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VEGETARIERBUND/356: Interview mit Charlotte Link (natürlich vegetarisch)


natürlich vegetarisch 03/10 - Sommer 2010
Das VEBU Magazin

"Es lohnt sich auf jeden Fall"

Guido Barth trifft Charlotte Link


Charlotte Link ist mit fast 20 Millionen verkauften Büchern Deutschlands erfolgreichste Autorin. Ihre Bücher erscheinen in vielen Ländern dieser Welt und einige wurden bereits erfolgreich verfilmt. Ihr ist aufgefallen, dass es meist Frauen sind, die sich mehr im Tierschutz engagieren. Sie hörten zwar oft das Argument, es sei doch sowieso nur der Tropfen auf den heißen Stein - sie tun es, anders als die meisten Männer, aber trotzdem. Charlotte Link ist überzeugt, dass sich Tierschutz auf jeden Fall lohnt: "Man weiß ja auch nicht, wie diese Welt aussehen würde, wenn sich niemand für irgendetwas einsetzen würde." Sie lebt aus ethischen Gründen seit ihrem achten Lebensjahr vegetarisch.

GUIDO BARTH: Sie fahren regelmäßig nach Südfrankreich in den Urlaub. Mal abgesehen von den historischen Katharern nicht gerade ein Land der vegetarischen Esskultur.

CHARLOTTE LINK: Es stimmt, Frankreich ist, was die vegetarische Ernährung angeht, nicht der günstigste Ort. Die klassisch französischen Restaurants machen es einem ausgesprochen schwer, da etwas zu finden. Nun gibt es dort relativ viele italienische Restaurants. Das ist für Vegetarier die einfachste Art. Ansonsten kochen wir in unserem Häuschen eben selber.

GUIDO BARTH: Ihre drei Hunde sind immer mit dabei?

CHARLOTTE LINK: Wir haben drei sehr große Hunde und wir haben einen VW-Bus - was ich immer so spießig zum Anschauen finde. Aber da kriegen wir die Hunde immer ganz gut rein, plus Gepäck, plus Kind, plus uns. Wir sind schon immer eine große Fuhre, die sich dann auf den Weg macht.

GUIDO BARTH: Das heißt, Sie fliegen überhaupt nicht?

CHARLOTTE LINK: In den Urlaub ganz selten. Beruflich natürlich schon. Meine Mutter hatte uns einmal zu Weihnachten geschenkt, dass sie für eine Woche auf Kind und Tiere aufpasst, so konnten mein Mann und ich nach Jahren einmal zusammen in die Ferien fliegen: nach England.

GUIDO BARTH: Ihre derzeit drei Hunde, sind die alle aus dem Tierheim?

CHARLOTTE LINK: Natürlich kommen die aus dem Tierheim, alle drei sogar aus einem Auslandstierheim. Ich hatte aber auch schon oft Hunde aus deutschen Tierheimen.

GUIDO BARTH: Wie kommen die Tiere zu Ihnen?

CHARLOTTE LINK: Es sind immer ausgesprochene Notfallhunde, die ich bekomme. Ich bin mit zahlreichen Organisationen vernetzt und habe viele Kontakte und werde häufig auf Notfälle angesprochen. Das sind meistens sehr alte Tiere. Notfall heißt ja häufig: nicht vermittelbar. Nicht vermittelbar sind Hunde besonders dann, wenn sie alt sind. Die Leute, die diese Hunde aufnehmen, wissen von vornherein: Wir werden relativ schnell wieder eine Trennung haben.

GUIDO BARTH: Das heißt, die Hunde haben dann noch eine schöne Zeit bei Ihnen, bevor sie sterben?

CHARLOTTE LINK: Manchmal wesentlich länger als prognostiziert. Ich habe zum Beispiel im Herbst 2007 eine Hündin aus dem Berliner Tierheim übernommen. Die war zwar erst zehn Jahre alt, eine Schäferhündin: blind, schwerer Diabetes und Krebs und man hatte gesagt: noch drei Monate. Sie sollte aber einfach nicht im Tierheim sterben. Und sie hat immerhin noch anderthalb Jahre bei uns gelebt. Leider ist sie dann trotz allem, auch für mich viel zu früh, gestorben.

GUIDO BARTH: Es bleibt bei Ihnen nicht aus, dass zur Vermeidung von schwerstem Leid Tiere auch manchmal eingeschläfert werden müssen. Lassen Sie den Tierarzt dann zu sich nach Hause kommen?

CHARLOTTE LINK: Das ist verschieden. Bei meinem letzten gestorbenen Hund kam der Tierarzt zu mir. Das ist auch das, was ich bevorzuge. In dem Fall der Schäferhündin war es aber so, dass mir die Diagnose nicht ganz klar war und so bin ich mit dem Tier in die Praxis gefahren, weil da die Diagnosemöglichkeiten viel besser sind. In diesem Fall musste ein Röntgenbild gemacht werden, das dann die Sachlage geklärt hat. Die Hündin wurde dann direkt danach, noch in der Praxis, eingeschläfert.

GUIDO BARTH: Bleiben Sie immer bis zum Schluss bei dem Tier?

CHARLOTTE LINK: Ich bleibe immer bis zum Letzten, also ganz genau: ich hab das Tier in meinem Arm - egal, ob wir beim Tierarzt sind oder zu Hause. Ich bin also bis zuletzt ganz nah an dem Tier dran. Das ist nachher auch etwas, womit ich viel besser umgehen kann. Für mich wäre es der Horror, wenn ich nicht da bin, wenn das Tier stirbt.

GUIDO BARTH: Was Sie beschreiben, sind immer ganz schwierige Situationen - für das Tier, aber auch für den Menschen.

CHARLOTTE LINK: Das ist ja auch der Grund, warum ich so viele alte Hunde habe. Menschen haben oft einen Hund sein ganzes Leben lang gehabt und dann wird das Tier alt und schwierig, bekommt Krankheiten, wird kostenintensiv, wird zickig. Deswegen landen sie ja im Tierheim. Da gibt es dann alte Hunde, die dort völlig entgeistert sitzen; nicht wissen, was passiert ist. Hunde, die von heute auf morgen aus einer durchaus liebevollen Atmosphäre verstoßen wurden, weil sie zu anstrengend geworden waren.

GUIDO BARTH: Die Tierausbeutung zieht sich über Jahrtausende hin. Von Gandhi gibt es das Zitat: Den Wert einer Gesellschaft erkennt man daran, wie sie mit ihren Tieren umgeht. Wie sehen Sie den Zusammenhang in Bezug auf unsere Kultur?

CHARLOTTE LINK: Ich sehe daran, wie diese Dinge ablaufen, dass es, egal wie scheinbar kulturell hochstehend eine Gesellschaft ist, immer schlecht aussieht für die, die keinen wirklichen gesetzlichen Schutz genießen. Das heißt, man ist als Gruppierung Tier oder Kind, oder was auch immer, auf die gesetzliche Verankerung der Rechte und des gesetzlichen Schutzes angewiesen. Wenn das fehlt, ist man, nach wie vor, einer unglaublichen Willkür ausgesetzt, was schwer nachvollziehbar ist, denn eigentlich müssten diese Dinge auch schon ohne gesetzliche Vorschriften funktionieren, einfach aus unserem ethischen Verständnis heraus.

GUIDO BARTH: Warum funktioniert das nicht?

CHARLOTTE LINK: Weil sich der Mensch nicht wirklich so weiterentwickelt hat, wie man das glaubt, denkt oder hofft.

GUIDO BARTH: Tierliebe, Tierschutz und nun Tierrechte. Sie haben aber über dieses ganze Thema noch kein Buch geschrieben, oder gibt es eins in der Schublade?

CHARLOTTE LINK: Nein. Es ist auch ein Thema, das gerne wieder weggeblendet wird. Ich hab zum Beispiel in meinem letzten Buch "Das andere Kind" eine Szene über die Galgohunde in Spanien eingebaut. Diese Windhunde werden sehr häufig zur Jagd und zu Rennen eingesetzt: Wenn sie aber nicht mehr das leisten, was sie leisten sollen, entledigt man sich ihrer meist, indem man sie aufhängt; mit einem Seil um den Hals an den Baum. Wenn der Hund aber seinen Besitzer auch noch richtig blamiert hat, weil er in einem Rennen letzter geworden ist oder so etwas, hängt man ihn so auf, das er mit den Hinterpfoten noch ganz knapp den Boden berührt. Das ist dann ein stundenlanges Strangulieren, weil der Hund immer versucht, den Boden noch zu erreichen. Das habe ich in meinem Buch beschrieben und Leser/innen, aber auch Journalist/innen haben mich auf dieses Thema angesprochen und sagten, dass das ja ganz grauenhaft sei. Das löste immer viel Betroffenheit aus, wurde aber nie wirklich thematisiert. Auch in den Interviews, die danach erschienen, da konnte es sein, dass wir eine halbe Stunde darüber geredet hatten und hinterher stand darüber nichts geschrieben.

GUIDO BARTH: Apropos Schreiben: Schreiben Sie auch im Urlaub?

CHARLOTTE LINK: Ich schreibe jeden Tag. Wenn die Termine danach sind, auch im Urlaub. In meinem letzten Urlaub in Südfrankreich habe ich täglich sechs, sieben Stunden am Laptop gesessen und geschrieben. Ich mache das aber nicht so sehr an der Zeit fest, sondern ich schreibe jeden Tag eine bestimmte Anzahl von Seiten. Ich fange immer so um Viertel nach acht, halb neun an und es kann sein, dass ich um zwölf fertig bin und es ist gut gelaufen - ganz toll. Es kann aber auch sein, dass ich am Spätnachmittag noch dran sitze und kämpfe, und es geht nicht.

GUIDO BARTH: Wie sieht für Sie ein idealer Urlaubstag aus?

CHARLOTTE LINK: Das Schönste für mich ist, mit einem Buch unter einem Olivenbaum in Südfrankreich zu sitzen, den ganzen Tag zu lesen und abends irgendwann aufzustehen, die steifen Knochen zu schütteln und so den ganzen Tag Zeit zu haben für dieses Buch.

GUIDO BARTH: Frau Link, vielen Dank für das Gespräch.


Aktuelles Buch von Charlotte Link:

"Das andere Kind"
Roman
Gebundenes Buch
672 Seiten
ISBN: 978-3-7645-0279-9
Verlag: Blanvalet
24,95 Euro


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Quelle:
natürlich vegetarisch 03/10 - Sommer 2010, S. 6-8
61. Jahrgang
Vegetarierbund Deutschland e.V. (VEBU)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. August 2010