatz zu den meisten Straßenständen ist es in vielen Restaurants möglich, eine fleischfreie Alternative aus Gemüsesud serviert zu bekommen. Berühmt ist Vietnam auch für seine Frühlingsrollen, die roh, gebraten oder frittiert gegessen werden. Oftmals sind Schrimps oder Schweinefleisch enthalten, doch es gibt sie auch vegetarisch. Zu den meisten Hauptgerichten wird eine Gemüsebrühe gereicht, in welchem das zum Gericht gehörige Gemüse gekocht wurde. Als Vegetarier sollte man aber wissen, dass oftmals auch Shrimps oder Fleisch hinzugefügt werden. Außerdem wird stets Soja - und Fischsauce in kleinen Schälchen serviert, worin man beliebig seine Häppchen dippt. Die dunkelbraune Soja- und die klare, hellgelbe bis orangefarbige Fischsauce sind eindeutig auseinander zu halten und gewöhnlich mit klein geschnittenen Chili-Schoten angereichert. Fischsauce gilt als Hauptwürzmittel der Vietnamesen und wird in vielen Suppen direkt verwendet. Um als Vegetarier sicherzugehen, fisch- und fleischfrei zu essen, ist es empfehlenswert, vietnamesisches Vokabular mit sich zu führen, da man mit englisch nicht immer weiter kommt.(*)

Fast überall, wo es Essen gibt, wird Grüner Tee mit Eis gratis dazuserviert. Es gilt als unhöflich, nicht zumindest etwas davon zu trinken. Das Glas wird immer wieder aufgefüllt, es wird jedoch nicht erwartet, dass man alles trinkt. Zudem sind fast immer Bier (lokal produziert und importiert), Obstsäfte und Limonaden der westlichen Welt erhältlich. Auch wenn Fisch und Fleisch für Vietnamesen zu jeder Mahlzeit gehören, kommt man als Vegetarier auf seine Kosten. Vor allem in Restaurants wird Extrawünschen hinsichtlich der Zusammenstellung einzelner Gerichte allgemein gern entsprochen. Viele Restaurants bieten auch einige vegetarische Gerichte an. Es gibt sogar Gaststätten, die auf vegetarische Kost spezialisiert sind. Neben Reis, Reisnudeln und Mais gibt es Bohnen und Tofu in den verschiedensten Varianten. Meistens wird dieser mit frischen Kräutern und Gemüse gedünstet oder im Wok gegart. Typische Kräuter sind Zitronengras, Koriander, Minze und Petersilie. Außerdem verwenden die Vietnamesen Salz, Pfeffer, Zucker, Limetten, Ingwer sowie Kokosnuss-Crème und Curry.

Übrigens sollte man seine Ess-Stäbchen niemals in V-Form in den Reis stecken, da dieses Zeichen als Sinnbild für den Tod gesehen wird. Hat man die Möglichkeit selbst zu kochen, und scheut man sich nicht, auch etliche Fleisch- und Fischstände zu passieren, bietet es sich an, Tofu, Reis, Obst und Gemüse frisch vom Markt zu kaufen: Die Auswahl ist groß und das Handeln Teil der vietnamesischen Kultur.

An Gemüsearten gibt es neben Tomaten, Karotten, Sellerie und Kohl auch Kürbisse, Artischocken und Auberginen. Außerdem sind Wasserspinat, Bambus, Süßkartoffeln und etliche Salatsorten erhältlich. Das Angebot an exotischen Früchten ist nicht geringer: Fast überall zu finden sind Litschis, Mangos, Papayas und Melonen, aber auch Ananas, Orangen, Bananen und Kokosnüsse. Des Weiteren gibt es exotische Klassiker wie Longans, Drachenfrüchte und Durian. Bei Durian handelt es sich um ein besonders markantes Gewächs: Die große, stachelige Frucht erinnert geschmacklich an die Konsistenz eines festen Vanillepuddings. Liegt die Frucht allerdings für ein paar Tage, gleicht der Geruch dem von faulen Eiern. Oft wird nach dem Essen Obst mit einer Mischung aus Chili und Salz zum Dippen gereicht.

Eine für Vietnam besonders typische Süßspeise ist "Chè", ein Sammelbegriff für alle Nachtische, deren Basis Klebreis (besonders stärkehaltig) und verschiedene Bohnensorten bilden. Oft werden Kokosmilch oder Früchte hinzu gegeben. Ebenfalls charakteristisch sind kandierte und eingelegte Lotussamen sowie Trockenfrüchte, süße Kokosnuss-Bohnensuppen und frittierte Früchte. Von den Franzosen eingeführt und in abgewandelter Form übernommen wurden neben Baguettes auch Croissants und Kaffee. Vietnamesischer Kaffee ist sehr stark und wird in kleinen Mengen serviert. Es gibt acht Qualitätsstufen, wobei die Zahl "8" für die stärkste steht. Geröstet wird der Kaffee in Zucker und weicht dadurch merklich vom europäischen Geschmack ab. Das Aroma ist kakaoähnlich und die Konsistenz leicht cremig. Vietnamesen trinken den starken Kaffee meistens mit "Kondensmilch", viel Zucker und der doppelten Menge Eis (Ca Phe Sua Da). Auch zum Kaffee wird stets eine Tasse Tee gereicht.

Vegetarische Organisationen sind in Vietnam nicht vorzufinden. Dies ist sicher auch darauf zurückzuführen, dass es sich bei diesem Staat um ein Entwicklungsland handelt und andere gesellschaftlich-kulturelle Angelegenheiten wichtiger erscheinen. Trotzdem lässt es sich als Vegetarier in Vietnam durchaus wunderbar und vielfältig speisen, insofern man sich mit kulturellen Gepflogenheiten vertraut macht und ein entsprechendes Vokabular mit sich führt.


© Stefanie Degner, 2008


(*) Unterwegs in Vietnam ... Hilfreiches Vokabular:

Tôi là nguòi an chay. Tôi không an thit, cá, gia câm, thit gà, thit bò.
(Ich bin Vegetarier. Ich esse kein Fleisch, Fisch, Geflügel, Huhn, Rind.)

Ngài có món an chay không?
(Haben Sie ein vegetarisches Gericht?)

Ngài có món naò không cá - không thit - không nuóc mám không?
(Haben Sie ein Gericht ohne Fisch - ohne Fleisch - ohne Fischsoße?)


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Quelle:
natürlich vegetarisch 01/09 - Winter 2008/2009, S. 20-21
60. Jahrgang
Vegetarierbund Deutschland e.V. (VEBU)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Februar 2009